die man besser als eine Hygiene bezeichnen dürfte, um sie nicht mit so erbarmungswürdigen Dingen wie das Christenthum ist, zu vermischen, machte ihre Wirkung abh?ngig von dem Sieg über das Ressentiment: die Seele davon frei machen - erster Schritt zur Genesung. "Nicht durch Feindschaft kommt Feindschaft zu Ende, durch Freundschaft kommt Feindschaft zu Ende": das steht am Anfang der Lehre Buddha's - so redet nicht die Moral, so redet die Physiologie. - Das Ressentiment, aus der Schw?che geboren, Niemandem sch?dlicher als dem Schwachen selbst, - im andern Falle, wo eine reiche Natur die Voraussetzung ist, ein überflüssiges Gefühl, ein Gefühl, über das Herr zu bleiben beinahe der Beweis des Reichthums ist. Wer den Ernst kennt, mit dem meine Philosophie den Kampf mit den Rach- und Nachgefühlen bis in die Lehre vom "freien Willen" hinein aufgenommen hat - der Kampf mit dem Christenthum ist nur ein Einzelfall daraus - wird verstehn, weshalb ich mein pers?nliches Verhalten, meine instinktsicherheit in der Praxis hier gerade an's Licht stelle. In den Zeiten der décadence verbot ich sie mir als sch?dlich; sobald das Leben wieder reich und stolz genug dazu war, verbot ich sie mir als unter mir. Jener "russische Fatalismus", von dem ich sprach, trat darin bei mir hervor, dass ich beinahe unertr?gliche Lagen, Orte, Wohnungen, Gesellschaften, nachdem sie einmal, durch Zufall, gegeben waren, Jahre lang z?h festhielt, - es war besser, als sie ?ndern, als sie ver?nderbar zu fühlen, - als sich gegen sie aufzulehnen... Mich in diesem Fatalismus st?ren, mich gewaltsam aufwecken nahm ich damals t?dtlich übel: - in Wahrheit war es auch jedes Mal t?dtlich gef?hrlich. - Sich selbst wie ein Fatum nehmen, nicht sich "anders" wollen - das ist in solchen Zust?nden die grosse Vernunft selbst.
7.
Ein ander Ding ist der Krieg. Ich bin meiner Art nach kriegerisch. Angreifen geh?rt zu meinen Instinkten. Feind sein k?nnen, Feind sein - das setzt vielleicht eine starke Natur voraus, jedenfalls ist es bedingt in jeder starken Natur. Sie braucht Widerst?nde, folglich sucht sie Widerstand: das aggressive Pathos geh?rt ebenso nothwendig zur St?rke als das Rach- und Nachgefühl zur Schw?che. Das Weib zum Beispiel ist rachsüchtig: das ist in seiner Schw?che bedingt, so gut wie seine Reizbarkeit für fremde Noth. - Die St?rke des Angreifenden hat in der Gegnerschaft, die er n?thig hat, eine Art Maass; jedes Wachsthum verr?th sich im Aufsuchen eines gewaltigeren Gegners - oder Problems: denn ein Philosoph, der kriegerisch ist, fordert auch Probleme zum Zweikampf heraus. Die Aufgabe ist nicht, überhaupt über Widerst?nde Herr zu werden, sondern über solche, an denen man seine ganze Kraft, Geschmeidigkeit und Waffen-Meisterschaft einzusetzen hat, - über gleiche Gegner... Gleichheit vor dem Feinde - erste Voraussetzung zu einem rechtschaffnen Duell. Wo man verachtet, kann man nicht Krieg führen; wo man befiehlt, wo man Etwas unter sich sieht, hat man nicht Krieg zu führen. Meine Kriegs-Praxis ist in vier S?tze zu fassen. Erstens: ich greife nur Sachen an, die siegreich sind, - ich warte unter Umst?nden, bis sie siegreich sind. Zweitens: ich greife nur Sachen an, wo ich keine Bundesgenossen finden würde, wo ich allein stehe, - wo ich mich allein compromittire... Ich habe nie einen Schritt ?ffentlich gethan, der nicht compromittirte: das ist mein Kriterium des rechten Handelns. Drittens: ich greife nie Personen an, - ich bediene mich der Person nur wie eines starken Vergr?sserungsglases, mit dem man einen allgemeinen, aber schleichenden, aber wenig greifbaren Nothstand sichtbar machen kann. So griff ich David Strauss an, genauer den Erfolg eines altersschwachen Buchs bei der deutschen "Bildung", - ich ertappte diese Bildung dabei auf der That... So griff ich Wagnern an, genauer die Falschheit, die Instinkt-Halbschl?chtigkeit unsrer "Cultur", welche die Raffinirten mit den Reichen, die Sp?ten mit den Grossen verwechselt. Viertens: ich greife nur Dinge an, wo jedwede Personen-Differenz ausgeschlossen ist, wo jeder Hintergrund schlimmer Erfahrungen fehlt. Im Gegentheil, angreifen ist bei mir ein Beweis des Wohlwollens, unter Umst?nden der Dankbarkeit. Ich ehre, ich zeichne aus damit, dass ich meinen Namen mit dem einer Sache, einer Person verbinde: für oder wider - das gilt mir darin gleich. Wenn ich dem Christenthum den Krieg mache, so steht dies mir zu, weil ich von dieser Seite aus keine Fatalit?ten und Hemmungen erlebt habe, - die ernstesten Christen sind mir immer gewogen gewesen. Ich selber, ein Gegner des Christenthums de rigueur, bin ferne davon, es dem Einzelnen nachzutragen, was das Verh?ngniss von Jahrtausenden ist.
8.
Darf ich noch. einen letzten Zug meiner Natur anzudeuten wagen, der mir im Umgang mit Menschen keine kleine Schwierigkeit macht? Mir eignet eine vollkommen unheimliche Reizbarkeit des Reinlichkeits-Instinkts, so dass ich die N?he oder - was sage ich? - das Innerlichste, die "Eingeweide" jeder Seele physiologisch wahrnehme - rieche... Ich habe an dieser Reizbarkeit psychologische Fühlh?rner, mit denen ich jedes Geheimniss betaste und in die Hand bekomme: der viele verborgene Schmutz auf dem Grunde mancher Natur, vielleicht in
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