meiner Schriften steht für sich mein Zarathustra. Ich habe mit ihm der Menschheit das gr?sste Geschenk gemacht, das ihr bisher gemacht worden ist. Dies Buch, mit einer Stimme über Jahrtausende hinweg, ist nicht nur das h?chste Buch, das es giebt, das eigentliche H?henluft-Buch - die ganze Thatsache Mensch liegt in ungeheurer Ferne unter ihm -, es ist auch das tiefste, das aus dem innersten Reichthum der Wahrheit heraus geborene, ein unersch?pflicher Brunnen, in den kein Eimer hinabsteigt, ohne mit Gold und Güte gefüllt heraufzukommen. Hier redet kein "Prophet", keiner jener schauerlichen Zwitter von Krankheit und Willen zur Macht, die man Religionsstifter nennt. Man muss vor Allem den Ton, der aus diesem Munde kommt, diesen halkyonischen Ton richtig h?ren, um dem Sinn seiner Weisheit nicht erbarmungswürdig Unrecht zu thun. "Die stillsten Worte sind es, welche den Sturm bringen, Gedanken, die mit Taubenfüssen kommen, lenken die Welt."
Die Feigen fallen von den B?umen, sie sind gut und süss: und indem sie fallen, reisst ihnen die rothe Haut. Ein Nordwind bin ich reifen Feigen.
Also, gleich Feigen, fallen euch diese Lehren zu, meine Freunde: nun trinkt ihren Saft und ihr süsses Fleisch! Herbst ist es umher und reiner Himmel und Nachmittag -
Hier redet kein Fanatiker, hier wird nicht "gepredigt", hier wird nicht Glauben verlangt: aus einer unendlichen Lichtfülle und Glückstiefe f?llt Tropfen für Tropfen, Wort für Wort, eine z?rtliche Langsamkeit ist das tempo dieser Reden. Dergleichen gelangt nur zu den Auserw?hltesten; es ist ein Vorrecht ohne Gleichen hier H?rer zu sein; es steht Niemandem frei, für Zarathustra Ohren zu haben... Ist Zarathustra mit Alledem nicht ein Verführer?... Aber was sagt er doch selbst, als er zum ersten Male wieder in seine Einsamkeit zurückkehrt? Genau das Gegentheil von dem, was irgend ein "Weiser", "Heiliger", "Welt-Erl?ser" und andrer décadent in einem solchen Falle sagen würde... Er redet nicht nur anders, er ist auch anders...
Allein gehe ich nun, meine Jünger! Auch ihr geht nun davon und allein! So will ich es.
Geht fort von mir und wehrt euch gegen Zarathustra! Und besser noch: sch?mt euch seiner! Vielleicht betrog er euch.
Der Mensch der Erkenntniss muss nicht nur seine Feinde lieben, er muss auch seine Freunde hassen k?nnen.
Man vergilt einem Lehrer schlecht, wenn man immer nur der Schüler bleibt. Und warum wollt ihr nicht an meinem Kranze rupfen?
Ihr verehrt mich: aber wie, wenn eure Verehrung eines Tages umf?llt? Hütet euch, dass euch nicht eine Bilds?ule erschlage!
Ihr sagt, ihr glaubt an Zarathustra? Aber was liegt an Zarathustra! Ihr seid meine Gl?ubigen, aber was liegt an allen Gl?ubigen!
Ihr hattet euch noch nicht gesucht: da fandet ihr mich. So thun alle Gl?ubigen; darum ist es so wenig mit allem Glauben.
Nun heisse ich euch, mich verlieren und euch finden; und erst, wenn ihr mich Alle verleugnet habt, will ich euch wiederkehren...
Friedrich Nietzsche.
Inhalt
Warum ich so weise bin. Warum ich so klug bin. Warum ich so gute Bücher schreibe. Geburt der Trag?die. Die Unzeitgem?ssen. Menschliches, Allzumenschliches. Morgenr?the. La gaya scienza. Also sprach Zarathustra. Jenseits von Gut und B?se. Genealogie der Moral. G?tzen-D?mmerung. Der Fall Wagner. Warum ich ein Schicksal bin. Kriegserkl?rung. Der Hammer redet
An diesem vollkommnen Tage, wo Alles reift und nicht nur die Traube braun wird, fiel mir eben ein Sonnenblick auf mein Leben: ich sah rückw?rts, ich sah hinaus, ich sah nie so viel und so gute Dinge auf einmal. Nicht umsonst begrub ich heute mein vierundvierzigstes Jahr, ich durfte es begraben, - was in ihm Leben war, ist gerettet, ist unsterblich. Die Umwerthung aller Werthe, die Dionysos-Dithyramben und, zur Erholung, die G?tzen-D?mmerung - Alles Geschenke dieses Jahrs, sogar seines letzten Vierteljahrs! Wie sollte ich nicht meinem ganzen Leben dankbar sein? Und so erz?hle ich mir mein Leben.
Warum ich so weise bin.
1.
Das Glück meines Daseins, seine Einzigkeit vielleicht, liegt in seinem Verh?ngniss: ich bin, um es in R?thselform auszudrücken, als mein Vater bereits gestorben, als meine Mutter lebe ich noch und werde alt. Diese doppelte Herkunft, gleichsam aus der obersten und der untersten Sprosse an der Leiter des Lebens, décadent zugleich und Anfang - dies, wenn irgend Etwas, erkl?rt jene Neutralit?t, jene Freiheit von Partei im Verh?ltniss zum Gesammtprobleme des Lebens, die mich vielleicht auszeichnet. Ich habe für die Zeichen von Aufgang und Niedergang eine feinere Witterung als je ein Mensch gehabt hat, ich bin der Lehrer par excellence hierfür, - ich kenne Beides, ich bin Beides. - Mein Vater starb mit sechsunddreissig Jahren: er war zart, liebenswürdig und morbid, wie ein nur zum Vorübergehn bestimmtes Wesen, - eher eine gütige Erinnerung an das Leben, als das Leben selbst. Im gleichen Jahre, wo sein Leben abw?rts gieng, gieng auch das meine abw?rts: im sechsunddreissigsten Lebensjahre kam ich auf den niedrigsten Punkt meiner Vitalit?t, - ich lebte noch, doch ohne drei Schritt weit vor mich zu sehn. Damals - es war 1879 - legte ich meine Basler Professur nieder, lebte den Sommer über wie ein Schatten
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