Die von denen Faunen gepeitschte Laster | Page 6

Sidonia Hedwig Zaeunemann
jetzt Carolus der Eilfte der Franzosen?
Der
selbst durch diese Kunst mit schönen Ehren=Rosen
Die Dichter
überstimmt. Alfondus Kron und Macht,
Der England Seegen gab,
erhebet ihre Pracht,
Und singt und spielet selbst. Wär Carl (a) noch
jetzt auf Erden, So würd auf seinem Wink manch Lied gesungen
werden.
Ihr nahmt der Dichter Glück und Preiß mit euch ins Grab.

Bey eures Scepters Rest liegt unser Ehren=Stab
Vergraben und
verdeckt. O! könntet ihr erwachen,
Und uns, wie Reich und Volk
beglückt und herrlich machen!
Wo sind die Damen hin die Barbaros
gekannt,
Die man mit Fug und Recht der Fürsten Zier genannt?

Verehrte nicht ihr Ohr geschickte Helden Lieder?
In welchen der Poet

des Tapfern Herculs Brüder,
(Die Prinzen, die im Feld ein blutges
Leder=Kleid,
Ein todt gehaunes Roß und Wahlstadt nicht gescheut;

Die Fürsten, die ihr Volk mit Billigkeit regieret,
Und mit
Gerechtigkeit und Huld den Stab geführet,)
Der Ewigkeit geweyht,
zum Beyspiel vorgestellt,
Und angepriesen hat. O! möchtet ihr die
Welt
Mit eurer dunkeln Gruft, ihr Damen! jetzt vertauschen,
An
manches Fürsten Hof und Prinzens Kammer lauschen!
Ihr würdet
Wunder sehn, wie man der Dichtkunst spott,
Und ihr Gedächtniß fast
aus Geist und Seele rott.
Wo fragen Damen jetzt nach alter Prinzen
Thaten,
Ob auch ihr Regiment, und Feldzug wohl gerathen?

Homerus Helden=Lied weicht jetzt dem schnöden Reim
In dem
Secundens Kiel der Liebe Honigseim
Natürlich abgemahlt. Banisens
Flucht und Lieben
Ergötzt jetzt mehr als das, was Seneca
geschrieben.
So giengs vor Zeiten nicht. Witz und Geschickligkeit
War damahls
wie man weiß, der Dame schönstes Kleid
Und gröster
Ehren=Schmuck; Tholusa läßt uns lesen,
Wie edel ihr Verstand, und
Urtheils=Kraft gewesen.
Der Aquitaner Volk war, wie gesagt, auf
Ehr
Und Ruhm und Glanz bedacht; und suchte nichts so sehr,
Als
sich durch Tapferkeit und Weißheit aufzuschwingen,
Und in die
Ewigkeit vor andern einzudringen.
Die Alleredelsten und Grösten an Vernunft,
Verbanden sich daher
und schlossen eine Zunft,
Worbey der Vorsatz war, die Thaten ihrer
Helden
In Liedern schöner Art der Ewigkeit zu melden.
Wer sich
von ihren Volk auch sonst hervor gethan;
Wer im Turnier gesiegt und
auf der Ehren=Bahn
Den höchsten Preiß erkämpft; dem pflegten sie
in Schriften
Ein Denckmaal seines Ruhms auf gleiche Art zu stiften.

Ja wer sich um das Reich und Volk verdient gemacht,
Wer vor des
Landes Ruh, der Bürger Wohl gewacht,
Dem suchte ihre Hand in
herrlichen Gedichten
Ein köstlich Ehren=Maal und Lob=Lied
aufzurichten.
Ein jeder dieser Zunft versuchte voll Bemühn,
Durch

ein geschicktes Lied den Preiß an sich zu ziehn,
Warum? sie wehlten
sich, wer möchte nicht gewinnen?
Das holde Frauenvolk zu ihren
Richterinnen.
Da war der Damen Geist mit Weißheit ausgeschmückt;

Da ward der Preiß durch sie dem Würdigsten geschickt,
Der sich in
Kunst und Fleiß vor andern angegriffen,
Und am geschicktesten auf
Blat und Rohr gepfiffen.
Der Damen kluger Geist sah reif= und
weißlich ein
Daß Dichter rechter Art nicht blose Schwätzer seyn;

Ihr Sinn forscht weiter nach, und straft mit Witz die Laster, Erhebt die
Tugenden, und zeigt wie man aufs Pflaster
Des Wohlstands treten
soll; wie man die Seele nehrt,
Und sich durch Wissenschaft und Fleiß
vom Pöbel kehrt;
Wie man das höchste Gut der Seelen=Ruh erlanget,

Und durch den Ehren=Kranz am Sternen=Himmel pranget;
Wie
man, wenn andre hier im Welt=Getöse sind,
Dort in der Einsamkeit
die gröste Anmuth findt.
Wer kan uns wohl anjetzt viel kluge Damen nennen,
Die von der
Poesie ein Urtheil fällen können?
Ach leyder! ist bekant, daß man
jetzt wenig findt,
Die von so hohen Geist, als wohl von Herkunft sind.

Warum? Die Zärtlichkeit läßt sich zu nichts mehr zwingen;
Was
thun die Hände mehr als daß sie Knötgen schlingen.
Die Feder wird
gewiß, so leicht nicht angesetzt;
Wenn nicht ein Liebes=Brief zuvor
das Aug ergötzt,
Den Geist entzündet hat; wer wolte sonst was
schreiben;
Man kan sich schon die Zeit auf andre Art vertreiben.

Ein lustig Karten=Spiel vergnügt die Brust weit mehr,
Als wenn man
Tag und Nacht in Büchern fleißig wär;
Ja steht auch dieß nicht an,
das Müthgen abzukühlen,
So läßt man nur im Bret und auf der Dame
spielen.
O! solten wir den Preiß jetzt von den Damen sehn,
Wie
würd es doch so kahl um Sieg und Vorzug stehn?
Zwar kan ein Dichter noch zuweilen dieß geniessen,
Daß Augen
voller Gnad auf seine Blätter schiessen;
Allein er nehme sich mit
seinen Kiel in acht,
Denn wer nicht schmeicheln kan, wird billig
ausgelacht.
Der Lea must er nur die schönsten Augen geben,
Und
Ahitophels Rath als Jethro Spruch erheben.
Er tadle Nathans Wort,

daß er so frey geredt,
Und seinem Könige voll Glanz und Majestät

Nichts nachgesehen hat. Wo wird nach Bürger Sitten,
Der grossen
Fürsten Lust und Handlung zugeschnitten?
Dem Ahab leg er ja die
klügste Einsicht bey,
Daß nichts als Billigkeit in seinem Urtheil sey;

Die Flecken such er fein mit Farben zu bestreichen,
Und eine
Jesabel der Sara zu vergleichen.
Er schmücke alles schön, und was
ein Joab schaft,
Das nenn er fromm und treu, gerecht und tugendhaft.

Er darf sich nicht darbey gewissenhaft Geberden,
Vielweniger
beschämt vor einer Lüge werden.
Hüllt er dieß alles nun in nette
Kleidung ein,
So kan das Wiedergelt ein Gnaden=Blickgen seyn.

Doch nur allein vors Blat; sonst hat er nichts zu hoffen.
Zwey
Menschen steht ein Weg zu gleichen Schicksaal offen;
Doch suchen
sie umsonst: Ein Dichter und Chymist,
Weil einer so ein Narr als wie
der andre ist.
Die Dichtkunst bleibt nicht nur ein
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