Die von denen Faunen gepeitschte Laster | Page 5

Sidonia Hedwig Zaeunemann
aus
dermasen,
Als wolten sie der Welt zum Untergange blasen.
Nun
borst die Wolk entzwey, und läßt auf einmahl loß,
Was sie mit harten
Zwang bißher in ihren Schooß
Und Leib getragen hat; wodurch es

leyder! kommen,
Daß Donner, Blitz und Furcht den Erdkreiß
eingenommen.
Was aber fällt denn wohl aus Wolk und Luft herab?

Wie? ists ein güldner Thau den dorten Hammon gab?
Sinds Fische,
die sich hier in dieser Fluth bewegen?
Es ist ja, wie mich dünkt kein
schlecht, gemeiner Regen.
Solls Ungeziefer seyn, das Feld und Wald
vergift,
Und Schaden und Verderb auf Berg und Wiesen stift?
So ists: jedoch weit mehr: es ist ein Menschen=Regen.
Komm Pluto!
komm und sieh! o welch ein schöner Seegen!
Empfande Jupiter
Angst, Schmerzen, Quaal und Noth,
Als seine Stirn erhitzt, und als
ein Feuer roth,
Und aufgeblasen war, eh Pallas raus gesprungen;

Was Wunder, wenn dieß Heer die Wolke so gedrungen,
Und ihr so
grosse Quaal und Unruh hat gemacht,
Biß sie durch Knall und Blitz
dieß Unheil fort gebracht.
Wer muß ihr Anherr seyn? wie sind sie
denn gestaltet?
Wie der, so Phrygien bey güldner Zeit verwaltet.

Nicht anders; Midas muß ihr Aelter=Vater seyn.
An Ohren sieht
mans ja; die Werke stimmen ein.
Ein Volk, das an Verstand den
schwachen Kindern gleichet.
An Boßheit aber kaum dem Teufel
selber weichet.
Dieß Volk bedeckt die Welt; der Bart womit es prangt,

Zeigt gnug, wie viel es schon an Kraft und Stärk erlangt.
Ja Kräfte
in der Faust; nicht aber im Gehirne,
Mit Runzeln wächst zugleich die
Boßheit in der Stirne.
Steig alter Midas! steig! aus deiner schwarzen Gruft,
Hör! wie dein
edles Volk so sehnlich nach dir ruft,
Vernimm wie treu es dich auch
nach dem Tode liebet,
Und deinen weisen Spruch noch täglich von
sich giebet.
Sieh! wie sich dein Geschlecht so wunderbar vermehrt,

Wie hoch es dich erhebt, wie sehr es dich verehrt.
Dieß dein erhitztes
Volk verbietet den Poeten,
Daß sie auf ihren Rohr und
nettgestimmten Flöthen
Nichts singen, das nach Kunst und
Sitten=Lehre schmeckt,
Und wie Apollo dort der Götter Gunst
erweckt.
Die Warheit will man nicht in ihren Schriften dulden,
Man
straft und richtet sie ohn billiges Verschulden.
O wundert euch mit

mir! daß viel so sinnreich sind,
Und in den Schöppen=Stuhl der
Advocaten Wind
Und ihren Spötter=Kiel, den Gegner zu
beschimpfen,
Die Fehler der Persohn, das Mund= und
Nase=Rümpfen,
Gang, Kleidung, Jugend=Lust, und was dergleichen
mehr,
Mit ganz gelassenen und fröhlichen Gehör,
Und lächlender
Gestalt so klug vertragen können.
Sie leiden ohne Scheu daß zwey
zusammen rennen;
Und wenn auch der Client aus Wehmuth und
Verdruß,
Wohl zwanzig Bogen mehr als sonsten zahlen muß.
Dieß
ist noch nicht genug; es wundere sich ein jeder,
Wenn das erhitzte
Blut auf Schulen und Catheder
Sich unbescheiden zankt, und von
dem Hauptzweck geht,
Aus Neid und Tadelsucht den Gegner beisend
schmäht,
So hört man munter zu, und läßt sich unbekümmert.

Schreibt aber ein Poet, wie sich die Welt verschlimmert,
Und wie das
Laster wächst, so sieht man scheel darzu,
Und läßt aus tollen Neid
dem Dichter keine Ruh
Ob Orthodoxen schon sich auf den
Schau=Platz stellen,
Und durch den scharfen Kiel die Feinde
glücklich fällen,
Wie mancher Philosoph, wie mancher Moralist,
In
dem ein reines Feuer, Verstand und Weißheit ist,
Hat von der
Sitten=Kunst satyrisch gnug geschrieben,
Und dennoch sind sie stets
in Ruh und Fried geblieben.
In Prosa fluchet man der Sitten=Lehre
nicht;
Die arme Poesie wird ohn Verhör gericht.
Ein Redner, ein
Poet steht in gelehrten Orden,
Und beyde sind schon längst zu
Moralisten worden.
Ein jeder ehrt und liebt die Regeln der Natur;

Ein jeder folget ja der Tugend Licht und Spuhr,
Und zeigt die
Laster=Bahn, und sucht der Welt zu nützen.
Allein der Dichter kan
fast niemahls ruhig sitzen.
Zu dieser tollen Art und frecher Seltenheit,
Giebt der belebte Reim
wohl nicht Gelegenheit;
Nein, sondern die Vernunft ist noch nicht
ausgeheitert,
Weil sich der Weißheit Licht in ihnen nicht erweitert,

Weil sie die Tugend nie in ihrem Glanz erkannt;
Weil sie die meiste
Zeit auf Trug und List verwandt;

Weil ihres Vaters Geist auf ihnen
zweyfach lieget,
Ich meine, Midas Sinn, der sie so hoch vergnüget;


Ja seines Hauptes Schmuck, den sie zugleich geerbt,
Hat dieses
Volkes Geist verfinstert und verderbt.
Da nun so Herz als Sinn und
Ohr und Mund verdorben,
Und Tugend und Vernunft in ihrer Brust
erstorben,
Was Wunder? daß dieß Volk Satyren haßt und scheut,

Und deiner Sitten=Lehr mit Fluch und Grimme dräut.
O! daß doch
Knall und Blitz dieß Volck herab gesendet,
Das Klugheit und
Vernunft in Dichter=Schriften schändet!
Wo ist die alte Zeit, in der die Dichtungs=Kunst,
Von grossen
Königen, mit hoher Huld und Gunst
Und Preiß belohnet ward? Die
Tage sind verschwunden,
Da man auch Dichter noch am
Kayser=Tisch gefunden.
Augustus blieb ein Held der alle Welt
bezwang,
Obgleich Virgilius an seiner Tafel sang.
Ward auch die
Majestät durch diese That verletzet?
Weil er die Dichterkunst vor
andern hoch geschätzet.
Des Nero Grausamkeit löscht doch den
Ruhm nicht aus,
Daß er in seiner Brust ein würdig Musen=Haus

Bey seinen Thron erbaut. O! käm die Zeit zurücke,
Da Barbarossens
Hof, so Gnaden=volle Blicke
Den Dichtern zugewandt! die von der
Helden Schweiß,
Von ihren Löwen=Muth, Geschicklichkeit und
Fleiß,
Wenn sie vor Staat und Reich, so treu sie nur vermochten,

Gerahten und gesorgt, mit Arm und Schwerd gefochten,
Gesungen
und erzehlt: damit die neue Welt
Davon ein Beyspiel nähm, der kein
Poet gefällt.
Wo bleibt
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