Die unheilbringende Krone oder König ohne Reich | Page 6

Ferdinand Raimund
Schmerz als kleinlich auch betrachten, Er ist ein heil'ges Weh, du darfst ihn nicht verachten. (Er kniet vor ihr.)
Lucina (gerührt die Hand auf sein Haupt legend). Ich ehre tief dein Leid, es führt dich einst zum Lohne, Der Schmerz geh?rt der Welt, drum tr?gt ihn auch die Krone. (Hebt ihn auf.) Erhebe dich mein Fürst. (l??t ihn in den Wolkenwagen steigen.) Ein Thron soll dich umrauschen. (Die Wolke bildet einen Thronhimmel um Kreons Haupt.) Ist mir Fortuna hold, sollst du ihn bald vertauschen.
(unter zart klagender Musik schwingen sich beide langsam fort.)

Neunte Szene. (Romantische Gegend.)
(Vorne links ein kleines H?uschen mit einem Schilde, worauf eine goldene Schere gemalt ist. Diesem gegenüber eine natürliche Rasenbank, von einem Baum überschattet. Die Musik geht nach der Verwandlung in Simplizius' Ariette über.)
Simplizius (in bürgerlicher Kleidung). Ariette. 's gibt wenig, die so glücklich sind Wie ich aus dieser Welt, Ich hab' kein Weib und hab' kein Kind, Und hab' kein' Kreuzer Geld. Wenn ich auch keine Schulden h?tt', Ich wü?t' vor Freud' nicht, was ich t?t'. Ich will im voraus nicht stolziern, Mein Glück f?ngt erst recht an, Mir scheint, ich werd' mein Gwerb' verliern, Dann bin ich pr?chtig dran; Und 's überraschendste wird sein, Wenn s' kommen werdn und sperrn mich ein.
Dann schau' ich um ein' Freund mich um, Der in der Not mich tr?st', Der macht, da? ich aus d' Festung kumm, Da sitz' ich erst recht fest; Und wenn s' mich dort vielleicht noch schlagn, Das w?r' ein Glück,--nicht zum Ertragn.
Ja, ja, mancher, der mich so reden h?rt, würd' sagen: O je, da kommt schon wieder einer daher, der lamentiert, da? er kein Geld hat und voller Schulden ist und da? er soll eing'sperrt werdn. O Jemine, das ist ein' alte G'schicht'. (Hochdeutsch.) Ja, wenn's aber nicht anders ist, was soll man denn machen? Es ist einmal so, ich hab' einmal kein Geld, und sie sperrn mich einmal ein, vielleicht auch zweimal, (lokal) und wenn das so fortgeht, so komm' ich aus dem Einsperren gar nicht mehr heraus. Ich bin ein rechtschaffener Mann, doch von was soll ich denn zahlen? Ich bin zwar der angesehnste Schneider hier im Ort, aber ich hab' nur eine einzige Kundschaft, und das ist mein Gl?ubiger, ein Weinhandler, der weint um seine fünfhundert Taler, so oft er mich anschaut. Jetzt bin ich ihm das Geld schon sieben Jahr' schuldig, er ist aber schon lang gezahlt, denn statt den Interessen hat er mit mir ausgemacht, da? ich ihm alles umsonst arbeiten mü?t', was in seinem Haus ang'schafft wird. Da kommen aber die Leut' vom ganzen Dorf in sein Haus, lassen sich das Ma? nehmen, ich mu? ihnen umsonst arbeiten, und er la?t sich zahlen dafür. Da hab' ich einen Zimmerherrn drin--(deutet auf sein Haus, geheimnisvoll) der zahlt auch nichts. Ist ein Schmied, ein Reimschmied, schreibt jetzt gar ein Theaterstuck. Auf die Letzt bringt er mich noch in ein Stuck hinein, denn ich h?r', jetzt k?nnen s' gar kein Stuck mehr aufführen, wo s' nicht was von ein' Schneider drin haben, und er gar, er schreibt eins, das hei?t "Die getrennten Brüder", das wird doch aufs z'sam'nahn hinausgehn. Er erwartet immer das Geld von der Post, und jetzt ist ein so ein schlechter Weg, da bleibt's halt stecken. (Ruft zum Fenster hinein.) Guten Morgen, Monsieur Ewald, schon wieder flei?ig? Scribendum!

Zehnte Szene. Voriger. Ewald.
Ewald (schl?gt von innen auf den Tisch). So st?ren Sie mich doch nicht mit Ihrem unsinnigen Geschw?tz. (Kommt heraus im einfachen Gehrock. mit einem Manuskripte, Tinte und Feder.) Es ist nicht m?glich, da? ich einen vernünftigen Gedanken fassen kann, wenn Sie in meiner N?he sind. Gehen Sie doch hinein, ich will hier schreiben.
Simplizius. Schreiben Sie, wo Sie wollen und an wen Sie wollen, aber sein Sie nicht unartig mit mir.
Ewald. Lieber Hausherr, nehmen Sie meine Heftigkeit nicht so auf, Sie sehen, ich bin ein Dichter, ein begeisterter Mensch. Wenn man in Jamben arbeitet, Sie verstehen das nicht so, es sind fünffü?ige Verse.
Simplizius. Ja, das ist ja eben das Unglück, wenn die Vers' eine Menge Fü?' haben und kein' Kopf. Das tragt nichts ein, ich wollt', ich h?tt' so viel Fü?', als Ihre Schlampen oder Jamben, was Sie da schreiben, ich war' schon lang davon g'loffen, auf meine kann ich mich nicht mehr verlassen.
Ewald. Sie sprechen dummes Zeugs, lassen Sie mich ungest?rt. (Er setzt sich auf die Rasenbank und überlegt.) Der letzte Akt, mir fehlt's an Stoff.
Simplizius. Mir auch, wenn ich so ein paar hundert Ellen Gros de Napel h?tt', ich wollt' Ihnen Ihre Getrennten schon herausstaffiern.
Ewald. Nun hab' ich aufh?ren müssen. Jetzt ist der ganze Dialog zerrissen.
Simplizius. Ich wollt', es w?r' alles z'rrissen, so krieget ich doch ein' Arbeit.
Ewald (aufspringend). Aber lieber Meister, wenn Sie einen Rock zuschneiden, so wünschen Sie doch ungest?rt zu sein.
Simplizius. Nun, Sie werd'n doch erlauben, da? es ein' andere Aufgab' ist, wenn ich einen
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