Die ungleichen Schalen | Page 7

Jakob Wasserman
wissen und die nur aufblicken in ihrer Verlassenheit, um nach dem gottbestimmten F��hrer zu suchen, woran sollen sie denn glauben, wenn nicht an das Mysterium, das um eine Krone webt? Das ist ja ihr M?rchen, die Botschaft, das Gesetz! Gesalbtes Haupt weiht das Diadem, k?nigliches Blut rauscht vom Vater zum Sohn, vom Gatten zur Gattin, von Geschlecht zu Geschlecht. Raubt ihnen diesen Glauben, und ihr st��rzt sie in Gemeinheit und Verzweiflung, die Welt steht da, ohne Ordnung, ohne Herrn. (Er erhebt sich, bewegt.) Wenn es ein Verdienst in meinem Leben gibt, Graf Orlow, so ist es das eine, da? ich die Kaiserin zu ��berzeugen vermochte, unsere Ehe, f��r die sie den Segen der Kirche gew��nscht hatte, m��sse ein Geheimnis f��r das Volk bleiben. Und so wurde Iwan fern vom Hof und fern von den Menschen erzogen, denn es ziemt sich nicht f��r den Halbgeb��rtigen, von einem Thron auch nur zu tr?umen.
Orlow
Phantome, Erlaucht, Phantome! Die Zeit hat sich ver?ndert. Es handelt sich nicht um die Gnade, es handelt sich um die Kraft.
Rasumowsky
Ich bin kein Starrkopf, Graf Orlow, nicht einer, der denkfaul an Vergangenem h?ngt. Ich kenne die Zeit. Vieles tragen die Eimer des Jahres herauf aus dem dunklen Schacht, und wer wirklich lebt, wandelt sich mit jedem Becher, den er an die Lippen f��hrt. Das Blut wird auch in alten K?rpern neu. War ich nicht bereit, Graf Orlow? Ich war bereit, mehr kann ich nicht sagen. Aber ich bin gewohnt, in Menschenaugen zu lesen, und mehr noch auf den Stirnen, Graf, auf den Stirnen. Sie sind so unbeh��tet, die Stirnen; man kann sie eine Walstatt der D?monen nennen. (Den Arm mit ausgestrecktem Finger gegen Orlow, stark.) Ich sehe Schicksale auf dieser Stirn, die ungeboren bleiben sollten.
Orlow
Alexei Grigorjewitsch! Nicht auf meiner Stirn, -- in Ihrer Hand liegt jetzt ein Schicksal. Iwan ist in meiner Gewalt.
Rasumowsky
(scheu)
Iwan ... ist ...
Orlow
In meiner Gewalt und nur mir erreichbar.
Rasumowsky
(mit weiten Augen)
Sie wollen damit sagen: um Iwan ist's geschehen, wenn ich mich weigere ...
Orlow
Vielleicht ist es das, was ich sagen will.
Rasumowsky
(n?hert sich Orlow mit gebeugtem Oberk?rper und mit der Unterw��rfigkeit eines Bauern, h?lt ihm mit beiden H?nden die Dokumente hin)
Nehmen Sie, Graf Orlow ...
Orlow
(etwas ��berrascht von dem schnellen Erfolg, greift nach den Papieren).
Rasumowsky
(dem��tig)
Nicht weil ich f��r Iwan f��rchte, Graf Orlow ... nicht weil ich mir sein Leben erkaufen will, ... nicht deshalb, Graf Orlow, nicht deshalb ...
Orlow
(h?lt die Papiere fest, mit finsterem Trotz)
Es w?re auch zu sp?t, Alexei Grigorjewitsch, Sie retten Iwan damit nicht. Er war zu gef?hrlich, als er seine Abstammung kannte. Er weilt nicht mehr unter den Lebenden.
Rasumowsky
(schmerzvoll)
Gott, dein Wille geschehe! Ich habe es geahnt!
Orlow
Und Sie geben mir trotzdem diese Papiere --?
Rasumowsky
(mit der Hoheit des Grames)
Ja, Graf Orlow! Ein Mann, der zu solchen Mitteln greift, den mu? die eigene Tat vernichten. Und wenn es die Krone selbst w?re, sie h?tte kein Gewicht mehr, wenn Sie sie halten. Nichts ... ein Schemen, ein Scheinbild. Nichts. Zeigen Sie die Dokumente der Kaiserin.
Orlow
(br��tend)
Darum also ... Es ist zu viel ... (als w?ge er die Papiere) es scheint mir zu viel Erniedrigung f��r das gew?hrte Almosen. Bin ich denn ein Bettler? Soll es einen Menschen geben, der mich so einsch?tzen darf? (Aufflammend.) Nein, nein, nein! Die Schm?hung greift ans Herz. Wenn ich diesem erbettelten, erschlichenen Wisch alles verdanken m��?te, was mir das Leben gew?hren soll, es fr??e mir das Mark der Tat aus den Knochen. Ein Orlow, der alles Heil auf den Inhalt einiger vergilbter Papiere gr��ndet? Bin ich verloren ohne diese Fetzen, so wie ich jetzt besudelt bin, wenn ich sie als billige Troph?e vor die Augen Katharinas bringe? Nein, Alexei Grigorjewitsch, nein! Die Genugtuung, da? es von Ihrer Gnade abh?ngig war, Ru?land einen Zaren zu geben, kann ich Ihnen nicht ��berlassen. Jede Gegenwart w?re mir verg?llt, und um Ihnen den Beweis zu liefern, da? ich diese Gnade verschm?he, da? ich sie verachte, nur darum tu' ich, was ich tue! (Er eilt zum Kamin und wirft die Dokumente ins Feuer.)
Rasumowsky
(mit seltsam entz��ckter, schreiender Stimme, die zugleich etwas wie physischen Schmerz enth?lt)
Ein Gottesurteil! Ein Gottesurteil!
(Durch Rasumowskys Schrei alarmiert, kommen Lassunsky und Chidrowo mit best��rzten Mienen.)
Lassunsky
(bleibt unter der aufgerissenen T��re stehen, hastig)
Was ist geschehen, Erlaucht?
Chidrowo
(tritt vor, zieht den Degen)
Wir werden Sie sch��tzen, Erlaucht.
Rasumowsky
(ohne sie zu beachten)
So hat eine h?here Macht Ihren Arm gelenkt, Graf Orlow, und Sie haben nur den Beweis geliefert, da? es keinen Weg gibt aus Ihrer Menschentiefe zum Licht der Majest?t. (Er b��ckt sich, als ob er bete.)
Lassunsky
(dr?ngend)
Erlaucht ... die Bl?sse Ihres Gesichts ... Sie sind krank ...
Rasumowsky
(immer geb��ckt)
Ehrfurcht! Der Engel des Schicksals schwebt ��ber uns!
Orlow
(rei?t sich vom Anblick des Feuers los)
Verbrannt ... (Unheilvoll.) Und nun sei auch verbrannt alle Milde, vergessen alles Z?gern feiger R��cksicht und wer mich aufh?lt, meinen Schritt oder den Schritt meines Pferdes, der m?ge zittern!
Rasumowsky
Verwirkt! Verwirkt! Wir wollen zittern, aber der Spruch ist gefallen.
Chidrowo
(fast jubelnd)
Gerettet, M��tterchen Ru?land, gerettet!
Orlow
(im Abgehen)
H��tet euch!
Rasumowsky
(richtet sich wieder empor)
Ich
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