ihrem Kinde beschäftigt. Diese Blicke werden immer
häufiger, und plötzlich haben die Knaben, beide zugleich, Tränen in
den Augen. Nun sehen sie nicht mehr auf, sondern halten die Augen
hartnäckig niedergeschlagen.
Es ist, als wäre zugleich mit der Bäuerin noch jemand anders, der für
alle, außer für die Knaben, unsichtbar und unmerkbar ist, in den Wagen
gekommen. Und dieser andre ist -- Mutter. Die Knaben haben das
Gefühl, daß sie gekommen sei und sich zwischen sie gesetzt und ihre
Hände ergriffen habe, wie sie es noch gestern abend tat, als es sich
entschied, daß sie reisen müßten; und sie spricht ebenso zu ihnen wie
damals: »Ihr müßt mir versprechen, daß ihr Vater meinetwegen nicht
gram sein werdet. Vater hat es mir nie verzeihen können, daß ich ihn
gehindert habe, fortzureisen. Er meint, daß es meine Schuld sei, wenn
nichts aus ihm geworden ist, und wenn er trinkt. Er kann mich nie
genug strafen. Aber ihr dürft ihm deshalb nicht böse sein. Da ihr jetzt
mit Vater leben sollt, müßt ihr mir versprechen, gut gegen ihn zu sein.
Ihr dürft ihn nicht reizen, ihr müßt auf ihn achten, so gut ihr könnt. Das
müßt ihr mir versprechen; sonst weiß ich gar nicht, wie ich euch ziehen
lassen soll.«
Und die Knaben hatten es versprochen.
»Ihr dürft euch nicht von Vater fortschleichen! Versprecht mir das!«
hatte Mutter gesagt.
Das hatten sie auch versprochen.
Die Knaben sind zuverlässig, und in demselben Augenblick, wo sie
daran denken, daß sie Mutter dieses Versprechen gegeben haben, lassen
sie alle Fluchtgedanken fahren. Vater schläft noch immer, aber sie
bleiben geduldig auf ihren Plätzen sitzen. Mit verdoppeltem Eifer
fangen sie wieder zu lesen an, und ihr Freund, der gute Jules Verne,
führt sie bald aus ihren Sorgen in die Wunderwelt Afrikas.
* * * * *
Weit draußen in der Södervorstadt hatte Vater zwei Zimmer zu ebner
Erde gemietet, mit der Aussicht in einen engen Hof. Die Wohnung ist
schon lange in Gebrauch, sie ist von einer Familie auf die andre
übergegangen, ohne je instand gesetzt zu werden. Die Tapeten haben
eine Unmenge Risse und Flecken, die Decken sind verrußt, ein paar
Fensterscheiben sind zerbrochen, und der Küchenboden ist so
ausgetreten, daß er ganz holprig geworden ist. Ein paar Dienstmänner
haben die Möbel vom Bahnhof geholt, sie in die Zimmer getragen und
sie da kunterbunt stehenlassen. Vater und Knaben sind jetzt dabei,
auszupacken. Vater steht mit hocherhobener Axt da, um eine Kiste zu
öffnen. Die Knaben packen aus einer andern Kiste Glas und Porzellan
und stellen es in den Wandschrank. Sie sind geschickt und arbeiten
eifrig, aber Vater hört nicht auf, sie zur Vorsicht zu mahnen, und
verbietet ihnen, mehr als ein Glas oder einen Teller auf einmal zu
tragen. Inzwischen geht es mit Vaters eigner Arbeit nicht recht
vorwärts. Seine Hände sind zittrig und kraftlos, und er ist schon ganz
schweißbedeckt, ohne den Deckel von der Kiste losbekommen zu
können. Er legt die Axt nieder, geht um die Kiste herum und fragt sich,
ob sie vielleicht verkehrt stehe. Da nimmt einer der Knaben die Axt
und fängt an, sie anzustemmen, doch Vater stößt ihn fort. Lennart
werde doch nicht glauben, daß er den Deckel aufbringen könne, wenn
Vater selbst es nicht zustande bringe? »Nur ein geübter Arbeiter kann
diese Kiste öffnen,« sagt Vater und nimmt Hut und Rock, um den
Hausknecht zu holen.
Kaum ist Vater zur Türe hinaus, als ihm etwas einfällt. Er begreift
plötzlich, warum er keine Kraft in den Händen hat. Es ist noch früh am
Vormittag, und er hat nichts zu sich genommen, was das Blut in
Umlauf bringt. Wenn er in ein Café ginge und einen Kognak tränke,
dann würde er seine Kraft wiederfinden und könnte sich ohne fremde
Unterstützung behelfen. Das ist viel besser, als den Hausknecht zu
holen.
Vater geht also auf die Straße, um ein Café zu suchen. Als er in die
kleine Hofwohnung zurückkehrt, ist es acht Uhr abends.
In Vaters Jugend, als er noch auf die Akademie ging, hatte er in der
Södervorstadt gewohnt. Er war damals Mitglied eines Doppelquartetts
gewesen, das hauptsächlich aus Kontoristen und kleinen Kaufleuten
bestand und in einem Keller in der Nähe von Mosebacke seine
Zusammenkünfte abzuhalten pflegte. Vater hatte nun Lust bekommen,
nachzusehen, ob dieser kleine Keller noch existiere. Er war wirklich
noch da, und Vater hatte das Glück gehabt, ein paar von den alten
Freunden zu treffen, die da saßen und frühstückten. Sie hatten ihn mit
größter Freude begrüßt, ihn zum Frühstück eingeladen und seine
Ankunft in Stockholm auf die herzlichste Weise gefeiert. Als die
Mahlzeit schließlich beendet war, hatte Vater heimgehen wollen, um
seine Möbel auszupacken; doch die Freunde hatten ihn überredet, zu
bleiben und mit ihnen zu Mittag zu essen. Und dies hatte sich so lange
hinausgezogen, daß Vater nicht vor acht Uhr nach Hause gekommen
war. Und es hatte ihn
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