die Ehe durch
ihr Verschulden gelöst würde; aber dem hatte sie sich unterwerfen
müssen. Noch weniger zufrieden war sie damit, daß die Knaben vom
Gerichte dem Vater zugesprochen wurden, weil sie eine entlaufene
Ehefrau wäre. Sie tröstete sich freilich damit, daß er unmöglich die
Absicht haben könnte, die Kinder zu behalten; aber sie hatte doch keine
rechte Ruhe mehr.
Sobald die Scheidung durchgeführt war, war sie zurückgekommen und
hatte eine Wohnung gemietet, in der sie mit den Knaben leben wollte.
Erst vor zwei Tagen hatte sie alles fertig gehabt, so daß die Knaben zu
ihr übersiedeln konnten. Es war der glücklichste Tag, den die Kinder
noch erlebt hatten. Die ganze Wohnung bestand aus einem großen
Zimmer und einer großen Küche, aber alles war neu und fein, und
Mutter hatte es so außerordentlich behaglich eingerichtet. Das Zimmer
sollte Mutter und ihnen tagsüber als Arbeitsraum dienen, und nachts
sollten die Knaben da schlafen. Die Küche war sehr niedlich und hell.
Da würden sie essen. Und in einem kleinen Verschlag hinter der Küche
hatte Mutter ihr Bett.
Mutter hatte ihnen gesagt, daß sie sehr arm sein würden. Sie hatte eine
Stelle als Gesanglehrerin an der Mädchenschule bekommen; aber dies
war auch alles: davon mußten sie leben. Sie waren nicht in der Lage,
sich ein Dienstmädchen zu halten, sondern mußten sich allein helfen.
Die Knaben waren über das Ganze in hellstem Entzücken; vor allem
darüber, daß sie mit angreifen durften. Sie erboten sich, Holz und
Wasser zu tragen. Sie wollten die Schuhe putzen und die Betten
machen. Es war ein rechter Spaß, sich das alles auszudenken.
Eine Kammer war da, wo Lennart alle seine Maschinen aufheben
konnte. Er selbst sollte den Schlüssel dazu haben, und kein andrer als
Hugo und er sollten sie je betreten dürfen.
Aber nur einen einzigen Tag durften die Knaben bei Mutter glücklich
sein. Dann hatte ihnen Vater die Freude verdorben, wie er es stets getan
hatte, solange sie sich zurückerinnern konnten. Mutter hatte ihnen
erzählt, sie habe gehört, daß Vater eine Erbschaft von einigen tausend
Kronen gemacht hätte; er habe seine Stellung gekündigt und wolle nun
nach Stockholm ziehen. Mutter und sie hatten sich sehr darüber gefreut,
daß er die Stadt verließ, so daß sie ihm nicht mehr auf der Straße zu
begegnen brauchten. Aber dann war einer von Vaters Freunden mit der
Botschaft zu Mutter gekommen, daß Vater die Knaben nach Stockholm
mitnehmen wolle.
Mutter hatte geweint und gefleht, ihre Knaben behalten zu dürfen, aber
Vaters Abgesandter hatte geantwortet, daß Vater fest entschlossen sei,
die Knaben in seine Obhut zu nehmen. Wenn sie nicht gutwillig kämen,
würde er sie durch die Polizei holen lassen. Er sagte, Mutter solle doch
das Scheidungsurteil durchlesen, da stünde es ja deutlich, daß die
Knaben dem Vater gehörten. Und das wußte Mutter ja auch. Das ließ
sich nicht leugnen.
Vaters Freund hatte viele schöne Dinge gesagt: Vater liebe seine
Jungen und wolle sie deshalb für sich haben ... Aber die Knaben
wußten, daß Vater sie einzig und allein fortschleppte, um Mutter zu
quälen. Er hatte sich das ausgedacht, damit Mutter an der Trennung von
ihm keine Freude hätte. Sie sollte in beständiger Unruhe um die
Knaben leben. Das Ganze war nur Rache und Bosheit.
Aber Vater hatte seinen Willen durchgesetzt, und hier waren sie nun
auf dem Wege nach Stockholm. Und ihnen gegenüber saß Vater und
freute sich, daß er Mutter unglücklich gemacht hatte. Mit jedem
Augenblick, der verging, wurde ihnen der Gedanke, daß sie bei Vater
bleiben und mit ihm leben müßten, immer widerwärtiger. Waren sie
denn völlig in seiner Gewalt? Gab es keine Rettung?
Vater hat sich in seine Ecke zurückgelehnt, und nach einem Weilchen
schlummert er ein. Sogleich beginnen die Knaben sehr lebhaft
miteinander zu flüstern. Es wird ihnen nicht schwer, einen Entschluß zu
fassen. Den ganzen Tag haben sie, jeder für sich, nur daran gedacht,
durchzubrennen.
Sie verabreden, sich auf die Plattform schleichen und aus dem Zuge zu
springen, wenn er gerade durch einen großen Wald führe. Dann würden
sie sich an einem versteckten Plätzchen im Wald eine Hütte bauen und
dort allein leben, ohne sich irgendeinem Menschen zu zeigen.
Während die Knaben diese Pläne schmieden, bleibt der Zug an einer
Station stehen, und eine Bäuerin, die ein kleines Kind an der Hand
führt, steigt in das Kupee. Sie ist schwarz gekleidet, trägt ein Kopftuch
und sieht gut und freundlich aus. Sie zieht dem Kleinen das
Überröckchen aus, das vom Regen naß geworden ist, und wickelt ihn in
einen Schal. Dann zieht sie ihm die Schuhe ab, trocknet die kalten
Füßchen, sucht aus einem Bündel Strümpfe und Schuhe hervor und legt
sie ihm an. Schließlich steckt sie ihm ein Bonbon zu und legt ihn auf
die Bank, den Kopf auf ihrem Schoße, damit er einschlafe.
Bald wirft der eine, bald der andre Knabe einen Blick auf die Bäuerin,
die sich mit
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