jemanden zum Feind gemacht, der nun einen anderen hergeschickt hatte, um sich zu r?chen ... Aber soweit er zurückdenken mochte, nie hatte er jemanden beleidigt, nie irgendeinen ernsten Streit mit jemandem vorgehabt. Er hatte ja seit zwanzig Jahren nichts anderes getan, als da? er in H?fen oder an Stra?enr?ndern gestanden war mit dem Hut in der Hand ... War ihm vielleicht einer wegen eines Frauenzimmers b?se?... Aber wie lange hatte er schon mit keiner was zu tun gehabt ... die Kellnerin in La Rosa war die letzte gewesen, im vorigen Frühjahr ... aber um die war ihm gewi? niemand neidisch ... Es war nicht zu begreifen!... Was mochte es da drau?en in der Welt, die er nicht kannte, für Menschen geben?... Von überallher kamen sie ... was wu?te er von ihnen?... Für diesen Fremden hatte es wohl irgendeinen Sinn gehabt, da? er zu Geronimo sagte: Ich habe deinem Bruder zwanzig Franken gegeben ... Nun ja ... Aber was war nun zu tun?... Mit einem Male war es offenbar geworden, da? Geronimo ihm mi?traute!... Das konnte er nicht ertragen! Irgend etwas mu?te er dagegen unternehmen ... Und er eilte zurück.
Als er wieder in die Wirtsstube trat, lag Geronimo auf der Bank ausgestreckt und schien das Eintreten Carlos nicht zu bemerken. Maria brachte den beiden Essen und Trinken. Sie sprachen w?hrend der Mahlzeit kein Wort. Als Maria die Teller abr?umte, lachte Geronimo pl?tzlich auf und sagte zu ihr: ?Was wirst du dir denn dafür kaufen??
?Wofür denn?!?
?Nun, was? Einen neuen Rock oder Ohrringe??
?Was will er denn von mir?? wandte sie sich an Carlo.
Indes dr?hnte unten der Hof von lastenbeladenen Fuhrwerken, laute Stimmen t?nten herauf und Maria eilte hinunter. Nach ein paar Minuten kamen drei Fuhrleute und nahmen an einem Tische Platz; der Wirt trat zu ihnen und begrü?te sie. Sie schimpften über das schlechte Wetter.
?Heute nacht werdet ihr Schnee haben,? sagte der eine.
Der zweite erz?hlte, wie er vor zehn Jahren Mitte August auf dem Joch eingeschneit und beinahe erfroren war. Maria setzte sich zu ihnen. Auch der Knecht kam herbei und erkundigte sich nach seinen Eltern, die unten in Bormio wohnten.
Jetzt kam wieder ein Wagen mit Reisenden. Geronimo und Carlo gingen hinunter, Geronimo sang, Carlo hielt den Hut hin, und die Reisenden gaben ihr Almosen. Geronimo schien jetzt ganz ruhig. Er fragte manchmal: ?Wieviel?? und nickte zu den Antworten Carlos leicht mit dem Kopfe. Indes versuchte Carlo selbst seine Gedanken zu fassen. Aber er hatte immer nur das dumpfe Gefühl, da? etwas Schreckliches geschehen und da? er ganz wehrlos war.
Als die Brüder wieder die Stufen hinaufschritten, h?rten sie die Fuhrleute oben wirr durcheinanderreden und lachen. Der jüngste rief dem Geronimo entgegen: ?Sing uns doch auch was vor, wir zahlen schon! -- Nicht wahr?? wandte er sich an die anderen.
Maria, die eben mit einer Flasche rotem Wein kam, sagte: ?Fangt heut nichts mit ihm an, er ist schlechter Laune.?
Statt jeder Antwort stellte sich Geronimo mitten ins Zimmer hin und fing an zu singen. Als er geendet, klatschten die Fuhrleute in die H?nde.
?Komm her, Carlo!? rief einer, ?wir wollen dir unser Geld auch in den Hut werfen wie die Leute unten!? Und er nahm eine kleine Münze und hielt die Hand hoch, als wollte er sie in den Hut fallen lassen, den ihm Carlo entgegenstreckte. Da griff der Blinde nach dem Arm des Fuhrmannes und sagte: ?Lieber mir, lieber mir! Es k?nnte daneben fallen -- daneben!?
?Wieso daneben??
?Eh, nun! Zwischen die Beine Marias!?
Alle lachten, der Wirt und Maria auch, nur Carlo stand regungslos da. Nie hatte Geronimo solche Sp??e gemacht!...
?Setz dich zu uns!? riefen die Fuhrleute. ?Du bist ein lustiger Kerl!? Und sie rückten zusammen, um Geronimo Platz zu machen. Immer lauter und wirrer war das Durcheinanderreden; Geronimo redete mit, lauter und lustiger als sonst, und h?rte nicht auf zu trinken. Als Maria eben wieder hereinkam, wollte er sie an sich ziehen; da sagte der eine von den Fuhrleuten lachend: ?Meinst du vielleicht, sie ist sch?n? Sie ist ja ein altes h??liches Weib!?
Aber der Blinde zog Maria auf seinen Scho?. ?Ihr seid alle Dummk?pfe,? sagte er. ?Glaubt ihr, ich brauche meine Augen, um zu sehen? Ich wei? auch, wo Carlo jetzt ist -- eh! -- dort am Ofen steht er, hat die H?nde in den Hosentaschen und lacht.?
Alle schauten auf Carlo, der mit offenem Munde am Ofen lehnte und nun wirklich das Gesicht zu einem Grinsen verzog, als dürfte er seinen Bruder nicht Lügen strafen.
Der Knecht kam herein; wenn die Fuhrleute noch vor Dunkelheit in Bormio sein wollten, mu?ten sie sich beeilen. Sie standen auf und verabschiedeten sich l?rmend. Die beiden Brüder waren wieder allein in der Wirtsstube. Es war die Stunde, um die sie sonst manchmal zu schlafen pflegten. Das ganze Wirtshaus versank in Ruhe wie immer um diese Zeit der ersten Nachmittagsstunden. Geronimo, den Kopf auf dem Tisch, schien zu schlafen. Carlo ging anfangs
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