Die gefesselte Phantasie | Page 8

Ferdinand Raimund
und flieh’ mit ihm nach einer Himmelswelt in unbekannte Sph?ren, dort bau’ ich Amors Tempel auf von gl?nzendem Rubin, und la? von tausend Sonnen ihn bestrahlen, dann raub’ ich dem Saturn die Sichel seiner Zeit und breche sie ob unserer Lieb’ entzwei, damit mir jeder Ku? zur ew’gen Wonne wird.
amphio. Du scherzest, du wei?t nicht, wie poetisch wichtig diese Stunde ist.
phantasie. Beleidige mich nicht! Ich selbst hab’ heute Hermione zu dem Entschlu? begeistert, ein Preisgedicht zu fordern, damit nur einmal dieser langweilige Liebeshandel sein Ende erreicht.
amphio. O dann wirst du mir auch deine Hilfe nicht versagen, der heut’ge Tag entscheidet.
phantasie. Du bist doch noch bescheiden, du nimmst meine Hilfe nur bei Tage in Anspruch, aber manche Dichter sind so wahnsinnig, die ganze Nacht zu schreiben, und wenn die Phantasie nicht gleich auf dem Tintenfasse sitzt, so beschw?ren sie mich durch Punsch und Champagner, da? ich erscheinen soll, und wer kann der Einladung eines so artigen Franzosen, wie der Champagner ist, widerstehen? Ich nicht!
amphio. In jenem Tempel schw?rt die Herrscherin. Ich eile, um dir zu berichten, was wir zu besingen haben. Wie freu’ ich mich, wie bebe ich! Ach, wie qu?lend ist dieser Wechsel von Freude und Furcht.
phantasie. Ach, wie qu?lt dich dieser kleine Wechsel, und wie gerne würde mancher mit dir tauschen, der heute einen recht gro?en auszuzahlen hat. Die Freude ist ein Handelshaus, sie mu? wechseln, denn im Wechsel liegt Freude. Doch um dich zu beruhigen, will ich dir einen Wechsel ausstellen an das gro?e Wechselhaus Amor et Compagnie, nun, der wird dir doch sicher sein? Denn wenn die Liebe zu zahlen aufh?rt, dann macht die Welt Bankrott. So geh’ denn hin und hole den Stoff, die Phantasie bleibt hier zurück, und wenn du wiederkehrst, umschling’ ich deinen Geist, und fertig ist das kindische Gedicht.
amphio. Und wird es Hermionens Hand erringen?
phantasie. Ich schw?r’ es dir bei Schillers Haupt, in dem ich lang gewohnt.
amphio. Ich trau’ auf diesen Schwur. (Sinkt ihr zu Fü?en.)
phantasie (hebt ihn auf). Komm bald, ich harre dein.
amphio (ab).
phantasie. Heute habe ich einen fr?hlichen Tag. Wie wohl ist der Phantasie, wenn sie vom Versemachen ruh’n und in ungezwungener Prosa sprechen kann. (Sie singt eine lustige Rossinische Melodie.) Die Phantasie kann
alles. (Hüpft herum.) Sie ist ein mutwilliges Gesch?pf.

18. Szene
vipria und arrogantia. Erstere mit Pfeil, letztere mit Bogen und Pfeil. vorige
vipria (tritt der Phantasie in den Weg). Halt’ an! Qui vive?
phantasie. Bon amie, die Phantasie.
vipria. Nichts passiert! Gib dich gefangen, bunter Rabe!
phantasie. Doch nicht so leicht. (Entrei?t ihr den Pfeil und verwundet sie.)
vipria. Verdammte Schlange! (H?lt sich den Arm.)
phantasie (eilt auf einen kleinen Hügel und macht Miene zum Auffliegen). Du Hexe, denk’ an mich!
arrogantia (hat den Bogen gespannt und schie?t die Phantasie in eine Achsel, an der der Flügel verwundet wird). Und du an mich!
phantasie (sinkt). Weh’ mir, das traf!
vipria (schadenfroh). Fort mir ihr!
phantasie. O unglücksel’ges Los!
arrogantia. Jetzt kennst du mein Gescho?. (Beide fesseln sie.)
vipria. Sperr’ in den K?fig sie; ich such’ ihr einen Dichter aus.
arrogantia (zieht die Phantasie an den Fesseln fort).
phantasie. Apollo!
arrogantia. Folge mir! (Arrogantia mit der Phantasie ab.)
vipria (allein). Umhülle mich, magische Finsternis! (Schwarze Wolken fallen ein, die in der Mitte einen Stern bilden, es wird Nacht.) Jetzt, Zauberstern, entehre deinen Glanz und strahl’ Gemeinheit ab und H??lichkeit, wie sie mein rachetrunk’ner Sinn begehrt. (Der Stern ?ffnet sich, man sieht das farbige Transparentbild des Harfenisten, mit seiner Harfe sitzend, an der Wand.) Ha, ha, ha! Willkommen, Fratzenbild, dich ernenne ich zu ihrem
Gemahl. (Ein Wagen, mit sechs Raben bespannt, statt der Laternen zwei Fackeln, erscheint.) Durch die Lüfte fort, damit ich es schnell entführe, dies Werk einer hypochondrischen Stunde der Natur! (Fliegt ab.)
verwandlung
(Das Innere eines Bierhauses. Verschiedene G?ste an Tischen; der Schuster, der Spengler, der Fiaker, ein Fremder, der Wirt. Seitw?rts eine Kredenz mit Zimenten. Rückw?rts h?ngt ein K?stchen von schwarzem Papier, worauf transparent zu lesen ist: "Heute spielt der berühmte Harfenist Nachtigall." Kurze passende Musik zur Verwandlung.)

19. Szene
mehrere g?ste. Aber was ist denn das, Herr Wirt?
wirt. Ich bitt’ Sie, meine Herren, sind S’ nur nicht b?s, da? der Harfenist noch nicht da ist; mit dem Menschen ist’s nicht zum Aushalten.
schuster. Wenn er nur nicht so grob w?r’ mit den G?sten.
spengler. Nein, das ist just recht, da hat man was z’ lachen über ihn, er hat gute Einf?lle und so wahr. schuster. Den Herrn hat er neulich ein’ Esel g’hei?en, das war ein guter Gedanken.
wirt. Ja, es ist wahr, er ist der zweite Narrendattel. Ich hab’ eine Menge G?st’ wegen ihm. Den Leuten g’fallt sein’ Grobheit; aber er übernimmt sich. Ich hab’ ihm’s schon g’sagt, wie er noch wen beleidigt, mu? er ausbleiben.
fremder. Ist das der Harfenist, der gestern g’sungen hat? Der kann ja gar nichts! Da wird jetzt ein anderer kommen aus Linz, den werden s’ h?ren. He, Kellner, eine Portion Schafk?pfel!
kellner. Gleich, Euer Gnaden!--Der Nachtigall kommt! alle. Nun, endlich einmal!

20. Szene
vorige. nachtigall karikiert gekleidet, mit
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