Die gefesselte Phantasie | Page 7

Ferdinand Raimund
Orakels Mund des Preisgedichtes Stoff dir kund.
amphio. Leb’ wohl, vertrau’ auf mich! (Entfernt sich schnell.)

14. Szene
Der narr. Dann affriduro und inselbewohner. vorige
narr. Verzeih’, ich bin vorausgeeilt, dich tiefergebenst abzuholen. hermione. K?mmst du allein?
narr. O nein! Ein Narr bringt zehn. (Deutet in die Szene.) affriduro (tritt auf und verbeugt sich). Ich bin der zweite-- (kleine Pause.) der die Nachricht bringt, da? dich Apoll erwartet.
(Neun Inselbewohner treten auf, verbeugen sich und stellen sich auf einer Seite fünf, auf der andern vier, da? Affriduro der fünfte ist.)
narr. Ich halte Wort, die Zahl ist voll.
hermione. So folget mir! (Alles ab.)
narr. Ihr Narren geht voraus, der Weise folget nach. (Geht gravit?tisch nach.)

15. Szene
(Die beiden liegenden Statuen verschwinden und statt ihnen liegen die Zauberschwestern in der n?mlichen Stellung auf den Postamenten, springen erzürnt auf und gehen auf und ab.)
vipria. arrogantia
vipria. Nein, das ist zu viel! Einen Hirten liebt sie! Das hat die Sonne nicht erlebt. Ist er denn wirklich sch?n? Ich hab’ ihn nicht genau betrachtet.
arrogantia. Er hat ein gl?nzend’ Aug’.
vipria. Im Ernst?
arrogantia. Und Lippen wie Rubin.
vipria. Da h?tt’ er sich in uns verlieben sollen, nicht in sie.
arrogantia. Der Meinung bin ich auch.
vipria. Sie darf ihn nicht besitzen!--Wie verhind’re ich es?
arrogantia. Ach, sinne, Schwesterchen! ich bitte dich.
vipria. Geduld!--Durch ein Gedicht soll ihre Hand ihm werden, ist es nicht so? Das Dichten mu? man ihm verleiden. Doch wie? Ich frag’ dich, Zauberstern! (Zieht den Stern heraus und sieht hinein, f?hrt auf.) Hollah! Was spiegelt sich in dir? Was schwebt da in des Himmels Blau? Blick’ auf!
arrogantia (blickt in die Luft). Ein Adler ist’s.
vipria. Du irrst, es ist die Phantasie, sie k?mmt zu Amphio, sie hat ihm Hermionens Hand gelobt.
arrogantia. So sagte er.
vipria. Jetzt lebt es auf in mir; mein Plan ist reif! Wir fangen sie und sperren sie dann ein, dann will ich sehen, wer ein Gedicht hier schreibt.
arrogantia. Ich habe viel Verstand, doch dich versteh’ ich nicht.
vipria. Begreif’s! Wer dichtet denn? Die Phantasie ist’s, die Gedanken schafft. Wir halten sie gefangen, dann f?llt keinem Dichter etwas ein.
arrogantia. Also wird auch kein Preisgedicht gemacht?
vipria. Es wird gemacht, heut’ abend noch, doch zwingen werde ich die Phantasie, den zu begeistern, den ich für Hermione zum Gemahl bestimmt, und wie der aussehen wird, das kannst du dir wohl denken; und nehmen mu? sie ihn, wenn er das Beste liefert: sie schw?rt’s in diesem Augenblick im Tempel des Apoll’.
arrogantia. Ein sch?ner Plan!--verbergen wir uns jetzt! vipria. Flieg’ nur, mein V?gelchen, du fliegst in unser Netz.
(Beide verbergen sich, die Statuen erscheinen wieder an ihrer vorigen Stelle, das Ritornell der Arie beginnt. Die Phantasie schwebt mit ausgespreiteten irisfarbigen Flügeln auf rosigem Nebel nieder.)

16. Szene
die phantasie allein
phantasie. Arie. Ich bin ein Wesen leichter Art, Ein Kind mit tausend Launen, Das Nied’res mit dem H?chsten paart, ’s ist wirklich zum Erstaunen. Kurzum ich bin ein Kraft-Genie: Sie sehn in mir die Phantasie.
(Ans Publikum.)
Wenn rauhe Wirklichkeit auch gleich Verwundet Ihre Herzen, So flüchten Sie sich in mein Reich, Ich lind’re Ihre Schmerzen; Denn alles Glück, man glaubt es nie, Am End’ ist’s doch nur Phantasie. Im dichterischen übermut Durchschweb’ ich weite Fernen, Ich steck’ die Sonne auf den Hut Und würfle mit den Sternen; Doch vor des Beifalls Melodie Verbeugt sich tief die Phantasie.
(Sich tief verneigend.)
Es ist doch wahrlich eine Schande, da? die Phantasie, die von oben stammt, als Unterh?ndlerin in einem Liebesroman erscheint. Apollo selbst will dieses P?rchen einen; denn unter uns gesagt, er ist ein eitler Man, wie viele Dichter sind, und Hermionens Schwur, nur einem Dichter zu geh?ren, hat ihn so sehr entzückt, da? er mir befahl, ihr einen Würdigen zu bilden, zu bilden: weil gew?hnlich die gebildetsten Dichter die ungebildetsten Ehem?nner sind. Hier k?mmt mein Kandidat, ich will ihn doch ein wenig aufziehen.

17. Szene
amphio. Die phantasie
phantasie. Nun, mein dichterischer Freund, wie haben wir uns aufgeführt? Hat unser gestriges Gedicht Amors Bande fester geknüpft?
amphio. Auf ewig sie zu binden steht in deiner Macht.
phantasie. Ich armes Kind soll andere verm?hlen, und für mich selbst wird Hymens Fackel niemals leuchten.
amphio. Wer würde deine Hand verschm?hen?
phantasie. Ach, ihr güt’gen G?tter, die M?nner fliehen ja schon in jetziger Zeit, wenn ihnen ein M?dchen gesteht, da? sie 20 Jahre alt sei, wie würden sie erst wettrennen, wenn ich gestehen mü?te, da? ich schon so viele tausend Jahre auf der Welt herumfliege. Nichts, nichts, ich bin eine Tochter der Luft, und lüftige Personen sind nicht zum Heiraten geneigt. Was kümmern mich die M?nner dieser ird’schen Welt? Was gilt mir selbst ein menschlicher Apoll’? Ich bin die Phantasie; der h?chsten Sch?nheit Bild kann ich mir selbst erschaffen, nach Adonis’ reizender Gestalt form’ ich aus ros’gem ?ther mir den Br?utigam, seine Muskeln st?hl’ ich durch die Kraft des Herkules, in sein Gehirn leg’ ich Minervens Weisheit ihm, der Zunge schenk’ ich die Beredsamkeit der Polyhymnia, in seine Brust gie?’ ich Selenens Sanftmut aus. So bild’ aus G?tterkr?ften ich mein Ideal
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