wird die Beherrscherin erscheinen?
affriduro. Wir haben große Dinge vorzutragen.
narr. Sie kommt sogleich, sie ordnet nur ein Fest, wozu nicht lauter
Dichter eingeladen sind, gemeine Geister auch.
distichon. Sie wird doch nicht gar Handwerksleute laden?
narr. Aha, der fürchtet sich, es möchten welche darunter sein, denen er
schuldig ist.
distichon. Das fürcht’ ich nicht; des rühm’ ich mich, daß einer lebt, der
mir noch borgt. Wer borgt denn nicht? Alles ist auf dieser Welt geborgt,
das Leben selbst ist nur geliehene Ware; die Erd’, auf der wir wandeln,
ist nicht schuldenfrei: der Raum, in dem sie schwebt, gehört der Luft,
sie wäre blind, wenn ihr die Sonn’ den Star nicht sticht; und auch die
Sonne, die Verschwenderin, die ein zu glänzend’ Haus nur führt,
bezieht ganz sicherlich ihr leuchtend’ Gold aus einer Wucherwelt.
narr. Du sprichst ja wie ein Sokrates!
distichon. Beneid’ mich nicht um meinen Genius! Wem Höheres
geworden, der hat auch höhere Zinsen abzutragen.
narr. Da kommst du gut davon, denn für das bißchen Hirn, was dir
Natur geliehen, wirst du ihr wenig Zinsen zahlen.
distichon. Man will an andern niemals finden, was man selbst vermißt.
Ästhetisch Wirken herrscht auf Flora; du gehörst nicht unter uns, wir
ringen nach Unsterblichkeit.
narr. O, ihr betriebsamen Florianer! Müßiggang heißt euer Gewerb; ich
will dir ein Mittel sagen, das dich unsterblich macht: leg’ du die Zeit, in
der du müßig gehst, als Kapital zurück, und wenn dein lumpicht Leben
ausgeht, flick’ sie hinten dran, dann lebst du fort in alle Ewigkeit.
affriduro. Wie kannst du’s wagen, Narr, in meiner Gegenwart solch
ungeschliffenen Scherz zu treiben?
narr. Verzeih’, dich hab’ ich nicht gemeint, dich nehm’ ich schon ein
andersmal aufs Korn. Er hat ein Spottgedicht auf mich gemacht, drum
hetz’ ich ihn, so lang ich Atem hab’!
odi. Versöhnet euch, ich hab’ euch etwas zu entdecken.
narr. Was, eine Neuigkeit? Waffenstillstand unterdessen! Vielleicht
gibt’s neuen Stoff zum Schimpfen.
odi. So hört denn! Unsere Fürstin ist verliebt.
distichon. In wen?
odi. Ja seht, das weiß ich nicht.
narr. Ich bitte dich, bewahre dein Geheimnis.
affriduro. Was sprachst du für ein Wort?
odi. Als gestern sie den stillen Hain betrat, wo sie so gerne weilt,
schlich ich ihr nach und sah, wie ein Gedicht sie aus dem Busen zog,
das sie wohl mehr als zwanzigmal geküßt.
distichon (seufzend). O! wär ich dies Gedicht gewesen!
narr. Dann hätt’ sie’s sicher nicht gelesen.
odi. Dann rief begeistert sie: "Nur ein Genie, das so die Liebe schildern
kann, ist meiner Liebe wert."
distichon (beiseite). War’s mein Gedicht, bin ich der Glückliche?
odi. Doch in dem Augenblick kam Amphio mit ihrer Lilienherde, und
ich ward verscheucht.
affriduro. Sag’ mir doch, Odi, wie kommt Amphio, ein Fremdling hier
im Lande, zu der Ehre, Hermionens Lieblingslämmer zu bewachen?
odi. Das will ich euch erzählen. Dieser Hirt scheint mir nichts
Gewöhnliches zu sein. Der Aufseher der fürstlichen Herde ward vor
einem Jahr von einer Schlange überfallen, die ihn getötet hätte, wenn
nicht ein junger Wanderer aus einem Busche springt und sie erschlägt.
Amphio war der kühne Jüngling, er forderte keinen Dank, als einen
kleinen Dienst in unserem Land; er wäre eine Waise, sagte er, und
suchte unter fremden Völkern nun sein Glück, da er’s in seiner Heimat
nicht gefunden hat. Der Aufseher, von Dankbarkeit bewegt, erinnert
sich, daß er einen Stier besäße, welcher gold’ne Hörner trägt. distichon.
Goldene Hörner? Hätt’ ich diesen Stier, das wär’ ein Kapital!
narr. Mir wär’ ein Hirsch mit gold’nem G’weih viel lieber, der wirft
doch alle Jahr’ Interessen ab.
odi. Nun stellt euch vor, von Dankbarkeit bewegt, ernennt er ihn zum
Hüter dieses Stiers.
narr (weint). O, edler Mann! O schöne Vermundschaft! Wie war denn
das? Hat der Ochs ihm befohlen oder er dem Ochsen?
odi. Das letztere.
narr. Das ist doch noch ein Glück. Ich hab’ das erste auch erlebt schon
in der Welt.
odi. Und da er seinen Dienst so treu versah, schwang er sich zum
Hirten uns’rer Lilienherde auf; doch liegt etwas Geheimnisvolles in
dem Jungen, und daß zum Hirten er geboren, glaub’ ich nimmermehr.
affriduro. Hermione naht, zieht euch zurück.
4. Szene
hermione. gefolge. vorige
chor. Heil Hermione! Glücklich die Zone, In der sie thront!
hermione. Ganz ungewöhnlich ist die Stunde zwar, in der ihr meine
Gegenwart verlangt, doch gibt es keine Zeit, in der ich euch nicht
angehörte; stets haben unsere Wünsche freundlich sich begrüßt, daß sie
sich heute feindlich trennen werden, hoff’ ich nicht. Sprecht aus, was
ihr begehrt!
affriduro. Auf dein Geheiß, o Königin, befragt’ ich das Orakel des
Apoll’, wodurch der Übermut der Zauberschwestern sei zu bändigen
und was durch sie die dunkle Zukunft unserem Lande droht.
hermione. Und des Orkakels Spruch?
affriduro. Verderben, Krieg droht Eurem Blumenreich, wenn Ihr die
Zauberschwestern nicht daraus verjagt.
alles. Wehe uns!
hermione. Was raten meine Weisen mir?
distichon (tritt vor). So höre mich
Continue reading on your phone by scaning this QR Code
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the
Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.