Die drei Nüsse | Page 5

Clemens Brentano
Flur weg, kam dieselbe bei dem Anblick eines kindischen Gem?ldes in eine solche Bestürzung, da? der Bürgermeister fürchtete, sie m?chte an seinem Arme ohnm?chtig werden; er brachte sie schnell auf seine Stube, und sie lie? sich unter bittern Tr?nen auf einen Stuhl nieder.
Der Bürgermeister wu?te die Veranlassung ihrer Gemütsbewegung nicht und fragte sie, was ihr fehle. Sie sagte ihm: "Mein Herr, woher kennen Sie mein Elend, wer hat das Bild an die Stubentüre geheftet, an welcher wir vorübergingen?" Da erinnerte sich der Bürgermeister an das Bild und sagte ihr, da? es die Spielerei seines jüngsten Sohnes sei, welcher eine Neigung habe, alle Ereignisse, die ihn n?her interessierten, in solchen Malereien auf seine Art zu verewigen. Das Bild aber bestand darin, da? der Knabe, welcher das Jahr vorher den Alchimisten kniend und die H?nde ringend in dieser Stube: "Ah, mon Dieu, mon Dieu!" hatte ausrufen h?ren, diesen in derselben Stellung und über ihn drei Nüsse mit dem Spruche: "Unica nux prodest, nocet altera, tertia mors est!" auf eine Pappe gemalt und an die Stubentüre, wo der Alchimist gewohnt, befestigt hatte.
"Wie kann Ihr Sohn das schreckliche Unglück meines Mannes wissen?" sagte die Frau; "wie kann er wissen, was ich ewig verbergen m?chte, und weswegen ich mein Vaterland verlassen habe?"
"Ihres Mannes?" erwiderte der verwunderte Bürgermeister; "ist der Chemiker Todénus Ihr Mann? Ich glaubte nach Ihrem Passe, da? Sie die Witwe des Apothekers Pierre du Pont aus Lyon seien."
"Die bin ich", entgegnete die Fremde, "und der Abgebildete ist mein Mann, du Pont; mir zeigt es die Stellung, in welcher ich ihn zuletzt gesehen, mir zeigt es der fatale Spruch und die Nüsse über ihm."
Nun erz?hlte ihr der Bürgermeister den ganzen Vorfall mit dem Alchimisten in seinem Hause und fragte sie, wie er sich befinde, wenn er wirklich ihr Mann sei, der vielleicht unter fremdem Namen bei ihm gewesen w?re.
"Mein Herr", erwiderte die Frau, "ich sehe wohl, das Schicksal selbst will, da? meine Schmach nicht soll verborgen bleiben; ich erwarte von Ihrer Rechtschaffenheit, da? Sie mein Unglück nicht zu meinem Nachteil bekanntmachen werden. H?ren Sie mich an. Mein Mann, der Apotheker Pierre du Pont, war wohlhabend; er würde reich gewesen sein, wenn er nicht durch seine Neigung zur Alchimie vieles Geld verschwendet h?tte. Ich war jung und hatte das gro?e Unglück, sehr sch?n zu sein. Ach, mein Herr, es gibt schier kein gr??eres Unglück als dieses, weil keine Ruhe, kein Friede m?glich ist, weil alles nach einem verlangt und verzweifelt und man in solche Bedr?ngnisse und Belagerungen k?mmt, da? man sich manchmal gar, nur um des ekelhaften G?tzendienstes los zu werden, dem Verderben hingeben k?nnte. Eitel war ich nicht, nur unglücklich; denn ich mochte mich auch absichtlich schlecht und entstellend kleiden, so wurde doch immer eine neue Mode daraus, und man fand es allerliebst. Wo ich ging und stand, war ich von Verehrern umgeben, ich konnte vor Serenaden nicht schlafen, mu?te einen Diener halten, die Geschenke und Liebesbriefe abzuweisen, und alle Augenblick mein Gesinde abschaffen, weil es bestochen war, mich zu verführen. Zwei Diener in der Apotheke meines Mannes vergifteten einander, weil ein jeder von ihnen entdeckt hatte, da? der andere ein Edelmann sei, der aus Leidenschaft zu mir unter fremdem Namen in unsre Dienste gegangen war. Alle Leute, die in unsrer Offizin Arznei holten, waren dadurch schon im Verdacht, liebeskrank zu sein. Ich hatte von allem diesem nichts als Unruhe und Elend, und nur die Freude meines Mannes an meiner Gestalt hielt mich ab, mich an meiner Larve zu vergreifen und mich auf irgendeine Weise zu entstellen. Oft fragte ich ihn, ob er denn an meinem Herzen und guten Willen nicht genug habe; er m?chte mir doch erlauben, mein Gesicht, das so vieles Unheil stifte, durch irgendein beizendes Mittel zu verderben. Aber er erwiderte mir immer: ?Sch?ne Amelie! Ich würde verzweifeln, wenn ich dich nicht mehr ansehen k?nnte; ich würde der unglücklichste Mensch sein, wenn ich den ganzen Tag in meinem ru?igen Laboratorium vergebens geschwitzt habe und meine Augen abends nicht mehr an deinem Anblick erquicken k?nnte. Du bist der einzige klare Punkt in meiner finstern Bestimmung, und wenn ich alle meine Hoffnung habe nach schwerem Tagewerk zum Rauchfang hinausfliegen sehen, tritt mir alle meine Hoffnung am Abend in deiner Sch?nheit wieder entgegen.? Er liebte mich z?rtlich, aber Gott segnete unsre Liebe nicht, wir hatten keine Kinder. Als ich ihm meine Trauer hierüber einst sehr lebhaft mitteilte, ward er finster und sprach: ?So Gott will und mir nicht alles mi?lingt, wird uns auch diese Freude werden.? An einem Abend kam er sp?t nach Hause, er war ungew?hnlich froh und gestand mir, da? er heute mit einem sehr tief eingeweihten Adepten sich unterhalten habe, der einen lebhaften Anteil an ihm und mir zu nehmen scheinen und unsre Wünsche würden bald erfüllt werden. Ich verstand ihn nicht.
Nach Mitternacht erwachte ich durch ein Ger?usch; ich sah meine
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