Die Verwandlung | Page 5

Franz Kafka
die Absicht, Ihnen das alles unter vier Augen zu sagen, aber da Sie mich hier nutzlos meine Zeit vers?umen lassen, wei? ich nicht, warum es nicht auch Ihre Herren Eltern erfahren sollen. Ihre Leistungen in der letzten Zeit waren also sehr unbefriedigend; es ist zwar nicht die Jahreszeit, um besondere Gesch?fte zu machen, das erkennen wir an; aber eine Jahreszeit, um keine Gesch?fte zu machen, gibt es überhaupt nicht, Herr Samsa, darf es nicht geben.?
?Aber Herr Prokurist,? rief Gregor au?er sich und verga? in der Aufregung alles andere, ?ich mache ja sofort, augenblicklich auf. Ein leichtes Unwohlsein, ein Schwindelanfall, haben mich verhindert aufzustehen. Ich liege noch jetzt im Bett. Jetzt bin ich aber schon wieder ganz frisch. Eben steige ich aus dem Bett. Nur einen kleinen Augenblick Geduld! Es geht noch nicht so gut, wie ich dachte. Es ist mir aber schon wohl. Wie das nur einen Menschen so überfallen kann! Noch gestern abend war mir ganz gut, meine Eltern wissen es ja, oder besser, schon gestern abend hatte ich eine kleine Vorahnung. Man h?tte es mir ansehen müssen. Warum habe ich es nur im Gesch?fte nicht gemeldet! Aber man denkt eben immer, da? man die Krankheit ohne Zuhausebleiben überstehen wird. Herr Prokurist! Schonen Sie meine Eltern! Für alle die Vorwürfe, die Sie mir jetzt machen, ist ja kein Grund; man hat mir ja davon auch kein Wort gesagt. Sie haben vielleicht die letzten Auftr?ge, die ich geschickt habe, nicht gelesen. übrigens, noch mit dem Achtuhrzug fahre ich auf die Reise, die paar Stunden Ruhe haben mich gekr?ftigt. Halten Sie sich nur nicht auf, Herr Prokurist; ich bin gleich selbst im Gesch?ft, und haben Sie die Güte, das zu sagen und mich dem Herrn Chef zu empfehlen!?
Und w?hrend Gregor dies alles hastig ausstie? und kaum wu?te, was er sprach, hatte er sich leicht, wohl infolge der im Bett bereits erlangten übung, dem Kasten gen?hert und versuchte nun, an ihm sich aufzurichten. Er wollte tats?chlich die Tür aufmachen, tats?chlich sich sehen lassen und mit dem Prokuristen sprechen; er war begierig zu erfahren, was die anderen, die jetzt so nach ihm verlangten, bei seinem Anblick sagen würden. Würden sie erschrecken, dann hatte Gregor keine Verantwortung mehr und konnte ruhig sein. Würden sie aber alles ruhig hinnehmen, dann hatte auch er keinen Grund sich aufzuregen, und konnte, wenn er sich beeilte, um acht Uhr tats?chlich auf dem Bahnhof sein. Zuerst glitt er nun einigemale von dem glatten Kasten ab, aber endlich gab er sich einen letzten Schwung und stand aufrecht da; auf die Schmerzen im Unterleib achtete er gar nicht mehr, so sehr sie auch brannten. Nun lie? er sich gegen die Rücklehne eines nahen Stuhles fallen, an deren R?ndern er sich mit seinen Beinchen festhielt. Damit hatte er aber auch die Herrschaft über sich erlangt und verstummte, denn nun konnte er den Prokuristen anh?ren.
?Haben Sie auch nur ein Wort verstanden?? fragte der Prokurist die Eltern, ?er macht sich doch wohl nicht einen Narren aus uns?? ?Um Gottes willen,? rief die Mutter schon unter Weinen, ?er ist vielleicht schwer krank, und wir qu?len ihn. Grete! Grete!? schrie sie dann. ?Mutter?? rief die Schwester von der anderen Seite. Sie verst?ndigten sich durch Gregors Zimmer. ?Du mu?t augenblicklich zum Arzt. Gregor ist krank. Rasch um den Arzt. Hast du Gregor jetzt reden h?ren?? ?Das war eine Tierstimme,? sagte der Prokurist, auffallend leise gegenüber dem Schreien der Mutter. ?Anna! Anna!? rief der Vater durch das Vorzimmer in die Küche und klatschte in die H?nde, ?sofort einen Schlosser holen!? Und schon liefen die zwei M?dchen mit rauschenden R?cken durch das Vorzimmer -- wie hatte sich die Schwester denn so schnell angezogen? -- und rissen die Wohnungstüre auf. Man h?rte gar nicht die Türe zuschlagen; sie hatten sie wohl offen gelassen, wie es in Wohnungen zu sein pflegt, in denen ein gro?es Unglück geschehen ist.
Gregor war aber viel ruhiger geworden. Man verstand zwar also seine Worte nicht mehr, trotzdem sie ihm genug klar, klarer als früher, vorgekommen waren, vielleicht infolge der Gew?hnung des Ohres. Aber immerhin glaubte man nun schon daran, da? es mit ihm nicht ganz in Ordnung war, und war bereit, ihm zu helfen. Die Zuversicht und Sicherheit, womit die ersten Anordnungen getroffen worden waren, taten ihm wohl. Er fühlte sich wieder einbezogen in den menschlichen Kreis und erhoffte von beiden, vom Arzt und vom Schlosser, ohne sie eigentlich genau zu scheiden, gro?artige und überraschende Leistungen. Um für die sich n?hernden entscheidenden Besprechungen eine m?glichst klare Stimme zu bekommen, hustete er ein wenig ab, allerdings bemüht, dies ganz ged?mpft zu tun, da m?glicherweise auch schon dieses Ger?usch anders als menschlicher Husten klang, was er selbst zu entscheiden sich nicht mehr getraute. Im Nebenzimmer war es inzwischen ganz still geworden. Vielleicht sa?en die Eltern mit dem Prokuristen beim Tisch und tuschelten, vielleicht lehnten alle an der Türe
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