Die Verwandlung | Page 4

Franz Kafka
den Kopf hatte er nicht vorsichtig genug gehalten und ihn angeschlagen; er drehte ihn und rieb ihn an dem Teppich vor ?rger und Schmerz.
?Da drin ist etwas gefallen,? sagte der Prokurist im Nebenzimmer links. Gregor suchte sich vorzustellen, ob nicht auch einmal dem Prokuristen etwas ?hnliches passieren k?nnte, wie heute ihm; die M?glichkeit dessen mu?te man doch eigentlich zugeben. Aber wie zur rohen Antwort auf diese Frage machte jetzt der Prokurist im Nebenzimmer ein paar bestimmte Schritte und lie? seine Lackstiefel knarren. Aus dem Nebenzimmer rechts flüsterte die Schwester, um Gregor zu verst?ndigen: ?Gregor, der Prokurist ist da.? ?Ich wei?,? sagte Gregor vor sich hin; aber so laut, da? es die Schwester h?tte h?ren k?nnen, wagte er die Stimme nicht zu erheben.
?Gregor,? sagte nun der Vater aus dem Nebenzimmer links, ?der Herr Prokurist ist gekommen und erkundigt sich, warum du nicht mit dem Frühzug weggefahren bist. Wir wissen nicht, was wir ihm sagen sollen. übrigens will er auch mit dir pers?nlich sprechen. Also bitte mach die Tür auf. Er wird die Unordnung im Zimmer zu entschuldigen schon die Güte haben.? ?Guten Morgen, Herr Samsa,? rief der Prokurist freundlich dazwischen. ?Ihm ist nicht wohl,? sagte die Mutter zum Prokuristen, w?hrend der Vater noch an der Tür redete, ?ihm ist nicht wohl, glauben Sie mir, Herr Prokurist. Wie würde denn Gregor sonst einen Zug vers?umen! Der Junge hat ja nichts im Kopf als das Gesch?ft. Ich ?rgere mich schon fast, da? er abends niemals ausgeht; jetzt war er doch acht Tage in der Stadt, aber jeden Abend war er zu Hause. Da sitzt er bei uns am Tisch und liest still die Zeitung oder studiert Fahrpl?ne. Es ist schon eine Zerstreuung für ihn, wenn er sich mit Laubs?gearbeiten besch?ftigt. Da hat er zum Beispiel im Laufe von zwei, drei Abenden einen kleinen Rahmen geschnitzt; Sie werden staunen, wie hübsch er ist; er h?ngt drin im Zimmer; Sie werden ihn gleich sehen, wenn Gregor aufmacht. Ich bin übrigens glücklich, da? Sie da sind, Herr Prokurist; wir allein h?tten Gregor nicht dazu gebracht, die Tür zu ?ffnen; er ist so hartn?ckig; und bestimmt ist ihm nicht wohl, trotzdem er es am Morgen geleugnet hat.? ?Ich komme gleich,? sagte Gregor langsam und bed?chtig und rührte sich nicht, um kein Wort der Gespr?che zu verlieren. ?Anders, gn?dige Frau, kann ich es mir auch nicht erkl?ren,? sagte der Prokurist, ?hoffentlich ist es nichts Ernstes. Wenn ich auch andererseits sagen mu?, da? wir Gesch?ftsleute -- wie man will, leider oder glücklicherweise -- ein leichtes Unwohlsein sehr oft aus gesch?ftlichen Rücksichten einfach überwinden müssen.? ?Also kann der Herr Prokurist schon zu dir hinein?? fragte der ungeduldige Vater und klopfte wiederum an die Tür. ?Nein,? sagte Gregor. Im Nebenzimmer links trat eine peinliche Stille ein, im Nebenzimmer rechts begann die Schwester zu schluchzen.
Warum ging denn die Schwester nicht zu den anderen? Sie war wohl erst jetzt aus dem Bett aufgestanden und hatte noch gar nicht angefangen sich anzuziehen. Und warum weinte sie denn? Weil er nicht aufstand und den Prokuristen nicht hereinlie?, weil er in Gefahr war, den Posten zu verlieren und weil dann der Chef die Eltern mit den alten Forderungen wieder verfolgen würde? Das waren doch vorl?ufig wohl unn?tige Sorgen. Noch war Gregor hier und dachte nicht im geringsten daran, seine Familie zu verlassen. Augenblicklich lag er wohl da auf dem Teppich, und niemand, der seinen Zustand gekannt h?tte, h?tte im Ernst von ihm verlangt, da? er den Prokuristen hereinlasse. Aber wegen dieser kleinen Unh?flichkeit, für die sich ja sp?ter leicht eine passende Ausrede finden würde, konnte Gregor doch nicht gut sofort weggeschickt werden. Und Gregor schien es, da? es viel vernünftiger w?re, ihn jetzt in Ruhe zu lassen, statt ihn mit Weinen und Zureden zu st?ren. Aber es war eben die Ungewi?heit, welche die anderen bedr?ngte und ihr Benehmen entschuldigte.
?Herr Samsa,? rief nun der Prokurist mit erhobener Stimme, ?was ist denn los? Sie verbarrikadieren sich da in Ihrem Zimmer, antworten blo? mit ja und nein, machen Ihren Eltern schwere, unn?tige Sorgen und vers?umen -- dies nur nebenbei erw?hnt -- Ihre gesch?ftlichen Pflichten in einer eigentlich unerh?rten Weise. Ich spreche hier im Namen Ihrer Eltern und Ihres Chefs und bitte Sie ganz ernsthaft um eine augenblickliche, deutliche Erkl?rung. Ich staune, ich staune. Ich glaubte Sie als einen ruhigen, vernünftigen Menschen zu kennen, und nun scheinen Sie pl?tzlich anfangen zu wollen, mit sonderbaren Launen zu paradieren. Der Chef deutete mir zwar heute früh eine m?gliche Erkl?rung für Ihre Vers?umnis an -- sie betraf das Ihnen seit kurzem anvertraute Inkasso --, aber ich legte wahrhaftig fast mein Ehrenwort dafür ein, da? diese Erkl?rung nicht zutreffen k?nne. Nun aber sehe ich hier Ihren unbegreiflichen Starrsinn und verliere ganz und gar jede Lust, mich auch nur im geringsten für Sie einzusetzen. Und Ihre Stellung ist durchaus nicht die festeste. Ich hatte ursprünglich
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