Die Verwandlung | Page 6

Franz Kafka
und horchten.
Gregor schob sich langsam mit dem Sessel zur Tür hin, lie? ihn dort los, warf sich gegen die Tür, hielt sich an ihr aufrecht -- die Ballen seiner Beinchen hatten ein wenig Klebstoff -- und ruhte sich dort einen Augenblick lang von der Anstrengung aus. Dann aber machte er sich daran, mit dem Mund den Schlüssel im Schlo? umzudrehen. Es schien leider, da? er keine eigentlichen Z?hne hatte, -- womit sollte er gleich den Schlüssel fassen? -- aber dafür waren die Kiefer freilich sehr stark, mit ihrer Hilfe brachte er auch wirklich den Schlüssel in Bewegung und achtete nicht darauf, da? er sich zweifellos irgendeinen Schaden zufügte, denn eine braune Flüssigkeit kam ihm aus dem Mund, flo? über den Schlüssel und tropfte auf den Boden. ?H?ren Sie nur,? sagte der Prokurist im Nebenzimmer, ?er dreht den Schlüssel um.? Das war für Gregor eine gro?e Aufmunterung; aber alle h?tten ihm zurufen sollen, auch der Vater und die Mutter: ?Frisch, Gregor,? h?tten sie rufen sollen, ?immer nur heran, fest an das Schlo? heran!? Und in der Vorstellung, da? alle seine Bemühungen mit Spannung verfolgten, verbi? er sich mit allem, was er an Kraft aufbringen konnte, besinnungslos in den Schlüssel. Je nach dem Fortschreiten der Drehung des Schlüssels umtanzte er das Schlo?, hielt sich jetzt nur noch mit dem Munde aufrecht, und je nach Bedarf hing er sich an den Schlüssel oder drückte ihn dann wieder nieder mit der ganzen Last seines K?rpers. Der hellere Klang des endlich zurückschnappenden Schlosses erweckte Gregor f?rmlich. Aufatmend sagte er sich: ?Ich habe also den Schlosser nicht gebraucht,? und legte den Kopf auf die Klinke, um die Türe g?nzlich zu ?ffnen.
Da er die Türe auf diese Weise ?ffnen mu?te, war sie eigentlich schon recht weit ge?ffnet, und er selbst noch nicht zu sehen. Er mu?te sich erst langsam um den einen Türflügel herumdrehen, und zwar sehr vorsichtig, wenn er nicht gerade vor dem Eintritt ins Zimmer plump auf den Rücken fallen wollte. Er war noch mit jener schwierigen Bewegung besch?ftigt und hatte nicht Zeit, auf anderes zu achten, da h?rte er schon den Prokuristen ein lautes ?Oh!? aussto?en -- es klang, wie wenn der Wind saust -- und nun sah er ihn auch, wie er, der der N?chste an der Türe war, die Hand gegen den offenen Mund drückte und langsam zurückwich, als vertreibe ihn eine unsichtbare, gleichm??ig fortwirkende Kraft. Die Mutter -- sie stand hier trotz der Anwesenheit des Prokuristen mit von der Nacht her noch aufgel?sten, hoch sich str?ubenden Haaren -- sah zuerst mit gefalteten H?nden den Vater an, ging dann zwei Schritte zu Gregor hin und fiel inmitten ihrer rings um sie herum sich ausbreitenden R?cke nieder, das Gesicht ganz unauffindbar zu ihrer Brust gesenkt. Der Vater ballte mit feindseligem Ausdruck die Faust, als wolle er Gregor in sein Zimmer zurücksto?en, sah sich dann unsicher im Wohnzimmer um, beschattete dann mit den H?nden die Augen und weinte, da? sich seine m?chtige Brust schüttelte.
Gregor trat nun gar nicht in das Zimmer, sondern lehnte sich von innen an den festgeriegelten Türflügel, so da? sein Leib nur zur H?lfte und darüber der seitlich geneigte Kopf zu sehen war, mit dem er zu den anderen hinüberlugte. Es war inzwischen viel heller geworden; klar stand auf der anderen Stra?enseite ein Ausschnitt des gegenüberliegenden, endlosen, grauschwarzen Hauses -- es war ein Krankenhaus -- mit seinen hart die Front durchbrechenden regelm??igen Fenstern; der Regen fiel noch nieder, aber nur mit gro?en, einzeln sichtbaren und f?rmlich auch einzelnweise auf die Erde hinuntergeworfenen Tropfen. Das Frühstücksgeschirr stand in überreicher Zahl auf dem Tisch, denn für den Vater war das Frühstück die wichtigste Mahlzeit des Tages, die er bei der Lektüre verschiedener Zeitungen stundenlang hinzog. Gerade an der gegenüberliegenden Wand hing eine Photographie Gregors aus seiner Milit?rzeit, die ihn als Leutnant darstellte, wie er, die Hand am Degen, sorglos l?chelnd, Respekt für seine Haltung und Uniform verlangte. Die Tür zum Vorzimmer war ge?ffnet, und man sah, da auch die Wohnungstür offen war, auf den Vorplatz der Wohnung hinaus und auf den Beginn der abw?rts führenden Treppe.
?Nun,? sagte Gregor und war sich dessen wohl bewu?t, da? er der einzige war, der die Ruhe bewahrt hatte, ?ich werde mich gleich anziehen, die Kollektion zusammenpacken und wegfahren. Wollt ihr, wollt ihr mich wegfahren lassen? Nun, Herr Prokurist, Sie sehen, ich bin nicht starrk?pfig und ich arbeite gern; das Reisen ist beschwerlich, aber ich k?nnte ohne das Reisen nicht leben. Wohin gehen Sie denn, Herr Prokurist? Ins Gesch?ft? Ja? Werden Sie alles wahrheitsgetreu berichten? Man kann im Augenblick unf?hig sein zu arbeiten, aber dann ist gerade der richtige Zeitpunkt, sich an die früheren Leistungen zu erinnern und zu bedenken, da? man sp?ter, nach Beseitigung des Hindernisses, gewi? desto flei?iger und gesammelter arbeiten wird. Ich bin ja dem Herrn Chef so sehr verpflichtet, das wissen Sie doch recht
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