Die Verschwoerung des Fiesco zu Genua | Page 8

Friedrich von Schiller
am Sopha nieder.)
Verrina (nach einer langen schreckhaften Pause mit dumpfer Stimme). Noch ein Athemzug, Tochter--den letzten! (Mit hohlem gebrochnem Ton.) Wer?
Bertha. Weh mir, nicht diesen todtenfarben Zorn! Helfe mir Gott! er stammelt und zittert.
Verrina. Ich wü?te doch nicht--meine Tochter! Wer?
Bertha. Ruhig! ruhig! mein bester, mein theurer Vater.
Verrina. Um Gotteswillen--Wer? (will vor ihr niederfallen.)
Bertha. Eine Maske.
Verrina (tritt zurück, nach einem stürmischen Nachdenken). Nein! das kann nicht sein! Den Gedanken sendet mir Gott nicht. (Lacht gra? auf.) Alter Geck! als wenn alles Gift nur aus einer und eben der Kr?te spritzte? (Zu Bertha gefa?ter.) Die Person, wie die meinige, oder kleiner?
Bertha. Gr??er.
Verrina (rasch). Die Haare schwarz? kraus?
Bertha. Kohlschwarz und kraus.
Verrina (taumelt von ihr hinweg). Gott! mein Kopf! mein Kopf--die Stimme?
Bertha. Rauh, eine Ba?stimme.
Verrina (heftig). Von welcher Farbe? Nein! ich will nicht mehr h?ren!--der Mantel--von welcher Farbe?
Bertha. Der Mantel grün, wie mich d?uchte.
Verrina (h?lt beide H?nde vors Gesicht und wankt in den Sopha). Sei ruhig. Es ist nur ein Schwindel, meine Tochter. (L??t die H?nde sinken; ein Todtengesicht.)
Bertha (die H?nde ringend). Barmherziger Himmel! das ist mein Vater nicht mehr.
Verrina (nach einer Pause mit bitterm Gel?chter). Recht so! recht so! Memme Verrina!--da? der Bube in das Heiligthum der Gesetze griff--diese Aufforderung war dir zu matt--der Bube mu?te noch ins Heiligthum deines Bluts greifen--(Springt auf.) Geschwind! rufe den Nicolo--Blei und Pulver--oder halt! halt! ich besinne mich eben anders--besser--Hole mein Schwert herbei, bet' ein Vaterunser. (Die Hand vor die Stirne.) Was will ich aber?
Bertha. Mir ist sehr bange, mein Vater.
Verrina. Komm, setzt dich zu mir. (Bedeutend.) Bertha, erz?hle mir--Bertha, was that jener eisgraue R?mer, als man seine Tochter auch so--wie nenn ich's nun--auch so artig fand, seine Tochter? H?re Bertha, was sagte Virginius zu seiner verstümmelten Tochter?
Bertha (mit Schaudern). Ich wei? nicht, was er sagte.
Verrina. N?rrisches Ding--Nichts sagte er. (Pl?tzlich auf, fa?t ein Schwert.) Nach einem Schlachtmesser griff er-Bertha (stürzt ihm erschrocken in die Arme). Gro?er Gott! was wollen Sie thun?
Verrina (wirft das Schwert ins Zimmer). Nein! noch ist Gerechtigkeit in Genua!

Eilfter Auftritt
Sacco. Calcagno. Vorige.
Calcagno. Verrina, geschwind! Mache dich fertig. Heute hebt die Wahlwoche der Republik an. Wir wollen früh in die Signoria, die neuen Senatoren w?hlen. Die Gassen wimmeln von Volk. Der ganze Adel str?mt nach dem Rathhaus. Du begleitest uns doch, (sp?ttisch) den Triumph unsrer Freiheit zu sehen.
Sacco. Ein Schwert liegt im Saal. Verrina schaut wild. Bertha hat rothe Augen.
Calcagno. Bei Gott! das nehm' ich nun auch gewahr--Sacco, hier ist ein Unglück geschehen.
Verrina (stellt zwei Sessel hin). Setzt euch.
Sacco. Freund, du erschreckst uns.
Calcagno. So sah ich dich nie, Freund. H?tte nicht Bertha geweint, ich würde fragen: geht Genua unter?
Verrina (fürchterlich). Unter! Sitzt nieder!
Calcagno (erschrocken, indem sich Beide setzen). Mann! Ich beschw?re dich!
Verrina. H?ret!
Calcagno. Was ahnet mir, Sacco?
Verrina. Genueser--ihr Beide kennt das Alterthum meines Namens. Eure Ahnen haben den meinigen die Schleppe getragen. Meine V?ter fochten die Schlachten des Staats. Meine Mütter waren Muster der Genueserinnen. Ehre war unser einziges Capital und erbte vom Vater zum Sohn--oder wer wei? es anders?
Sacco. Niemand.
Calcagno. So wahr Gott lebt, Niemand.
Verrina. Ich bin der letzte meines Geschlechts. Mein Weib liegt begraben. Diese Tochter ist ihr einziges Verm?chtni?. Genueser, ihr seid Zeugen, wie ich sie erzog. Wird Jemand auftreten und Klage führen, da? ich meine Bertha verwahrloste?
Calcagno. Deine Tochter ist ein Muster im Lande.
Verrina. Freunde! ich bin ein alter Mann. Verliere ich diese, darf ich keine mehr hoffen. Mein Ged?chtni? l?scht aus. (Mit einer schrecklichen Wendung.) Ich habe sie verloren. Infam ist mein Stamm.
Beide. (in Bewegung). Das wolle Gott verhüten! (Bertha w?lzt sich jammernd im Sopha.)
Verrina. Nein! Verzweifle nicht, Tochter. Diese M?nner sind tapfer und gut. Beweinen dich diese, wird's irgendwo bluten.--Seht nicht so betroffen aus, M?nner. (Langsam, mit Gewicht.) Wer Genua unterjocht, kann doch wohl ein M?dchen bezwingen?
Beide (fahren auf, werfen die Sessel zurück). Gianettino Doria!
Bertha (mit einem Schrei). Stürzt über mich, Mauern! mein Scipio!

Zw?lfter Auftritt
Bourgognino. Vorige.
Bourgognino (erhitzt). Springe hoch, M?dchen! Eine Freudenpost! --Edler Verrina, ich komme, meinen Himmel auf Ihre Zunge zu setzen. Schon l?ngst liebte ich Ihre Tochter, und nie durft' ich es wagen, um ihre Hand zu bitten, weil mein ganzes Verm?gen auf falschen Brettern von Coromandel schwamm. Eben jetzt fliegt meine Fortuna wohlbehalten in die Rhede und führt, wie sie sagen, unerme?liche Sch?tze mit. Ich bin ein reicher Mann. Schenken Sie mir Bertha, ich mache sie glücklich. (Bertha verhüllt sich, gro?e Pause.)
Verrina (bed?chtlich zu Bourgognino). Haben Sie Lust, junger Mensch, Ihr Herz in eine Pfütze zu werfen?
Bourgognino (greift nach dem Schwert, zieht aber pl?tzlich die Hand zurück). Das sprach der Vater-Verrina. Das spricht jeder Schurk' in Italien. Nehmen Sie mit dem Abtrag von anderer Leute Gastung vorlieb?
Bourgognino. Mach mich nicht wahnwitzig, Graukopf!
Calcagno. Bourgognino, wahr spricht der Graukopf.
Bourgognino (auffahrend, gegen Bertha stürzend). Wahr spricht er? Mich h?tte eine Dirne genarrt?
Calcagno. Bourgognino, nicht da hinaus. Das M?dchen ist engelrein.
Bourgognino (steht erstaunt still). Nun! so wahr ich selig werden will. Rein und entehrt. Ich habe keinen Sinn für
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