Die Verschwoerung des Fiesco zu Genua | Page 7

Friedrich von Schiller
Ehre ist der andern werth. Wenn Jemand auf dieser Halbinsel eine Gurgel für Euch überz?hlig hat, befehlt! und ich schneide sie ab, unentgeldlich.
Fiesco. Eine h?fliche Bestie! Sie will sich mit fremder Leute Gurgeln bedanken.
Mohr. Wir lassen uns nichts schenken, Herr! Unser eins hat auch Ehre im Leibe.
Fiesco. Die Ehre der Gurgelschneider?
Mohr. Ist wohl feuerfester als Eurer ehrlichen Leute: sie brechen ihre Schwüre dem lieben Herrgott; wir halten sie pünktlich dem Teufel.
Fiesco. Du bist ein drolligter Jauner.
Mohr. Freut mich, da? Ihr Geschmack an mir findet. Setzt mich erst auf die Probe, Ihr werdet einen Mann kennen lernen, der sein Exercitium aus dem Stegreif macht. Fordert mich auf. Ich kann Euch von jeder Spitzbubenzunft ein Testimonium aufweisen, von der untersten bis zur h?chsten.
Fiesco. Was ich nicht h?re! (Indem er sich niedersetzt.) Also auch Schelmen erkennen Gesetzt und Rangordnung? La? mich doch von der untersten h?ren.
Mohr. Pfui, gn?diger Herr! das ist das ver?chtliche Heer der langen Finger. Ein elend Gewerb, das keinen gro?en Mann ausbrütet, arbeitet nur auf Karbatsche und Raspelhaus und führt--h?chstens zum Galgen.
Fiesco. Ein reizendes Ziel. Ich bin auf die be?re begierig.
Mohr. Das sind die Spionen und Maschinen. Bedeutende Herren, denen die Gro?en ein Ohr leihen, wo sie ihre Allwissenheit holen; die sich wie Blutigel in Seelen einbei?en, das Gift aus dem Herzen schlürfen und an die Beh?rde speien.
Fiesco. Ich kenne das--fort!
Mohr. Der Rang trifft nunmehr die Meuter, Giftmischer und Alle, die ihren Mann lang hinhalten und aus dem Hinterhalt fassen. Feige Memmen sind's oft, aber doch Kerls, die dem Teufel das Schulgeld mit ihrer armen Seele bezahlen. Hier thut die Gerechtigkeit schon etwas übriges, strickt ihre Kn?chel aufs Rad und pflanzt ihre Schlauk?pfe auf Spie?e. Das ist die dritte Zunft.
Fiesco. Aber, sprich doch, wann wird die deinige kommen?
Mohr. Blitz, gn?diger Herr! das ist eben der Pfiff. Ich bin durch diese alle gewandert. Mein Genie geilte frühzeitig über jedes Gehege. Gestern Abend macht' ich mein Meisterstück in der dritten, vor einer Stunde war ich--ein Stümper in der vierten.
Fiesco. Diese w?re also?
Mohr (lebhaft). Das sind M?nner, (in Hitze) die ihren Mann zwischen vier Mauern aufsuchen, durch die Gefahr eine Bahn sich hauen, ihm gerade zu Leib gehen, mit dem ersten Gru? ihm den Gro?dank für den zweiten ersparen. Unter uns! man nennt sie nur die Extrapost der H?lle. Wenn Mephistopheles einen Gelust bekommt, braucht's nur einen Wink, und er hat den Braten noch warm.
Fiesco. Du bist ein hartgesottener Sünder. Einen solchen vermi?te ich l?ngst. Gib mir deine Hand. Ich will dich bei mir behalten.
Mohr. Ernst oder Spa??
Fiesco. Mein v?lliger Ernst, und gebe dir tausend Zechinen des Jahrs.
Mohr. Topp, Lavagna! Ich bin Euer, und zum Henker fahre das Privatleben. Braucht mich, wozu Ihr wollt. Zu Eurem Spürhund, zu Eurem Parforce-Hund, zu Eurem Fuchs, zu Eurer Schlange, zu Eurem Kuppler und Henkersknecht. Herr, zu allen Commissionen, nur bei Leibe! zu keiner ehrlichen--dabei benehm' ich mich plump wie Holz.
Fiesco. Sei unbesorgt! Wem ich ein Lamm schenken will, lass' ich's durch keinen Wolf überliefern. Geh also gleich morgen durch Genua und suche die Witterung des Staats. Lege dich wohl auf Kundschaft, wie man von der Regierung denkt und vom Haus Doria flüstert, sondiere daneben, was meine Mitbürger von meinem Schlaraffenleben und meinem Liebesroman halten. überschwemme ihre Gehirne mit Wein, bis ihre Herzensmeinungen überlaufen. Hier hast du Geld. Spende davon unter den Seidenh?ndlern aus.
Mohr (sieht ihn nachdenklich an). Herr-Fiesco. Angst darf dir nicht werden. Es ist nichts Ehrliches--Geh! rufe deine ganze Bande zu Hilfe. Morgen will ich deine Zeitungen h?ren. (Er geht ab.)
Mohr (ihm nach). Verla?t Euch auf mich. Jetzt ist's früh vier Uhr. Morgen um Acht habt Ihr so viel Neues erfahren, als in zweimal siebenzig Ohren geht. (Ab.)

Zehnter Auftritt
Zimmer bei Verrina.
Bertha rücklings in einem Sopha, den Kopf in die Hand geworfen. Verrina düster hereintretend.
Bertha (erschrickt, springt auf). Himmel! da ist er!
Verrina (steht still, besieht sie befremdet). An ihrem Vater erschrickt meine Tochter?
Bertha. Fliehen Sie! Lassen Sie mich fliehen! Sie sind schrecklich, mein Vater.
Verrina. Meinem einzigen Kinde?
Bertha (mit einem schweren Blick auf ihn). Nein! Sie müssen noch eine Tochter haben.
Verrina. Drückt dich meine Z?rtlichkeit zu schwer?
Bertha. Zu Boden, Vater.
Verrina. Wie? welcher Empfang, meine Tochter? Sonst, wenn ich nach Hause kam, Berge auf meinem Herzen, hüpfte mir meine Bertha entgegen, und meine Bertha lachte sie weg. Komm, umarme mich, Tochter. An dieser glühenden Brust soll mein Herz wieder erwarmen, das am Todtenbett des Vaterlands einfriert. O mein Kind! Ich habe heute Abrechnung gehalten mit allen Freuden der Natur, und (?u?erst schwer) nur du bist mir geblieben.
Bertha (mi?t ihn mit einem langen Blick). Unglücklicher Vater!
Verrina (umarmt sie beklemmt). Bertha! mein einziges Kind! Bertha! meine letzte übrige Hoffnung!--Genuas Freiheit ist dahin--Fiesco hin--(indem er sie heftiger drückt, durch die Z?hne) Werde du eine Hure-Bertha (rei?t sich aus seinen Armen). Heiliger Gott! Sie wissen?-Verrina (steht bebend still). Was?
Bertha. Meine jungfr?uliche Ehre-Verrina (wüthend). Was?
Bertha. Diese Nacht-Verrina (wie ein Rasender). Was?
Bertha. Gewalt! (Sinkt
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