Die Soldaten | Page 5

Jacob Michael Reinhold Lenz
Gesicht ab).
Marie. Wenn Er gesehen hätte, was ich gesehen habe, Er würde
wahrhaftig nicht böse sein, Papa. (Setzt sich ihm auf den Schoß.)
Lieber Papa, was das für Dings alles durcheinander ist, ich werde die
Nacht nicht schlafen können für lauter Vergnügen. Der gute Herr
Baron!
Wesener. Was, der Baron hat dich in die Komödie geführt?
Marie (etwas furchtsam). Ja, Papa--lieber Papa!
Wesener (stößt sie von seinem Schoß). Fort von mir, du Luder, --willst
die Mätresse vom Baron werden?
Marie (mit dem Gesicht halb abgekehrt, halb weinend). Ich war bei der
Weyhern--und da stunden wir an der Tür--(stotternd) und da red't' er
uns an.
Wesener. Ja, lüg nur, lüg nur dem Teufel ein Ohr ab--geh mir aus den
Augen, du gottlose Seele.
Charlotte. Das hätt' ich dem Papa wollen voraussagen, daß es so gehen
würde. Sie haben immer Heimlichkeiten miteinander gehabt, sie und
der Baron.
Marie (weinend). Willst du das Maul halten.

Charlotte. Denk doch, vor dir gewiß nicht; will noch kommandieren
dazu, und führt sich so auf.
Marie. Nimm dich nur selber in acht mit deinem jungen Herrn
Heidevogel. Wenn ich mich so schlecht aufführte, als du.
Wesener. Wollt ihr schweigen? (Zu Mariel.) Fort in deine Kammer, den
Augenblick, du sollst heut nicht zu Nacht essen--schlechte Seele!
(Marie geht fort.) Und schweig du auch nur, du wirst auch nicht
engelrein sein. Meinst du, kein Mensch sieht's, warum der Herr
Heidevogel so oft ins Haus kommt?
Charlotte. Das ist alles das Mariel schuld. (Weint.) Die gottsvergeßne
Alleweltshure will honette Mädels in Blame bringen, weil sie so denkt.
Wesener (sehr laut). Halt's Maul! Marie hat ein viel zu edles Gemüt, als
daß sie von dir reden sollte, aber du schalusierst auf deine eigene
Schwester; weil du nicht so schön bist als sie, sollt'st du zum wenigsten
besser denken. Schäm dich--(Zur Magd.) Nehmt ab, ich esse nichts
mehr.
(Schiebt Teller und Serviette fort, wirft sich in einen Lehnstuhl, und
bleibt in tiefen Gedanken sitzen.)

Sechste Szene
Mariens Zimmer. Sie sitzt auf ihrem Bette, hat die Zitternadel in der
Hand, und spiegelt damit, in den tiefsten Träumereien. Der Vater tritt
herein, sie fährt auf und sucht die Zitternadel zu verbergen.
Marie. Ach Herr Jesus--Wesener. Na, so mach Sie doch das Kind nicht.
(Geht einigemal auf und ab, dann setzt er sich zu ihr.) Hör, Mariel! du
weißt, ich bin dir gut, sei du nur recht aufrichtig gegen mich, es wird
dein Schade nicht sein. Sag mir, hat dir der Baron was von der Liebe
vorgesagt?
Marie (sehr geheimnisvoll). Papa!--er ist verliebt in mich, das ist wahr.
Sieht Er einmal, diese Zitternadel hat er mir auch geschickt.
Wesener. Was tausend Hagelwetter--Potz Mord noch einmal, (nimmt
ihr die Zitternadel weg) hab ich dir nicht verboten-Marie. Aber, Papa,
ich kann doch so grob nicht sein, und es ihm abschlagen. Ich sag Ihm,
er hat getan, wie wütend, als ich's nicht annehmen wollte, (läuft nach
dem Schrank) hier sind auch Verse, die er auf mich gemacht hat.
(Reicht ihm ein Papier.)
Wesener (liest laut). Du höchster Gegenstand von meinen reinen

Trieben. Ich bet dich an, ich will dich ewig lieben. Weil die
Versicherung von meiner Lieb und Treu, Du allerschönstes Licht, mit
jedem Morgen neu. Du allerschönstes Licht, ha, ha, ha.
Marie. Wart Er, ich will Ihm noch was weisen, er hat mir auch ein
Herzchen geschenkt mit kleinen Steinen besetzt in einem Ring.
(Wieder zum Schrank. Der Vater besieht es gleichgültig.)
Wesener (liest noch einmal). Du höchster Gegenstand von meinen
reinen Trieben. (Steckt die Verse in die Tasche.) Er denkt doch honett,
seh ich. Hör aber, Mariel, was ich dir sage, du mußt kein Präsent mehr
von ihm annehmen. Das gefällt mir nicht, daß er dir so viele Präsente
macht.
Marie. Das ist sein gutes Herz, Papa.
Wesener. Und die Zitternadel gib mir her, die will ich ihm zurückgeben.
Laß mich nur machen, ich weiß schon, was zu deinem Glück dient, ich
hab länger in der Welt gelebt, als du, mein' Tochter, und du kannst nur
immer allesfort mit ihm in die Komödie gehn, nur nimm jedesmal die
Madam Weyher mit, und laß dir nur immer nichts davon merken, als ob
ich davon wüßte, sondern sag nur, daß er's recht geheimhält, und daß
ich sehr böse werden würde, wenn ich's erführe. Nur keine Präsente
von ihm angenommen, Mädel, um Gottes willen!
Marie. Ich weiß wohl, daß der Papa mir nicht übel raten wird. (Küßt
ihm die Hand.) Er soll sehn, daß ich Seinem Rat in allen Stücken
folgen werde. Und ich werde Ihm alles wiedererzählen, darauf kann Er
sich verlassen.
Wesener. Na, so denn. (Küßt sie.) Kannst noch einmal gnädige Frau
werden, närrisches Kind. Man kann nicht wissen, was einem manchmal
für ein Glück aufgehoben ist.
Marie. Aber, Papa, (etwas leise) was wird der arme Stolzius sagen?
Wesener. Du mußt darum den Stolzius nicht so gleich
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