Wispern zu
horchen, in dem sich Herren und Diener gefielen, wenn er vorüberging.
Das Gerede war nicht mehr zu dämmen. Ein Hoffräulein hatte das
Geheimnis dem Granvella anvertraut, der hinterbrachte es dem König
nach Madrid. Der König war außer sich und schickte seinen Kanzler zu
Philipp, die Königin ihre erste Dame zu Johanna. Scheidung und
Kerker wurden der Infantin in Aussicht gestellt; wo heilige Satzungen
verletzt würden, dürfe der König das eigene Geschlecht nicht schonen.
Im August mußte Don Philipp nach Italien ziehen, und der König
befahl der Infantin, sich nach Medina del Campo zu begeben. Sie
wurde dort gleich einer Gefangenen gehalten, ein fanatischer
Dominikaner, durch ihre Ruhe getäuscht, glaubte mit wilden Predigten
ihr Gewissen schrecken zu sollen und krächzte ihr wie ein böser Rabe
dreimal täglich das Register der höllischen Strafen vor.
Nach seiner Heimkehr ließ Philipp die Infantin zu sich kommen und
versprach ihr aus freien Stücken, sie vor allen Verfolgungen zu
schützen. Einige meinten, Furcht vor ihren Zauberkünsten hätte ihn
dazu bewogen. Andere sagten, ihre Schönheit habe plötzlich seine
Begierde erregt, und aus List habe er sie bestimmt, sich vorerst zum
Schein zu fügen.
Indes brachten giftige Zungen sein Blut in Aufruhr, und ihn wurmte der
düstere Spott in allen Gesichtern. Dem versteckten Spaniertum war
seine aufrichtige Jugend nicht gewachsen. Wie eitel ihre Blicke, wie
verräterisch ihr Händedruck, und der Ton ihrer Rede so süß, daß man
Honig auf der Zunge zu spüren glaubte. Eingesponnen von
wirbelnd-schwüler Luft, des öftern schlaflos liegend, von Gier und
Groll gewürgt, ließ sich Philipp von seinem ungelenkten Trieb zu einer
Handlung niederträchtiger Art hinreißen.
Er verabredete sich mit den beiden Kämmerlingen, Herrn von Fyennes
und Herrn Florys von Ysselstein. An einem Abend drangen sie zu
später Stunde durch einen geheimen Gang und, indem sie eine
verschlossene Tür erbrachen, in das Schlafgemach Johannas. Mit dem
gezückten Schwert stellte sich der Herzog vor das Bett und forderte die
Infantin auf, sein rechtmäßig leibliches Weib zu werden; sträube sie
sich aber, so müsse sie den Tod erleiden.
Die schöngeflächten Wangen von fahlem Glanz übergossen, richtete
sich die Infantin auf und bedeutete den beiden Edelleuten, das Zimmer
zu verlassen. Diese dachten nicht anders, als ihrem Herrn geschehe der
Willen, und gehorchten. Darauf entkleidete sich Johanna, band ein
schwarzes Tuch über die Augen und sagte: »So könnt ihr mich nehmen,
sehend nicht, so könnt ihr euren Wunsch befriedigen und zugleich eure
Drohung wahr machen. Gott sei mir gnädig.«
Philipp, eben noch toll und heiß, stand eine Weile nachdenklich. Dann
fing er an zu zittern und zitternd, mit scheu gesenkten Blicken, verließ
er den Raum. Von Stund an war er verwandelt. Im Palast verbreitete
sich Sorge und Befremden. Nur für Johanna begann sich sein Körper
langsam aus dem Chaos der Ungestalten zu lösen.
* * * * *
Anfangs lag er noch der Jagd und dem Ballspiel ob, erschien auch noch
regelmäßig bei der Tafel. Dann schloß er sich ab. Seine Hautfarbe ward
grau, sein Auge trüb und krank, sein Gang gebückt. Don Diego Gotor,
der Leibarzt, sagte, daß ein Fieber in seinen Knochen wühle. Es schien,
als wäre er nicht mehr imstande, ein vernünftiges Gespräch zu führen;
jede Aufmunterung nahm er ohne Anteil hin.
Er gab die notwendigen Befehle schriftlich und sprach nur mit Donna
Gregoria, Johannas einziger Vertrauten, die täglich zu ihm kam.
Es ist Zauberei, sagten die Hofleute. Wenn Diego Gotor aus dem
Zimmer des Herzogs trat, umringten sie ihn neugierig. Das
Greisengesicht Don Diegos, das durch ein dauerndes Wechselspiel von
tausend Falten und Fältchen Ähnlichkeit mit einem stürmischen
Wolkenhimmel hatte, war traurig und ratlos. In einem Leben von
siebzig Jahren hatte Diego Gotor das Gemüt der Menschen mit
derselben Begierde erforscht, mit welcher der unscheinbare Wurm das
Innere der Erde durchhöhlt.
Er sagte: »Im Morgenland erfuhr ich, daß Jünglinge, denen der
Gegenstand ihrer Liebe sich entzog, in ein Leiden verfielen gleich dem
unseres Herzogs. Ein solcher Mensch lag wie im Starrkrampf da,
schwebte zwischen Schlaf und Tod, und sein Geist hatte nicht mehr die
Kraft, den Körper zu regieren. Konnte sein Begehren nicht gestillt
werden, so siechte er allmählich hin und mußte sterben oder es
brauchte viele Jahre und dauernde Entfernung von der geliebten Person,
bis er wieder unter Menschen wandeln konnte, der Freude freilich
beraubt. So geschieht es wie gesagt im Morgenland, wo das Blut von
dicker und schwarzer Beschaffenheit ist. Doch versicherte mich ein
gelehrter Mann, daß, wie der Blitz nur in die höchsten Bäume schlägt,
bloß Auserwählte von solchem Unheil betroffen werden können, und
daß gemeine Fleischeslust damit nicht mehr verwandt ist als das
Küchenfeuer mit dem Blitz.«
Die Ritter fluchten der Infantin. Wie kann Johanna einem Jammer ruhig
zusehen, dessen Ursache sie selber ist, ließen sie sich vernehmen; wie
erträgt sie es vor ihrem Gewissen, den herrlichen Mann so sich
verzehren zu lassen, als wäre sie stumm, taub, blind und
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