sie webte hin in geheimnisvoller
Glut.
Johannas Unschuld hatte sich bewahrt beim Anblick der tückischen
Leidenschaften, die ihr Vaterland mit Blut düngten. Sie hatte sich im
Frost der Lieblosigkeit wie ein winterliches Kleid um das Herz
geschmiegt. Johanna hatte vieles gesehen, was den Schlummer ihrer
Jugend zerrissen hatte, und es war Zwang von außen, der ihr das
Schicksal an den Lauf der Sterne zu knüpfen befahl. Auch war es eine
Zeit, vor der der Nachdenkliche in Bangnis geraten konnte: der Ozean
gebar neue Länder, Ost und West gaben unerhörte Mysterien preis, das
Wort Christi starb hin, als wäre es nie gewesen, über das Firmament
schauerte wie ein Fieber der Gedanke der Unendlichkeit.
Sie träumte von einem Antlitz, das im Schmerz die Züge großer Liebe
annahm wie der glühende Stahl sich unter dem Hammer biegt; von
einem Auge, nicht getrübt, sondern verklärt durch das Verlangen; von
einer Gebärde, vertrauenswürdiger als Eide; von einem Laut aus dem
innersten Innern des Herzens; von einer Gewalt, die sie ergriff und trug,
Niedriges zerstampfte, Häßliches unsichtbar machte. Ihre Sinne waren
geschärft für Blick, Gebärde, Laut; für den Schmerz, den die
Gelegenheit erzeugt, und für den, der das Dasein verdunkelt; für die aus
Qual und Lust geborenen Versprechungen, welche die Züge der
Redlichkeit heucheln, und für diejenigen, die von Gott selbst geheiligt
werden und wie ewige Säulen den Bau der Seele tragen.
Oft war ihr, als risse sie eine ungeheure Faust vom Boden empor und
hielte sie so zwischen Himmel und Erde, daß sie nicht fallen konnte,
jedoch fortwährend zu fallen fürchten mußte. Sie schien hoch über
allen zu schweben und verging vor Angst, tief unter alle hinab zu fallen.
Es kam vor, daß sie nächtelang auf den Knieen lag und für Philipp
betete; aber nicht wie das Weib für den Gatten betet; Philipp stand
schattenblaß vor ihrem innern Auge, fast wie ein Gespenst, noch ohne
feste Gestalt, wie etwas aus weiten Fernen, was auf einer schwanken
Brücke ging oder auf lautlosem Wasser glitt. Sie wünschte, daß Philipp
kommen, daß er werden, daß er leben möge.
Sie hatte soviel Finsternis in sich, daß ihr die Nacht bisweilen wie ein
leuchtender Nebel erschien. Dann schoben sich alle Dinge auf
einfachste Linien zusammen, alles wurde Gesicht, Steine atmeten, tote
Räume redeten. Wie unfaßlich und überwältigend war es dann, auf
dieses Wesen zu warten, das da wurde, aus dem Wirrsal der Kreaturen
emporstieg, zugleich kristall- und pflanzenhaft. Sie selbst spürte sich
wie eine Blume, ihr Menschenleib löste sich ab, und sie schaute in ihr
eigenes Antlitz, das welk und schlafend schien.
* * * * *
Es liegt den geringen Naturen nahe, daß sie, an das Los einer größeren
gekettet, nicht an Schicksalsvollzug glauben wollen, sondern die Flucht
ergreifen und zu den niedrigen Neigungen eilen, die ihnen die
Herrschaft in ihrem Eigenkreise sichern.
So auch Philipp. Den Spott seiner Leute fürchtend, bemühte er sich, der
Alte zu sein, sich selbst zu überbieten, und gab acht, daß die Sache, die
insgeheim seine Ehre benagte, nicht durch die Mäuler geschleift werde.
Wurde nach und nach seine Hoffnung geringer, die Infantin zur
Vernunft zu bringen, so verbarg er doch so gut als möglich die
wachsende Ungeduld. Er dachte an Gewalt; dies hatte gute Weile, es
brachte zuviel Lärm mit sich, außerdem durfte er die Meinung des
Volkes nicht mißachten, dem er noch ein Fremdling war.
Zuviel Kopfzerbrechen. Diesem Jüngling war es nicht gegeben, am
Menschen Schwierigkeiten zu entdecken. Er suchte Zerstreuungen und
trieb es unverhohlen mit der hübschen Anna Sterel, der Gattin eines
schwäbischen Edelmannes. Seine Phantasie malte ihm das Bild einer
eifersüchtigen Infantin, die sich so, schlau erdacht, in den eignen
Stricken fing. Nächtlicherweise ging er mit dem Freund, dem
Pfalzgrafen Friedrich, auf Abenteuer. Sie verkleideten sich und trieben
allerhand Unfug.
Der Pfalzgraf war ein Held, eine Leuchte des Rittertums, deutscher
Herr, aber ganz nach dem neuen spanischen Schnitt, voller Galanterien,
voller Schulden. Er war auch musikalisch und schlug den Herrn von
Moncada, der behauptet hatte, die Musik mache weibisch, beim Turnier
so darnieder, daß er taub wurde. Als Reiter hatte er nicht seines
gleichen; es war sprichwörtlich zu sagen: er reitet wie der Pfalzgraf.
Dieser Bramarbas brach in ein höllisches Gelächter aus, als ihm Herr
Hughes von Melun, der die Kunde von Frau von Molembais besaß,
vorsichtig zuflüsterte, wie es um Philipp und Johanna stand. Er rasselte
von Kopf bis zu den Füßen, er rasselte mit Kette, Schwert und Augen,
als er erwiderte: »Gemach, gemach! der Herzog wird wohl wissen, wie
man ein störrisches Frauenzimmer traktiert. Es ist nicht lange her, daß
der muntere Philipp zu jedem Nachtessen ein warmes Weiberherz
verspeist hat.«
Nun mußte der Pfalzgraf im Frühjahre nach Deutschland zurückkehren.
Philipp war traurig wie einer, der beim Wein sitzt und dem plötzlich
der Wind Becher und Flasche davonträgt. Er verlor die Sicherheit und
begann mißtrauisch und mit verhaltener Wut auf das
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