Pfahl. Durch die
Heftigkeit der Flammen sprang das Kind aus der Mutter Leibe, doch
nach einer kurzen Beratung der Priester schleuderte man es als eine
Ketzerbrut wieder ins Feuer. Niemals vergaß Johanna den
tierisch-jammervollen Schrei der Mutter. Ihr in eine weite Ferne,
gleichsam auf ein fernes Licht gerichteter Blick suchte nach einem Pfad
zu diesem Licht; die Erwartung besiegte die Erfahrung.
Kaum hatte sie das siebzehnte Lebensjahr vollendet, als sich von vielen
Ländern und Thronen her Bewerber um ihre Hand meldeten, denn diese
Hand verfügte über die Reiche Castilien und Arragon, welche ihr
elterliches Erbe bildeten. Was den König betrifft, so hatte er nur einen
ins Auge gefaßt: Philipp von Österreich, des römischen Kaisers Sohn.
Aber der Kaiser war anfangs nicht zum höchsten von dem Plan erbaut,
seinen einzigen Sohn der Spanierin zu vermählen.
Es war eine Hatz von Intriguen und wurde in der Sache endlos viel
Papier verschrieben und Boten reisten hin und her zwischen dem
Connetable und dem Hofmarschall. Viele Stimmen erhoben sich
dawider, der Prinz selber verhielt sich schwankend, da hatte einer unter
den Spaniern den Einfall, die Schönheit der Infantin durch eine
poetische Floskel zu beleuchten und er schrieb über sie an den Hof zu
Wien: Johannas Haut sei so fein, daß man den roten Wein, den sie
trinke, ihr durch den Hals gleiten sehen könne. Die Metapher wurde
von den einen belächelt, von den andern für bare Münze genommen,
doch wurde Philipp neugierig nach einem solchen Weibe.
Endlich waren die Verträge feierlich besiegelt und beschworen, und mit
einem großen Gefolge von edlen Herren, worunter sich auch sein
Spezial, der Pfalzgraf Friedrich befand, zog der achtzehnjährige Philipp
über Savoyen und Südfrankreich nach dem ehrwürdigen Burgos, wo er
zu Beginn des Herbstes ankam. Er trug beim Einzug ein weißes Kleid
von offner weißer Seide und ritt auf einem weißen Pferd. In der engen
Straße beim Tor stolperte das Pferd und fiel auf die Kniee; darin sahen
viele ein Ereignis von übler Vorbedeutung.
Beim ersten Anblick ihres zukünftigen Gemahls blieb Johanna, alles
Zeremoniell vergessend, bleich und kühl wie ein steinernes Bild
inmitten ihrer Frauen stehen. Sie rührte sich nicht, bis Madame de la
Marche sich ihr näherte und mit einer dringlich zugeflüsterten
Mahnung der erschreckenden Starrheit ein Ende machte. Gegen den
befremdeten Prinzen wurde die Ausrede erfunden, die Infantin habe
den Tag über in einem finstern Gemach in Gebetsandacht verweilt und
sei durch den reichen Kerzen- und Fackelschein geblendet gewesen;
außerdem habe die Schönheit Don Philipps sie gewiß der Sprache und
des Ausdrucks schuldiger Höflichkeit beraubt.
Philipp, nicht gewohnt in den Mienen anderer Menschen zu lesen, legte
dem Vorfall keine Wichtigkeit bei, auch nahmen die Vergnügungen
einer ununterbrochenen Geselligkeit seine Gedanken völlig ein. Am
Tag vor der Hochzeit ward er unter einem köstlichen Baldachin durch
sieben Triumphbögen in die Kathedrale geleitet und verrichtete dort
seine Andacht. Es war schon in der dritten Stunde der Nacht, als er mit
der Infantin im geschmückten Saal des Schlosses zusammenkam,
darnach folgte der päpstliche Legat, der sie ehelich verband, und der
Erzbischof von Toledo hielt die Messe. Als sie ihre Sünden gebeichtet,
so erzählt ein namenloser Chronist, haben sie das hochwürdige
Sakrament empfangen und nach dem Segen des Kardinals heilig und
christlich Hochzeit gehalten.
Aber als die Nacht verstrichen war, sah man den Herzog bleich und
wild aus dem Gemach stürzen, während die Infantin von ihren Frauen
ohnmächtig aufgefunden wurde. Es hieß alsbald, doch nur im
Geheimen wurden solche Stimmen laut, daß Johanna sich der Hingabe
an ihren Gatten weigere.
* * * * *
Das Gebot der Kirche drang nicht in Johannas Seele; das priesterliche
Wort war ihr nicht viel mehr als eine auf die Mauer gemalte Formel.
Ihr Körper lebte, er wurde befehligt vom Blut und das Blut ward
entzündet von der Sehnsucht. Der in die weite Ferne gerichtete Blick
war des Pfades noch ungewiß, welcher zum Licht führte.
Unter dem Meeresspiegel, unberührt von Stürmen, für Menschen nicht
erreichbar, wächst ein Zauberkraut, das den Tod besiegt. So wuchs in
Johannas einsamem Gemüt ein Bild von Liebe: eine Blume, die den
Tod besiegt. Sie konnte nicht geraubt werden, sie konnte nur langsam
bis an die Oberfläche des Lebens wachsen. Völlig vom Zweck entblößt,
in Erwartung und Zuversicht so gesammelt, daß es wie
Himmelsflammen Geist und Leib durchdrang, der Vision unterworfen,
von der Speise des Traums genährt, Wort, Wunsch und Hoffnung
musikalisch füllend, so empfand sie Liebe.
Schnell wird Tugend zum Wahn und Wahn zur Krankheit; und wieder
ist das Edelste an den Geschöpfen nicht ohne einen Hauch von
Krankheit. In einem arragonischen Tal gab es ein Weib, die seit Jahr
und Tag auf einem Stein saß, um den Heiland zu erwarten, und die
weinend das Gesicht verbarg, wenn einer vorbeiging, der eben nur
Mensch war. Dieser war es bestimmt, ihr Herz an ein Etwas zu binden,
was nicht aus Erde gemacht ist, und
Continue reading on your phone by scaning this QR Code
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the
Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.