Die Richterin: Novelle | Page 8

Conrad Ferdinand Meyer
uns geraubt glauben. Sei nicht unklug, und gib dich nicht in fremde Gewalt!" Er belud sich mit dem Sacke. "Ein Schlummerchen, Fr?ulein! und wenn du die Augen wieder ?ffnest, hast du den Bruder, der dich Gold und Gut kostet. Das schw?re ich dir!" Er senkte die drei Finger mit einem grimmigen Blicke gegen den Erdboden. "Bei dem da unten!" gelobte er.
"Ein glaubhafter Schwur!" sprach eine weibliche Stimme. Rachis wendete sich erschrocken und bog das Knie vor einer behelmten Frau mit strengen Z��gen, die den Speer, den sie in der Hand getragen, einem bewaffneten Knechte reichte. Die Richterin mochte aus Schonung f��r ihr erm��detes Tier den steilen Burgweg zu Fu? erklommen haben. Sie fa?te Palma sch��tzend am Arm und blickte geringsch?tzig auf den Lombarden. "Schw��rest du bei Gott und seinen Heiligen", sagte sie, "so schw��rest du falsch; eher schw?rst du die Wahrheit bei dem Vater der L��gen. Habet ihr euch nicht bei allem G?ttlichen verpflichtet, ihr Lombarden, nie mehr in R?tien zu rauben und zu brennen? Und jetzt, da ihr, wie alles B?se, vor den Augen des Kaisers fl��chtet, schleudert ihr rechts und links verheerende Flammen! Ich komme von Chur und wei? um eure Taten, Eidbr��chige! Sage du deinem Witigis, die Richterin w��rde ihm nachjagen und ihn z��chtigen, wenn nicht ein H?herer k?me, und er ist schon da, dessen Hand ihn erreicht, fl?he er an die Enden der Erde!" Jetzt fielen ihre Augen auf den Sack des Goldschmieds. "Was tr?gst du da weg, Dieb?" fragte sie ver?chtlich.
"Ein ehrlicher Handel", beteuerte dieser und ?ffnete den Sack, w?hrend das M?dchen die Mutter st��rmisch umarmte. "Ich kaufe den Bruder!" rief sie. "Er ist in die Gewalt des Witigis geraten, der auf ihn zielt, bis ich der Frau Herzogin"--das unschuldige Kind erhob die blonde Rosmunde in den Ehestand--"meinen Schmuck gegeben habe, und wie gerne gebe ich ihn!"
Die Richterin machte sich von ihr los und fragte Rachis: "Ist das wahr?"
"Bei meinem Halse, Herrin!"
"Ich w��rde dir nicht glauben, w��?te ich nicht, da? der H?fling Wulfrin dem Kaiser voranreitet, und h?tte ich nicht selbst eben jetzt in Chur geh?rt, da? die Lombarden einen H?fling gefangen haben. Dennoch kann es eine L��ge sein, denn es ist kaum glaublich, da? ein Tischgenosse Karls dem Feinde seinen Namen nennt und zu einem M?dchen um L?sung sendet."
"Nein, nein, Mutter, so war es nicht!" rief Palma und erz?hlte den Vorgang.
"Ein eitles Weib, dem ein Leben feil ist f��r einen Schmuck, das hat mehr Sinn", meinte die Richterin. Sie schien zu ��berlegen. Dann warf sie einen Blick auf das Geschmeide. "Ich will den H?fling mit Byzantinern l?sen", sagte sie.
"Das steht nicht in meinem Auftrag und w��rde der Rosmunde schlecht gefallen."
"Dann tue ich es nicht."
"Auch gut", grinste Rachis. "So l?ssest du eben den Wulfrin umkommen. Du magst deine Gr��nde haben. Ganz wie du willst."
"Das willst du nicht, Mutter!" jammerte Palma und st��rzte auf die Knie.
"Nein, das will ich nicht", sprach die Richterin mit nachdenklichen Brauen. "Warum auch? Nimm das Zeug!" und Rachis war weg.
Das jubelnde M?dchen fiel der Mutter um den Hals und bedeckte den strengen Mund mit dankbaren K��ssen. Dann raubte sie ihr den kriegerischen Helm so ungest��m, da? die Flechten des schwarzen Haares sich l?sten und niederrollend dem entschlossenen Haupte der Richterin einen jugendlichen und leidenden Ausdruck gaben. Die nicht enden wollende Freude Palmas erm��dete endlich die Richterin. "Geh schlafen, Kind", sagte sie, "es dunkelt."
"Schlafen? Wer k?nnte das, bis Wulfrin ruft?"
"So wirf dich, wie du bist, auf das Polster. Was gilt's, ich finde dich schlummern? Zu Bette, H��hnchen! husch! husch!" und sie klatschte in die H?nde.
Palma flog die Stiege hinauf, und die Richterin wendete sich zu Rudio, ihrem Kastellan, der schon eine Weile ruhig harrend vor ihr stand. "Was meldest du?" fragte sie.
"Eine Albernheit, Herrin. Ich sah die T��r zu unserm Kerker sperrangelweit offen. Freilich hatte ich sie nicht verriegelt, da gerade niemand sitzt. Ich steige hinab, und auf dem Stroh liegt ein Gesch?pf, das ich in der letzten Helle mir nur m��hsam entr?tsle. Es war die Faustine, welche, wie du dich erinnerst, mit deiner Erlaubnis ihr Kind, die Brunetta, einem Lombarden, einem leidlichen Manne, den du auf mein F��rwort unter deinem Gesinde duldetest, zum Weibe gegeben hat. Jetzt, da das fremde Volk wandert, hat auch ihr Kind sein B��ndel geschn��rt, und das mu? sie irre gemacht haben. Sie hat sich eine Hand in den Kettenring gezw?ngt und ist ��brigens guten Mutes. 'Meister Rudio', redete sie zu mir, 'wetze dein Beil am Schleifstein und tue mir morgen nicht weher, als recht ist.' Ich schelte sie und will ihr den Arm aus der Fessel ziehen. 'Welche Posse!' sage ich, 'du bist ja die ehrliche Armut am Rocken und im R��benfeld, die ihr Kind rechtschaffen gro?gezogen hat. Hier ist nicht dein Ort. Mit deinesgleichen habe ich nichts zu tun.' Sie sperrte sich und sagte: 'Das wei?t du nicht, Rudio. Geh und rufe die Richterin. Die
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