Die Regentrude | Page 8

Theodor W. Storm
dann und wann die Augen traurig umherwendend. Dennoch meinte Maren, es bleibe ein gr��ner Schimmer auf dem Rasen, den ihr Fu? betreten, und wenn die grauen Gew?nder ��ber das d��rre Gras schleppten, da rauschte es so eigen, da? sie immer darauf hinh?ren mu?te. "Regnet es denn schon, Frau Trude?" fragte sie.
"Ach nein, Kind, erst mu?t du den Brunnen aufschlie?en!"
"Den Brunnen? Wo ist denn der?"
Sie waren eben aus einer Gruppe von B?umen herausgetreten. "Dort!" sagte die Trude, und einige tausend Schritte vor ihnen sah Maren einen ungeheuren Bau emporsteigen. Er schien von grauem Gestein zackig und unregelm??ig aufget��rmt; bis in den Himmel, meinte Maren, denn nach oben hinauf war alles wie in Duft und Sonnenglanz zerflossen. Am Boden aber wurde die in riesenhaften Erkern vorspringende Front ��berall von hohen spitzbogigen Tor- und Fensterh?hlen durchbrochen, ohne da? jedoch von Fenstern oder Torfl��geln selbst etwas zu sehen gewesen w?re.
Eine Weile schritten sie gerade darauf zu, bis sie durch den Uferabsturz eines Stromes aufgehalten wurden, der den Bau rings zu umgeben schien. Auch hier war jedoch das Wasser bis auf einen schmalen Faden, der noch in der Mitte flo?, verdunstet; ein Nachen lag zerborsten auf der trockenen Schlammdecke des Strombettes.
"Schreite hindurch!" sagte die Trude. "��ber dich hat er keine Gewalt. Aber vergi? nicht, von dem Wasser zu sch?pfen; du wirst es bald gebrauchen!"
Als Maren, dem Befehl gehorchend, von dem Ufer herabtrat, h?tte sie fast den Fu? zur��ckgezogen, denn der Boden war hier so hei?, da? sie die Glut durch ihre Schuhe f��hlte. Ei was, m?gen die Schuhe verbrennen! dachte sie und schritt r��stig mit ihrem Kruge weiter. Pl?tzlich aber blieb sie stehen; der Ausdruck des tiefsten Entsetzens trat in ihre Augen. Denn neben ihr zerri? die trockene Schlammdecke, und eine gro?e braunrote Faust mit krummen Fingern fuhr daraus hervor und griff nach ihr.
"Mut!" h?rte sie die Stimme der Trude hinter sich vom Ufer her.
Da erst stie? sie einen lauten Schrei aus, und der Spuk verschwand.
"Schlie?e die Augen!" h?rte sie wiederum die Trude rufen.--Da ging sie mit geschlossenen Augen weiter; als sie aber das Wasser ihren Fu? ber��hren f��hlte, b��ckte sie sich und f��llte ihre Krug. Dann stieg sie leicht und ungef?hrdet am andern Ufer wieder hinauf.
Bald hatte sie das Schlo? erreicht und trat mit klopfendem Herzen durch eines der gro?en offenen Tore. Drinnen aber blieb sie staunend an dem Eingange stehen. Das ganze Innere schien nur ein einziger unerme?licher Raum zu sein. M?chtige S?ulen von Tropfstein trugen in beinahe unabsehbarer H?he eine seltsame Decke; fast meinte Maren, es seinen nichts als graue riesenhafte Spinngewebe, die ��berall in Bauschen und Spitzen zwischen den Kn?ufen der S?ulen herabhingen. Noch immer stand sie wie verloren an derselben Stelle und blickte bald vor sich hin, bald nach einer und der andern Seite, aber diese ungeheuren R?ume schienen au?er nach der Front zu, durch welche Maren eingetreten war, ganz ohne Grenzen zu sein; S?ule hinter S?ule erhob sich, und wie sehr sie sich auch anstrengte, sie konnte nirgends ein Ende absehen. Da blieb ihr Auge an einer Vertiefung des Bodens haften. Und siehe! Dort, unweit von ihr, war der Brunnen; auch den goldenen Schl��ssel sah sie auf der Fallt��r liegen.
W?hrend sie darauf zuging, bemerkte sie, da? der Fu?boden nicht etwa, wie sie es in ihrer Dorfkirche gesehen, mit Steinplatten, sondern ��berall mit vertrockneten Schilf- und Wiesenpflanzen bedeckt war. Aber es nahm sie jetzt schon nichts mehr wunder.
Nun stand sie am Brunnen und wollte eben den Schl��ssel ergreifen; da zog sie rasch die Hand zur��ck. Denn deutlich hatte sie es erkannt, der Schl��ssel, der ihr in dem grellen Licht eines von au?en hereinfallenden Sonnenstrahl entgegenleuchtete, war von Glut und nicht von Gold rot. Ohne Zaudern go? sie ihren Krug dar��ber aus, da? das Zischen des verdampfenden Wassers in den weiten R?umen widerhallte. Dann schlo? sie rasch den Brunnen auf. Ein frischer Duft stieg aus der Tiefe, als sie die Fallt��r zur��ckgeschlagen hatte, und erf��llte bald alles mit einem feinen feuchten Staube, der wie ein zartes Gew?lk zwischen den S?ulen emporstieg.
Sinnend und in der frischen K��hle aufatmend, ging Maren umher. Da begann zu ihren F��?en ein neues Wunder. Wie ein Hauch rieselte ein lichtes Gr��n ��ber die verdorrte Pflanzendecke, die Halme richteten sich auf, und bald wandelte das M?dchen durch eine F��lle sprie?ender Bl?tter und Blumen. Am Fu?e der S?ulen wurde es blau von Vergi?meinnicht; dazwischen bl��hten gelbe und braunviolette Iris auf und verhauchten ihren zarten Duft. An den Spitzen der Bl?tter klommen Libellen empor, pr��ften ihre Fl��gel und schwebten dann schillernd und gaukelnd ��ber den Blumenkelchen, w?hrend der frische Duft, der fortw?hrend aus dem Brunnen stieg, immer mehr die Luft erf��llte und wie Silberfunken in den hereinfallenden Sonnenstrahlen tanzte.
Indessen Maren noch des Entz��ckens und Bestaunens kein Ende finden konnte, h?rte sie hinter sich ein behagliches St?hnen wie von einer s��?en Frauenstimme. Und wirklich, als sie ihre Augen nach der Vertiefung
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