Die Regentrude | Page 7

Theodor W. Storm
die Einsamkeit. Bald h?rten die Baumgruppen auf, und der Boden senkte sich. Sie erkannte wohl, da? sie in dem ausgetrockneten Bette eines Gew?ssers ging; wei?er Sand und Kiesel bedeckten den Boden, dazwischen lagen tote Fische und blinkten mit ihren Silberschuppen in der Sonne. In der Mitte des Beckens sah sie einen grauen fremdartigen Vogel stehen; er schien ihr einem Reiher ?hnlich zu sein, doch war er von solcher Gr??e, da? sein Kopf, wenn er ihn aufrichtete, ��ber den eines Menschen hinwegragen mu?te; jetzt hatte er den langen Hals zwischen den Fl��gel zur��ckgelegt und schien zu schlafen. Maren f��rchtete sich. Au?er dem regungslosen unheimlichen Vogel war kein lebendes Wesen sichtbar, nicht einmal das Schwirren einer Fliege unterbrach hier die Stille; wie ein Entsetzen lag das Schweigen ��ber diesem Orte. Einen Augenblick trieb sie die Angst, nach ihrem Geliebten zu rufen, aber sie wagte es wiederum nicht; denn den Laut ihrer eignen Stimme in dieser ?de zu h?ren, d��nkte sie noch schauerlicher als alles andre.
So richtete sie denn ihre Augen fest in die Ferne, so sich wieder dichte Baumgruppen ��ber den Boden zu erheben schienen, und schritt weiter, ohne rechts oder links zu sehen. Der gro?e Vogel r��hrte sich nicht, als sie mit leisem Tritt an ihm vor��berging, nur f��r einen Augenblick blitzte es schwarz unter der wei?en Augenhaut hervor.--Sie atmete auf.--Nachdem sie noch eine weite Strecke hingeschritten, verengte sich das Seebett zu der Rinne eines m??igen Baches, der unter einer breiten Lindengruppe durchf��hrte. Das Ge?st dieser m?chtigen B?ume war so dicht, da? ungeachtet des mangelhaften Laubes kein Sonnenstrahl hindurchdrang. Maren ging in dieser Rinne weiter; die pl?tzliche K��hle um sie her, das hohe dunkle Gew?lk der Wipfel ��ber ihr; es schien ihr fast, als gehe sie durch eine Kirche. Pl?tzlich aber wurden ihre Augen von einem blenden Licht getroffen; die B?ume h?rten auf, und vor ihr erhob sich ein graues Gestein, auf das die grellste Sonne niederbrannte.
Maren selbst stand in einem leeren sandigen Becken, in welches sonst ein Wasserfall ��ber die Felsen hinabgest��rzt sein mochte, der dann unterhalb durch die Rinne seinen Abflu? in den jetzt verdunsteten See gehabt hatte. Sie suchte mit den Augen, wo wohl der Weg zwischen den Klippen hinauff��hrte. Pl?tzlich aber schrak sie zusammen. Denn das dort auf der halben H?he des Absturzes konnte nicht zum Gestein geh?ren; wenn es auch ebenso grau war und starr wie dieses in der regungslosen Luft lag, so erkannte sie doch bald, da? es ein Gewand sei, welches in Falten eine ruhende Gestalt bedeckte.--Mit verhaltenem Atem stieg sie n?her. Da sah sie es deutlich; es war eine sch?ne m?chtige Frauengestalt. Der Kopf lag tief aufs Gestein zur��ckgesunken; die blonden Haare, die bis zur H��fte hinabflossen, waren voll Staub und d��rren Laubes. Maren betrachtete sie aufmerksam. Sie mu? sehr sch?n gewesen sein, dachte sie, ehe diese Wangen so schlaff und diese Augen so eingesunken waren. Ach, und wie bleich ihre Lippen sind! Ob es denn wohl die Regentrude sein mag?--Aber die da schl?ft nicht; das ist eine Tote! Oh, es ist entsetzlich einsam hier!
Das kr?ftige M?dchen hatte sich indessen bald gefa?t. Sie trat ganz dicht herzu, und niederkniend und zu ihr hinabgebeugt, legte sie ihre frischen Lippen an das marmorblasse Ohr der Ruhenden. Dann, all ihren Mut zusammennehmend, sprach sie laut und deutlich:
"Dunst ist die Welle, Staub ist die Quelle! Stumm sind die W?lder, Feuermann tanzt ��ber die Felder!"
Da rang sich ein tiefer klagender Laut aus dem bleichen Munde hervor; doch das M?dchen sprach immer st?rker und eindringlicher:
"Nimm dich in acht! Eh du erwacht, Holt dich die Mutter Heim in der Nacht!"
Da rauschte es sanft durch die Wipfel der B?ume, und in der Ferne donnerte es leise wie von einem Gewitter. Zugleich aber und, wie es schien, von jenseits des Gesteins kommend, durchschnitt ein greller Ton die Luft, wie der Wutschrei eines b?sen Tieres. Als Maren emporsah, stand die Gestalt der Trude hoch aufgerichtet vor ihr. "Was willst du?" fragte sie.
"Ach, Frau Trude", antwortete das M?dchen noch immer kniend. "Ihr habt so grausam lang geschlafen, da? alles Laub und alle Kreatur verschmachten will!"
Die Trude sah sie mit weit aufgerissenen Augen an, als m��he sie sich, aus schweren Tr?umen zu kommen.
Endlich fragte sie mit tonloser Stimme: "St��rzt denn der Quell nicht mehr?"
"Nein, Frau Trude", erwiderte Maren.
"Kreist denn mein Vogel nicht mehr ��ber dem See?"
"Er steht in der hei?en Sonne und schl?ft."
"Weh!" wimmerte die Regenfrau. "So ist es hohe Zeit. Steh auf und folge mir, aber vergi? nicht den Krug, der dort zu deinen F��?en liegt!"
Maren tat, wie ihr gehei?en, und beide stiegen nun an der Seite des Gesteins hinauf.--Noch m?chtigere Baumgruppen, noch wunderbarere Blumen waren hier der Erde entsprossen, aber auch hier war alles welk und d��ftelos.--Sie gingen an der Rinne des Baches entlang, der hinter ihnen seinen Abfall vom Gestein gehabt hatte. Langsam und schwankend schritt die Trude dem M?dchen voran, nur
Continue reading on your phone by scaning this QR Code

 / 14
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.