Die Regentrude | Page 6

Theodor W. Storm
drang auch eine erstickende Hitze zu ihnen herauf.
Als sie von der untersten Stufe ins Freie traten, sahen sie eine g?nzlich unbekannte Gegend vor sich. Maren sah befremdet umher. "Die Sonne scheint aber doch dieselbe zu sein!" sagte sie endlich.
"K?lter ist sie wenigstens nicht", meinte Andrees, indem er das M?dchen zur Erde hob.
Von dem Platze, wo sie sich befanden, auf einem breiten Steindamm, lief eine Allee von alten Weiden in die Ferne hinaus. Sie bedachten sich nicht lange, sondern gingen, als sei ihnen der Weg gewiesen, zwischen den Reihen der B?ume entlang. Wenn sie nach der einen oder andern Seite blickten, so sahen sie in ein ?des, unabsehbares Tiefland, das so von aller Art von Rinnen und Vertiefungen zerrissen war, als bestehe es nur aus einem endlosen Gewirre verlassener See- und Strombetten. Dies schien auch dadurch best?tigt zu werden, da? ein beklemmender Dunst, wie von vertrocknetem Schilf, die Luft erf��llte. Dabei lagerte zwischen den Schatten der einzeln stehenden B?ume eine solche Glut, da? es den beiden Wanderern war, als s?hen sie kleine wei?e Flammen ��ber den staubigen Weg dahinfliegen. Andrees mu?te an die Flocken aus dem Feuerbarte des Kobolds denken. Einmal war es ihm sogar, als s?he er zwei dunkle Augenringe in dem grellen Sonnenschein; dann wieder glaubte er deutlich neben sich das tolle Springen der kleinen Spindelbeine zu h?ren. Bald war es links, bald rechts an seiner Seite. Wenn er sich aber wandte, vermochte er nichts zu sehen; nur die gluthei?e Luft zitterte flirrend und blendend vor seinen Augen. Ja, dachte er, indem er des M?dchens Hand erfa?te und beide m��hsam vorw?rts schritten, sauer machst du's uns, aber recht beh?ltst du heute nicht!
Weiter und weiter gingen sie, der eine nur auf das immer schwerere Atmen des andern h?rend. Der einf?rmige Weg schien kein Ende zu nehmen; neben ihnen unaufh?rlich die grauen, halb entbl?tterten Weiden, seitw?rts h��ben und dr��ben unter ihnen die unheimlich dunstende Niederung.
Pl?tzlich blieb Maren stehen und lehnte sich mit geschlossenen Augen an den Stamm einer Weide. "Ich kann nicht weiter", murmelte sie; "die Luft ist lauter Feuer."
Da gedachte Andrees des Metfl?schchens, das sie bis dahin unber��hrt gelassen hatten.--Als er den St?psel abgezogen, verbreitete sich ein Duft, als seien die Tausende von Blumen noch einmal zur Bl��te auferstanden, aus deren Kelchen vor vielleicht mehr als hundert Jahren die Bienen den Honig zu diesem Tranke zusammengetragen hatten. Kaum hatten die Lippen des M?dchens den Rand der Flasche ber��hrt, so schlug sie schon die Augen auf. "Oh", rief sie, "auf welcher sch?nen Wiese sind wir denn?"
"Auf keiner Wiese, Maren; aber trink nur, es wird dich st?rken!"
Als sie getrunken hatte, richtete sie sich auf und schaute mit hellen Augen um sich her. "Trink auch einmal, Andrees", sagte sie; "ein Frauenzimmer ist doch nur ein elendiglich Gesch?pf!"
"Aber das ist ein echter Tropfen!" rief Andrees, nachdem er auch gekostet hatte. "Mag der Himmel wissen, woraus die Uhrahne den gebraut hat!"
Dann gingen sie gest?rkt und lustig plaudernd weiter. Nach einer Weile aber blieb das M?dchen wieder stehen. "Was hast du, Maren?" fragte Andrees.
"Oh, nichts, ich dachte nur--"
"Was denn, Maren?"
"Siehst du, Andrees! Mein Vater hat noch sein halbes Heu drau?en auf den Wiesen; und ich gehe da aus und will Regen machen!"
"Dein Vater ist ein reicher Mann, Maren; aber wir andern haben unser Fetzchen Heu schon l?ngst in der Scheuer und unsre Frucht noch alle auf den d��rren Halmen."
"Ja, ja, Andrees, du hast wohl recht; man mu? auch an die andern denken!" Im stillen bei sich selber aber setzte sie sp?ter hinzu: Maren, Maren, mach dir keine Flausen vor; du tust ja doch alles nur von wegen deinem Schatz!
So waren sie wieder eine Zeitlang fortgegangen, als das M?dchen pl?tzlich rief: "Was ist denn das? Wo sind wir denn? Das ist ja ein gro?er, ungeheurer Garten!"
Und wirklich waren sie, ohne zu wissen wie, aus der einf?rmigen Weidenallee in einen gro?en Park gelangt. Aus der weiten, jetzt freilich versengten Rasenfl?che erhoben sich ��berall Gruppen hoher prachtvoller B?ume. Zwar war ihr Laub zum Teil abgefallen oder hing d��rr und schlaff an den Zweigen, aber der k��hne Bau ihrer ?ste strebte noch in den Himmel, und die m?chtigen Wurzeln griffen noch weit ��ber die Erde hinaus. Eine F��lle von Blumen, wie die beiden sie nie zuvor gesehen, bedeckte hie und da den Boden; aber alle diese Blumen waren welk und d��ftelos und schienen mitten in der h?chsten Bl��te von der t?dlichen Glut getroffen zu sein.
"Wir sind am rechten Orte, denk ich!" sagte Andrees.
Maren nickte. "Du mu?t nun hier zur��ckbleiben, bis ich wiederkomme."
"Freilich", erwiderte er, indem er sich in dem Schatten einer gro?en Eiche ausstreckte. "Das ��brige ist nun deine Sach! Halt nur das Spr��chlein fest und verred dich nicht dabei!"-So ging sie denn allein ��ber den weiten Rasen und unter den himmelhohen B?umen dahin, und bald sag der Zur��ckbleibende nichts mehr von ihr. Sie aber schritt weiter und weiter durch
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