Die Piccolomini | Page 5

Friedrich von Schiller
dem seinigen zu
machen.
Questenberg.

Wer spricht ihm ab, daß er die Menschen kenne,
Sie zu gebrauche
wisse! Überm Herrscher
Vergißt er nur den Diener ganz und gar,

Als wär' mit seiner Würd' er schon geboren.
Max.
Ist er's denn nicht? Mit jeder Kraft dazu
Ist er's, und mit der Kraft
noch obendrein,
Buchstäblich zu vollstrecken die Natur,
Dem
Herrschtalent den Herrschplatz zu erobern.
Questenberg.
So kommt's zuletzt auf seine Großmut an,
Wieviel wir überall noch
gelten sollen!
Max.
Der seltne Mann will seltenes Vertrauen.
Gebt ihm den Raum, das
Ziel wird er sich setzen.
Questenberg.
Die Proben geben's.
Max.
Ja! so sind sie! Schreckt
Sie alles gleich, was eine Tiefe hat;
Ist
ihnen nirgends wohl, als wo's recht flach ist.
Octavio. (zu Questenberg)
Ergeben Sie sich nur in gutem, Freund!
Mit dem da werden Sie nicht
fertig.
Max.
Da rufen sie den Geist an in der Not,
Und grauet ihnen gleich, wenn
er sich zeigt.
Das Ungemeine soll, das Höchste selbst
Geschehn wie

das Alltägliche. Im Feld,
Da dringt die Gegenwart--Persönliches

Muß herrschen, eignes Auge sehn. Es braucht
Der Feldherr jedes
Große der Natur,
So gönne man ihm auch, in ihren großen

Verhältnissen zu leben. Das Orakel
In seinem Innern, das lebendige--

Nicht tote Bücher, alte Ordnungen,
Nicht modrigte Papiere soll er
fragen.
Octavio.
Mein Sohn! Laß uns die alten, engen Ordnungen
Gering nicht achten!
Köstlich unschätzbare
Gewichte sind's, die der bedrängte Mensch

An seiner Dränger raschen Willen band;
Denn immer war die Willkür
fürchterlich--
Der Weg der Ordnung, ging' er auch durch Krümmmen,

Er ist kein Umweg. Grad aus geht des Blitzes,
Geht des Kanonballs
fürchterlicher Pfad--
Schnell, auf dem nächsten Wege, langt er an,

Macht sich zermalmend Platz, um zu zermalmen.
Mein Sohn! Die
Straße, die der Mensch befährt,
Worauf der Segen wandelt, diese
folgt
Der Flüsse Lauf, der Täler freien Krümmen,
Umgeht das
Weizenfeld, den Rebenhügel,
Des Eigentums gemeßne Grenzen
ehrend--
So führt sie später, sicher doch zum Ziel.
Questenberg.
Oh! hören Sie den Vater--hören Sie
Ihn, der ein Held ist und ein
Mensch zugleich.
Octavio.
Das Kind des Lagers spricht aus dir, mein Sohn.
Ein fünfzehnjähr'ger
Krieg hat dich erzogen,
--Du hast den Frieden nie gesehn! Es gibt

Noch höhern Wert, mein Sohn, als kriegerischen;
Im Kriege selber ist
das Letzte nicht der Krieg.
Die großen, schnellen Taten der Gewalt,

Des Augenblicks erstaunenswerte Wunder,
Die sind es nicht, die
das Beglückende,
Das ruhig, mächtig Dauernde erzeugen.
In Hast
und Eile bauet der Soldat
Von Leinwand seine leichte Stadt, da wird


Ein augenblicklich Brausen und Bewegen,
Der Markt belebt sich,
Straßen, Flüsse sind
Bedeckt mit Fracht, es rührt sich das Gewerbe.

Doch eines Morgens plötzlich siehet man
Die Zelte fallen, weiter
rückt die Horde,
Und ausgestorben, wie ein Kirchhof, bleibt
Der
Acker, das zerstampfte Saatfeld liegen,
Und um des Jahres Ernte ist's
getan.
Max.
Oh! laß den Kaiser Friede machen, Vater!
Den blut'gen Lorbeer geb
ich hin mit Freuden
Fürs erste Veilchen, das der März uns bringt,

Das duftige Pfand der neuverjüngten Erde.
Octavio.
Wie wird dir? Was bewegt dich so auf einmal?
Max.
Ich hab den Frieden nie gesehn?--Ich hab ihn
Gesehen, alter Vater ,
eben komm ich--
Jetzt eben davon her--er führte mich
Der Weg
durch Länder, wo der Krieg nicht
hingekommen--oh! das Leben,
Vater,
Hat Reize, die wir nie gekannt.--Wir haben
Des schönen
Lebens öde Küste nur
Wie ein umirrend Räubervolk befahren,
Das,
in sein dumpfig-enges Schiff gepreßt,
Im wüsten Meer mit wüsten
Sitten haust,
Vom großen Land nichts als die Buchten kennt,
Wo es
die Diebeslandung wagen darf.
Was in den innern Tälern Köstliches

Das Land verbirgt, oh! davon--davon ist
Auf unsrer wilden Fahrt
uns nichts erschienen.
Ocatvio. (wird aufmerksam)
Und hätt' es diese Reise dir gezeigt?
Max.

Es war die erste Muße meines Lebens.
Sag mir, was ist der Arbeit
Ziel und Preis,
Der peinlichen, die mir die Jugend stahl,
Das Herz
mir öde ließ und unerquickt
Den Geist, den keine Bildung noch
geschmücket?
Denn dieses Lagers lärmendes Gewühl,
Der Pferde
Wiehern, der Trompete Schmettern,
Des Dienstes immer
gleichgestellte Uhr,
Die Waffenübung, das Kommandowort--
Dem
Herzen gibt es nichts, dem lechzenden.
Die Seele fehlt dem nichtigen
Geschäft--
Es gibt ein andres Glück und andre Freuden.
Octavio.
Viel lerntest du auf diesem kurzen Weg, mein Sohn!
Max.
O schöner Tag! wenn endlich der Soldat
Ins Leben heimkehrt, in die
Menschlichkeit,
Zum frohen Zug die Fahnen sich entfalten,
Und
heimwärts schlägt der sanfte Friedensmarsch.
Wenn alle Hüte sich
und Helme schmücken
Mit grünen Maien, dem letzten Raub der
Felder!
Der Städte Tore gehen auf, von selbst,
Nicht die Petarde
braucht sie mehr zu sprengen;
Von Menschen sind die Wälle rings
erfüllt,
Von friedlichen, die in die Lüfte grüßen--
Hell klingt von
allen Türmen das Geläut,
Des blut'gen Tages frohe Vesper schlagend.

Aus Dörfern und aus Städten wimmelnd strömt
Ein jauchzend
Volk, mit liebend emsiger
Zudringlichkeit des Heeres Fortzug
hindernd--
Da schüttelt, froh des noch erlebten Tags,
Dem
heimgekehrten Sohn der Greis die Hände.
Ein Fremdling tritt er in
sein Eigentum,
Das längstverlaßne, ein; mit breiten Ästen
Deckt ihn
der Baum bei seiner Wiederkehr,
Der sich zur Gerte bog, als er
gegangen,
Und schamhaft tritt als Jungfrau ihm entgegen,
Die er
einst an der Amme Brust verließ.
Oh! glücklich, wem dann auch sich
eine Tür,
Sich zarte Arme sanft umschlingend öffnen--
Questenberg. (gerührt)

Oh! daß Sie von so ferner, ferner Zeit,
Und nicht von morgen, nicht
von heute sprechen!
Max. (mit Heftigkeit sich zu ihm wendend)
Wer sonst ist schuld daran als ihr in Wien?--
Ich will's nur
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