Die Piccolomini | Page 4

Friedrich von Schiller
Schwert vertraut

Und solche Macht gelegt in solche Hand!
Zu stark für dieses
schlimmverwahrte Herz
War die Versuchung! Hätte sie doch selbst

Dem bessern Mann gefährlich werden müssen!
Er wird sich weigern,
sag ich Ihnen,
Der kaiserlichen Ordre zu gehorchen.--
Er kann's und
wird's.--Sein unbestrafter Trotz
Wird unsre Ohnmacht schimpflich
offenbaren.
Octavio.
Und glauben Sie, daß er Gemahlin, Tochter
Umsonst hieher ins Lager
kommen ließ,
Gerade jetzt, da wir zum Krieg uns rüsten?
Daß er
die letzte Pfänder seine Treu'
Aus Kaisers Landen führt, das deutet
uns
Auf einen nahen Ausbruch der Empörung.
Questenberg.
Weh uns! und wie dem Ungewitter stehn,
Das drohend uns umzieht
von allen Enden?
Der Reichsfeind an den Grenzen, Meister schon

Vom Donaustrom, stets weiter um sich greifend--
Im innern Land des
Aufruhrs Feuerglocke--
Der Bauer in Waffen--alle Stände schwürig--

Und die Armee, von der wir Hilf' erwarten,
Verführt, verwildert,
aller Zucht entwohnt--
Vom Staat, von ihrem Kaiser losgerissen,

Vom Schwindelnden die schwindelnde geführt,
Ein furchtbar
Werkzeug, dem verwegensten
Der Menschen blind gehorchend
hingegeben--

Octavio.
Verzagen wir auch nicht zu früh, mein Freund!
Stets ist die Sprache
kecker als die Tat,
Und mancher, der in blindem Eifer jetzt
Zu
jedem Äußersten entschlossen scheint,
Findet unerwartet in der Brust
ein Herz,
Spricht man des Frevels wahren Namen aus.

Zudem--ganz unverteidigt sind wir nicht.
Graf Altringer und Gallas,
wissen Sie ,
Erhalten in der Pflicht ihr kleines Heer--
Verstärken es
noch täglich.--Überraschen
Kann er uns nicht, Sie wissen, daß ich ihn

Mit meinen Horchern rings umgeben habe;
Vom kleinsten Schritt
erhalt ich Wissenschaft
Sogleich--Ja, mir entdeckt's sein eigner
Mund.
Questenberg.
Ganz unbegreiflich ist's, daß er den Feind nicht merkt An seiner Seite.
Octavio.
Denken Sie nicht etwa,
Daß ich durch Lügenkünste, gleisnerische

Gefälligkeit in seine Gunst mich stahl,
Durch Heuchelworte sein
Vertrauen nähre.
Befiehlt mir gleich die Klugheit und die Pflicht,

Die ich dem Reich, dem Kaiser schuldig bin,
Daß ich mein wahres
Herz vor ihm verberge,
Ein falsches hab ich niemals ihm geheuchelt!
Questenberg.
Es ist des Himmels sichtbarliche Fügung.
Octavio.
Ich weiß nicht, was es ist-was ihn an mich
Und meinen Sohn so
mächtig zieht und kettet.
Wir waren immer Freunde, Waffenbrüder;

Gewohnheit, gleichgeteilte Abenteuer
Verbanden uns schon
frühe-doch ich weiß
Den Tag zu nennen, wo mit einemmal
Sein
Herz mir aufging, sein Vertrauen wuchs.
Es war der Morgen vor der

Lützner Schlacht--
Mich trieb ein böser Traum, ihn aufzusuchen,

Ein ander Pferd zur Schlacht ihm anzubieten.
Fern von den Zelten,
unter einem Baum
Fand ich ihn eingeschlafen. Als ich ihn

Erweckte, mein Bedenken ihm erzählte,
Sah er mich lange staunend
an; drauf fiel er
Mir um den Hals und zeigte eine Rührung,
Wie
jener kleine Dienst sie gar nicht wert war.
Seit jenem Tag verfolgt
mich sein Vertrauen
In gleichem Maß, als ihn das meine flieht.
Questenberg.
Sie ziehen Ihren Sohn doch ins Geheimnis?
Octavio.
Nein!
Questenberg.
Wie? auch warnen wollen Sie ihn nicht,
In welcher schlimmen Hand
er sich befinde?
Octavio.
Ich muß ihn seiner Unschuld anvertrauen.
Verstellung ist der offnen
Seele fremd,
Unwissenheit allein kann ihm die Geistesfreiheit

Bewahren, die den Herzog sicher macht.
Questenberg. (besorglich)
Mein würd'ger Freund! Ich hab die beste Meinung
Vom Oberst
Piccolomini--doch--wenn--
Bedenken Sie--
Octavio.
Ich muß es darauf wagen--Still! Da kommt er.
Vierter Auftritt

Max Piccolomini. Octavio Piccolomini. Questenberg.
Max.
Da ist er ja gleich selbst. Willkommen, Vater!
(Er umarmt ihn. Wie er
sich umwendet, bermerkt er Questenbergen
und tritt kalt zurück.)
Beschäftigt, wie ich seh? Ich will ihn nicht
stören.
Octavio.
Wie, Max? Sieh diesen Gast doch näher an.
Aufmerksamkeit verdient
ein alter Freund;
Ehrfurcht gebührt dem Boten deines Kaisers.
Max. (trocken)
Von Questenberg! Willkommen, wenn was Gutes
Ins Hauptquartier
Sie herführt.
Questenberg. (hat seine Hand gefaßt)
Ziehen Sie
Die Hand nicht weg, Graf Piccolomini,
Ich fasse sie
nicht bloß von meinetwegen,
Und nichts Gemeines will ich damit
sagen.
(Beider Hände fassend.)
Octavio--Max Piccolomini!
Heilbringend, vorbedeutungsvolle
Namen!
Nie wird das Glück von Österreich sich wenden,
Solang
zwei solche Sterne, segenreich
Und schützend, leuchten über seinen
Heeren.
Max.
Sie fallen aus der Rolle, Herr Minister,
Nicht Lobens wegen sind Sie
hier, ich weiß,
Sie sind geschickt, zu tadeln und zu schelten--
Ich
will voraus nichts haben vor den andern.

Octavio. (zu Max)
Er kommt vom Hofe, wo man mit dem Herzog
Nicht ganz so wohl
zufrieden ist als hier.
Max.
Was gibt's aufs neu denn an ihm auszustellen?
Daß er für sich allein
beschließt, was er
Allein versteht? Wohl! daran tut er recht,
Und
wird's dabei auch sein Verbleiben haben.-
Er ist nun einmal nicht
gemacht, nach andern
Geschmeidig sich zu fügen und zu wenden,

Es geht ihm wider die Natur, er kann's nicht.
Geworden ist ihm eine
Herrscherseele,
Und ist gestellt auf einen Herrscherplatz.
Wohl uns,
daß es so ist! Es können sich
Nur wenige regieren, den Verstand

Verständig brauchen--Wohl dem Ganzen, findet
Sich einmal einer,
der ein Mittelpunkt
Für viele Tausend wird, ein Halt;--sich hinstellt

Wie eine feste Säul', an die man sich
Mit Lust mag schließen und mit
Zuversicht.
So einer ist der Wallenstein, und taugte
Dem Hof ein
andrer besser--der Armee
Frommt nur ein solcher.
Questenberg.
Der Arme! Jawohl!
Max.
Und eine Lust ist's, wie er alles weckt
Und stärkt und neu belebt um
sich herum,
Wie jede Kraft sich ausspricht, jede Gabe
Gleich
deutlicher sich wird in seiner Nähe!
Jedwedem zieht er seine Kraft
hervor,
Die eigentümliche, und zieht sie groß,
Läßt jeden ganz das
bleiben, was er ist,
Er wacht nur drüber, daß er's immer sei
Am
rechten Ort; so weiß er aller Menschen
Vermögen zu
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