Die Menschen der Ehe | Page 3

John Henry Mackay
bestanden--und bereits war die Grenze ��berschritten, wo das Verzeihliche aufh?rt, um der Sinnlosigkeit zu weichen, als er mit einem gro?en Satze aus seiner Fensternische aufgesprungen war, mitten unter die Schreienden und sie ��berrief:
"Aber seid ihr denn ganz verr��ckt!"
Und er schob die Kellnerin zur T��re hinaus, ungeachtet aller schreienden Proteste, setzte seinen Hut auf, und ihm nach war die ganze Gesellschaft gestolpert, einer anderen Kneipe, einer anderen Torheit zu, die stille Stra?e mit neuem Singen und L?rmen erf��hlend, da? friedliche B��rger aus dem Schlaf ihrer Ruhe fuhren und das tr?umende Gespons mit der Frage weckten: ob es denn etwa brenne . . .
Nein, es waren diesmal nur die Kinder ihrer eigenen Liebe.

IV.
Sollte er sie aufsuchen, die Genossen jener Tage?--Fast wandelte ihn die Lust dazu an, wie nun Gestalt um Gestalt vor ihm emportauchte.
Was war aus ihnen geworden?--Wie waren sie geworden? Wo waren sie gelandet?
Von den meisten war es nicht schwer, es zu ahnen.
Denn die meisten waren schon damals in ihrer Jugend dazu bestimmt, ein vorgeschriebenes Leben zu leben: das Leben herunterzuleben, wie Grach es nannte.
Nachdem ein Examen--ein Tor, welches unwiderruflich passiert werden mu?te, wollte man in dieses Leben eintreten--sie gezwungen hatte, sich den Kopf mit einer unglaublichen Menge modernden Ger��mpels zu f��llen, wurden ihnen einige Jahre geg?nnt, ihn von diesem Wuste zu befreien.
Sie hatten zu vergessen, was sie gelernt hatten. Nach diesen Jahren einer ungebundenen Freiheit auf der Hochschule aber steckte sie der Vater unerbittlich in das von dem Gro?vater gemachte, und von ihm selbst wohlgew?rmte Bett, und "niemals wieder sah sie die Welt."
Sie w?hlten unter den T?chtern des Landes eine--jeder eine--und begannen, sich zu vermehren in Z��chten und Ehren.
Sie traten in die "Harmonie" oder in die Dilettantengesellschaft "Urania" ein und tanzten im Winter im "Kasino", solange sie noch jung waren.
Wurden sie ?lter, so begann das einzige Gef��hl von W��rde, dessen der Philister f?hig ist: ein B��rger des Staates zu sein, ihre Brust zu schwellen, und sie glaubten sich an den Geschicken des Landes zu beteiligen, wenn sie von Zeit zu Zeit einen Zettel in die Wahlurne warfen und abends beim Biere endlose Debatten ��ber die gleichg��ltigsten und belanglosesten Fragen innerer und ?u?erer Politik--dieses Tummelgebietes aller Menschen ohne Geist und Kraft --f��hrten, bis die Stunde schlug, wo die Angst vor der Frau sie nach Haus und in das gemeinsame Bett trieb . . .
Sie waren Menschen der Ehe geworden.
Nein, er wollte keinen von ihnen wiedersehen. Man w��rde sich doch nur gegenseitig eine traurige Entt?uschung bereiten, und in einer so ver?nderten Sprache ��ber Menschen und Dinge reden, da? man sich nicht mehr verstehen w��rde . . .

V.
W?hrend der Neuangekommene seinen Kaffee trank und die Wolken seiner Zigarre in die Luft blies, war die fl��chtige Erinnerung schon wieder versunken, und andere, dem heutigen Tage angeh?rende Gedanken besch?ftigten ihn.
Ein Brief hatte ihn wieder in diese Stadt gerufen, die er seit l?nger als zehn Jahren nicht gesehen. Auf vielen Umwegen hatte er ihn erreicht, und nachdem er ihn gelesen, war sein erstes Gef��hl gewesen, ihn in die Ecke zu werfen.
Er lachte erst; dann ?rgerte er sich.
Aber zugleich dachte er an mancherlei Freundlichkeit, welche er von der Mutter der Frau--sie war lange tot--, die ihn geschrieben, empfangen vor langen Jahren und an ihre gr??te Freundlichkeit: da? sie ihn meist unbehelligt gelassen, und er bema? Zeit und Geld, sah, da? beides reichte, und war kurzentschlossen hierhergereist.
Er stand fr��h allein und wurde, fast noch ein Kind, von einer entfernten Verwandten aufgenommen, in deren Heim er lange Jahre lebte, nicht abh?ngig von ihrer Gnade, aber doch angewiesen auf ihre Freundlichkeit. Sie hatte eine einzige Tochter, die ihr Abgott war; er beanspruchte nichts von der sentimentalen Z?rtlichkeit, mit der das verzogene, launische Kind einer kurzen und sehr ungl��cklichen Ehe ��bersch��ttet wurde.
Fast von dem Augenblick an, in dem er diese Stadt verlassen, hatte sich sein Leben so von Grund aus ge?ndert, waren Kreise und Beziehungen desselben so andere geworden, da? er selten veranla?t worden war, zur��ckzudenken, um so mehr, als ihm die Mu?e behaglicher, l?ssiger Einkehr und Umschau fast nie beschieden und kaum ein Tag gewesen war, der ihm Zeit gelassen h?tte, ihn einzuspinnen zwischen die wei?en Tr?ume der Vergangenheit und der Zukunft.
Zweimal nur noch schrieb er den Namen dieser Stadt auf die Adresse eines Briefes: das erste Mal, als seine Verwandte gestorben war, und er der Tochter freundliche Worte des Beileids sagte, das zweite Mal, als er sie zu ihrer eigenen Verheiratung kurz begl��ckw��nschte.
Dann kam dieser Brief, unerwartet und unerw��nscht.
Er lag vor ihm, und noch einmal las er ihn, aufmerksam, Wort f��r Wort.
Von dem bla?rosa Papier stieg der starke Duft eines eigent��mlichen Parf��ms auf. Die Schrift, mit der seine vier Seiten bedeckt waren, war liegend, sinnlich und weibisch-schwach.
Er las ihn zum vierten Male, und zum vierten Male suchte er hinter den leblosen Worten nach der lebendigen Seele derer, die sie geschrieben: er fand sie nicht.
Das war es, was sie ihm
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