Wagen saß ein Mann, der eine Mütze trug wie die
französischen Offiziere sie tragen, und ebenso trug er einen Schnurr-
und Kinnbart und ein gänzlich gebräuntes und ausgedörrtes Gesicht zur
Schau, das überdies einige Spuren von Kugeln und Säbelhieben zeigte.
Auch war er in einen Burnus gehüllt, alles dies, wie es französische
Militärs aus Afrika mitzubringen pflegen, und die Füße stemmte er
gegen eine kolossale Löwenhaut, welche auf dem Boden des Wagens
lag; auf dem Rücksitze vor ihm lag ein Säbel und eine halblange
arabische Pfeife neben anderen fremdartigen Gegenständen.
Dieser Mann sperrte ungeachtet des ernsten Gesichtes, das er machte,
die Augen weit auf und suchte mit denselben rings auf dem Platze ein
Haus, wie einer, der aus einem schweren Traume erwacht. Beinahe
taumelnd, sprang er aus dem Wagen, der von ungefähr auf der Mitte
des Plätzchens stillhielt; doch ergriff er die Löwenhaut und seinen
Säbel und ging sogleich sicheren Schrittes in das Häuschen der Witwe,
als ob er erst vor einer Stunde aus demselben gegangen wäre. Die
Mutter und Estherchen sahen dies voll Verwunderung und Neugierde
und horchten auf, ob der Fremde die Treppe heraufkäme; denn obgleich
sie kaum noch von Pankrazius gesprochen, hatten sie in diesem
Augenblick keine Ahnung, daß er es sein könnte, und ihre Gedanken
waren von der überraschten Neugierde himmelweit von ihm
weggeführt. Doch urplötzlich erkannten sie ihn an der Art, wie er die
obersten Stufen übersprang und über den kurzen Flur weg fast
gleichzeitig die Klinke der Stubentür ergriff, nachdem er wie der Blitz
vorher den lose steckenden Stubenschlüssel fester ins Schloß gestoßen,
was sonst immer die Art des Verschwundenen gewesen, der in seinem
Müßiggange eine seltsame Ordnungsliebe bewährt hatte. Sie schrien
laut auf und standen festgebannt vor ihren Stühlen, mit offenem Munde
nach der aufgehenden Türe sehend. Unter dieser stand der fremde
Pankrazius mit dem dürren und harten Ernste eines fremden
Kriegsmannes, nur zuckte es ihm seltsam um die Augen, indessen die
Mutter erzitterte bei seinem Anblick und sich nicht zu helfen wußte
und selbst Estherchen zum erstenmal gänzlich verblüfft war und sich
nicht zu regen wagte. Doch alles dies dauerte nur einen Augenblick;
der Herr Oberst, denn nichts Geringeres war der verlorene Sohn, nahm
mit der Höflichkeit und Achtung, welche ihn die wilde Not des Lebens
gelehrt, sogleich die Mütze ab, was er nie getan, wenn er früher in die
Stube getreten; eine unaussprechliche Freundlichkeit, wenigstens wie
es den Frauen vorkam, die ihn nie freundlich gesehen noch also denken
konnten, verbreitete sich über das gefurchte und doch noch nicht alte
Soldatengesicht und ließ schneeweiße Zähne sehen, als er auf sie
zueilte und beide mit ausbrechendem Herzensweh in die Arme schloß.
Hatte die Mutter erst vor dem martialischen und vermeintlich immer
noch bösen Sohne sonderbar gezittert, so zitterte sie jetzt erst recht in
scheuer Seligkeit, da sie sich in den Armen dieses wiedergekehrten
Sohnes fühlte, dessen achtungsvolles Mützenabnehmen und dessen
aufleuchtende nie gesehene Anmut, wie sie nur die Rührung und die
Reue gibt, sie schon wie mit einem Zauberschlage berührt hatten. Denn
noch ehe das Bürschchen sieben Jahre alt gewesen, hatte es schon
angefangen, sich ihren Liebkosungen zu entziehen und seither hatte
Pankraz in bitterer Sprödigkeit und Verstockung sich gehütet, seine
Mutter auch nur mit der Hand zu berühren, abgesehen davon, daß er
unzählige Male schmollend zu Bett gegangen war, ohne Gutenacht zu
sagen. Daher bedünkte es sie nun ein unbegreiflicher und wundersamer
Augenblick, in welchem ein ganzes Leben lag, als sie jetzt nach wohl
dreißig Jahren sozusagen zum erstenmal sich von dem Sohne umfangen
sah. Aber auch Estherchen bedünkte dieses veränderte Wesen so
ernsthaft und wichtig, daß sie, die den Schmollenden tausendmal
ausgelacht hatte, jetzt nicht im mindesten den bekehrten Freundlichen
anzulachen vermochte, sondern mit klaren Tränen in den Augen nach
ihrem Sesselchen ging und den Bruder unverwandt anblickte.
Pankraz war der erste, der sich nach mehreren Minuten wieder
zusammennahm und als ein guter Soldat einen Übergang und Ausweg
dadurch bewerkstelligte, daß er sein Gepäck heraufbeförderte. Die
Mutter wollte mit Estherchen helfen; aber er führte sie äußerst
holdselig zu ihrem Sitze zurück und duldete nur, daß Estherchen zum
Wagen herunterkam und sich mit einigen leichten Sachen belud. Den
weiteren Verlauf führte indessen Estherchen herbei, welche bald ihren
guten Humor wiedergewann und nicht länger unterlassen konnte, die
Löwenhaut an dem langen gewaltigen Schwanze zu packen und auf
dem Boden herumzuziehen, indem sie sich kranklachen wollte und
einmal über das andere rief: „Was ist dies nur für ein Pelz? Was ist dies
für ein Ungeheuer?"
„Dies ist," sagte Pankraz, seinen Fuß auf das Fell stoßend, „vor drei
Monaten noch ein lebendiger Löwe gewesen, den ich getötet habe.
Dieser Bursche war mein Lehrer und Bekehrer und hat mir zwölf
Stunden lang so eindringlich gepredigt, daß ich armer Kerl endlich von
allem Schmollen und Bössein für immer geheilt wurde. Zum Andenken
soll seine Haut nicht mehr aus meiner

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