ich unter einem Vorwande
zurück.
Ein Bauerbursch kam aus einem benachbarten Hause und beschäftigte
sich, an dem Pfluge, den ich neulich gezeichnet hatte, etwas zurecht zu
machen. Da mir sein Wesen gefiel, redete ich ihn an, fragte nach seinen
Umständen, wir waren bald bekannt und, wie mir's gewöhnlich mit
dieser Art Leuten geht, bald vertraut. Er erzählte mir, daß er bei einer
Witwe in Diensten sei und von ihr gar wohl gehalten werde. Er sprach
so vieles von ihr und lobte sie dergestalt, daß ich bald merken konnte,
er sei ihr mit Leib und Seele zugetan. Sie sei nicht mehr jung, sagte er,
sie sei von ihrem ersten Mann übel gehalten worden, wolle nicht mehr
heiraten, und aus seiner Erzählung leuchtete so merklich hervor, wie
schön, wie reizend sie für ihn sei, wie sehr er wünschte, daß sie ihn
wählen möchte, um das Andenken der Fehler ihres ersten Mannes
auszulöschen, daß ich Wort für Wort wiederholen müßte, um dir die
reine Neigung, die Liebe und Treue dieses Menschen anschaulich zu
machen. Ja, ich müßte die Gabe des größten Dichters besitzen, um dir
zugleich den Ausdruck seiner Gebärden, die Harmonie seiner Stimme,
das heimliche Feuer seiner Blicke lebendig darstellen zu können. Nein,
es sprechen keine Worte die Zartheit aus, die in seinem ganzen Wesen
und Ausdruck war; es ist alles nur plump, was ich wieder vorbringen
könnte. Besonders rührte mich, wie er fürchtete, ich möchte über sein
Verhältnis zu ihr ungleich denken und an ihrer guten Aufführung
zweifeln. Wie reizend es war, wenn er von ihrer Gestalt, von ihrem
Körper sprach, der ihn ohne jugendliche Reize gewaltsam an sich zog
und fesselte, kann ich mir nur in meiner innersten Seele wiederholen.
Ich hab' in meinem Leben die dringende Begierde und das heiße,
sehnliche Verlangen nicht in dieser Reinheit gesehen, ja wohl kann ich
sagen, in dieser Reinheit nicht gedacht und geträumt. Schelte mich
nicht, wenn ich dir sage, daß bei der Erinnerung dieser Unschuld und
Wahrheit mir die innerste Seele glüht, und daß mich das Bild dieser
Treue und Zärtlichkeit überall verfolgt, und daß ich, wie selbst davon
entzündet, lechze und schmachte.
Ich will nun suchen, auch sie ehstens zu sehn, oder vielmehr, wenn
ich's recht bedenke, ich will's vermeiden. Es ist besser, ich sehe sie
durch die Augen ihres Liebhabers; vielleicht erscheint sie mir vor
meinen eigenen Augen nicht so, wie sie jetzt vor mir steht, und warum
soll ich mir das schöne Bild verderben?
Am 16. Junius
Warum ich dir nicht schreibe?--Fragst du das und bist doch auch der
Gelehrten einer. Du solltest raten, daß ich mich wohl befinde, und
zwar--kurz und gut, ich habe eine Bekanntschaft gemacht, die mein
Herz näher angeht. Ich habe--ich weiß nicht.
Dir in der Ordnung zu erzählen, wie's zugegangen ist, daß ich eins der
liebenswürdigsten Geschöpfe habe kennen lernen, wird schwer halten.
Ich bin vergnügt und glücklich, und also kein guter Historienschreiber.
Einen Engel!--pfui! Das sagt jeder von der Seinigen, nicht wahr? Und
doch bin ich nicht imstande, dir zu sagen, wie sie vollkommen ist,
warum sie vollkommen ist; genug, sie hat allen meinen Sinn
gefangengenommen.
So viel Einfalt bei so viel Verstand, so viel Güte bei so viel Festigkeit,
und die Ruhe der Seele bei dem wahren Leben und der Tätigkeit.--Das
ist alles garstiges Gewäsch, was ich da von ihr sage, leidige
Abstraktionen, die nicht einen Zug ihres Selbst ausdrücken. Ein
andermal--nein, nicht ein andermal, jetzt gleich will ich dir's erzählen.
Tu' ich 's jetzt nicht, so geschäh' es niemals. Denn, unter uns, seit ich
angefangen habe zu schreiben, war ich schon dreimal im Begriffe, die
Feder niederzulegen, mein Pferd satteln zu lassen und hinauszureiten.
Und doch schwur ich mir heute früh, nicht hinauszureiten, und gehe
doch alle Augenblick' ans Fenster, zu sehen, wie hoch die Sonne noch
steht.--Ich hab's nicht überwinden können, ich mußte zu ihr hinaus. Da
bin ich wieder, Wilhelm, will mein Butterbrot zu Nacht essen und dir
schreiben. Welch eine Wonne das für meine Seele ist, sie in dem Kreise
der lieben, muntern Kinder, ihrer acht Geschwister, zu sehen!--Wenn
ich so fortfahre, wirst du am Ende so klug sein wie am Anfange. Höre
denn, ich will mich zwingen, ins Detail zu gehen.
Ich schrieb dir neulich, wie ich den Amtmann S. habe kennen lernen,
und wie er mich gebeten habe, ihn bald in seiner Einsiedelei oder
vielmehr seinem kleinen Königreiche zu besuchen. Ich vernachlässigte
das, und wäre vielleicht nie hingekommen, hätte mir der Zufall nicht
den Schatz entdeckt, der in der stillen Gegend verborgen liegt.
Unsere jungen Leute hatten einen Ball auf dem Lande angestellt, zu
dem ich mich denn auch willig finden ließ. Ich bot einem hiesigen
guten, schönen, übrigens unbedeutenden Mädchen die Hand, und es
wurde ausgemacht, daß ich eine Kutsche nehmen, mit meiner Tänzerin
und ihrer Base nach dem Orte der Lustbarkeit hinausfahren und auf
dem Wege
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