deines Vaters Stuhl.
KARL. O Mutter! Mutter!
LA HIRE. Selbst die wütenden Burgundier, die mordgewohnten
Banden, Erglüheten vor Scham bei diesem Anblick. Sie nahm es wahr
und an das Volk gewendet Rief sie mit lauter Stimm: "Dankt mirs,
Franzosen, Daß ich den kranken Stamm mit reinem Zweig Veredle,
euch bewahre vor dem miß- Gebornen Sohn des hirnverrückten
Vaters!" (Der König verhüllt sich, Agnes eilt auf ihn zu und schließt
ihn in ihre Arme, alle Umstehenden drücken ihren Abscheu, ihr
Entsetzen aus)
DUNOIS. Die Wölfin!--die wutschnaubende Megäre!
KARL (nach einer Pause zu den Ratsherren). Ihr habt gehört, wie hier
die Sachen stehn. Verweilt nicht länger, geht nach Orleans Zurück, und
meldet meiner treuen Stadt: Des Eides gegen mich entlaß ich sie. Sie
mag ihr Heil beherzigen und sich Der Gnade des Burgundiers ergeben,
Er heißt der Gute, er wird menschlich sein.
DUNOIS. Wie Sire? Du wolltest Orleans verlassen!
RATSHERR (kniet nieder). Mein königlicher Herr! Zieh deine Hand
Nicht von uns ab! Gib deine treue Stadt Nicht unter Englands harte
Herrschaft hin. Sie ist ein edler Stein in deiner Krone, Und keine hat
den Königen, deinen Ahnherrn, Die Treue heiliger bewahrt.
DUNOIS. Sind wir Geschlagen? Ists erlaubt, das Feld zu räumen, Eh
noch ein Schwertstreich um die Stadt geschehn? Mit einem leichten
Wörtlein, ehe Blut Geflossen ist, denkst du die beste Stadt Aus
Frankreichs Herzen wegzugeben?
KARL. Des Blutes ist geflossen und vergebens! Des Himmels schwere
Hand ist gegen mich, Geschlagen wird mein Heer in allen Schlachten,
Mein Parlament verwirft mich, meine Hauptstadt, Mein Volk nimmt
meinen Gegner jauchzend auf, Die mir die Nächsten sind am Blut,
verlassen, Verraten mich--Die eigne Mutter nährt Die fremde
Feindesbrut an ihren Brüsten. --Wir wollen jenseits der Loire uns ziehn,
Und der gewaltgen Hand des Himmels weichen, Der mit dem
Engelländer ist.
SOREL. Das wolle Gott nicht, daß wir, an uns selbst Verzweifelnd,
diesem Reich den Rücken wenden! Dies Wort kam nicht aus deiner
tapfern Brust. Der Mutter unnatürlich rohe Tat Hat meines Königs
Heldenherz gebrochen! Du wirst dich wiederfinden, männlich fassen,
Mit edelm Mut dem Schicksal widerstehen, Das grimmig dir
entgegenkämpft.
KARL (in düstres Sinnen verloren). Ist es nicht wahr? Ein finster
furchtbares Verhängnis waltet Durch Valois' Geschlecht, es ist
verworfen Von Gott, der Mutter Lastertaten führten Die Furien herein
in dieses Haus, Mein Vater lag im Wahnsinn zwanzig Jahre, Drei ältre
Brüder hat der Tod vor mir Hinweggemäht, es ist des Himmels Schluß,
Das Haus des sechsten Karls soll untergehn.
SOREL. In dir wird es sich neuverjüngt erheben! Hab Glauben an dich
selbst.--O! nicht umsonst Hat dich ein gnädig Schicksal aufgespart Von
deinen Brüdern allen, dich den jüngsten Gerufen auf den ungehofften
Thron. In deiner sanften Seele hat der Himmel Den Arzt für alle
Wunden sich bereitet, Die der Parteien Wut dem Lande schlug. Des
Bürgerkrieges Flammen wirst du löschen, Mir sagts das Herz, den
Frieden wirst du pflanzen, Des Frankenreiches neuer Stifter sein.
KARL. Nicht ich. Die rauhe sturmbewegte Zeit Heischt einen
kraftbegabtem Steuermann. Ich hätt ein friedlich Volk beglücken
können, Ein wild empörtes kann ich nicht bezähmen, Nicht mir die
Herzen öffnen mit dem Schwert, Die sich entfremdet mir in Haß
verschließen.
SOREL. Verblendet ist das Volk, ein Wahn betäubt es, Doch dieser
Taumel wird vorübergehe, Erwachen wird, nicht fern mehr ist der Tag,
Die Liebe zu dem angestammten König, Die tief gepflanzt ist in des
Franken Brust, Der alte Haß, die Eifersucht erwachen, Die beide
Völker ewig feindlich trennt; Den stolzen Sieger stürzt sein eignes
Glück. Darum verlasse nicht mit Übereilung Den Kampfplatz, ring um
jeden Fußbreit Erde, Wie deine eigne Brust verteidige Dies Orleans!
Laß alle Fähren lieber Versenken, alle Brücken niederbrennen, Die
über diese Scheide deines Reichs, Das stygsche Wasser der Loire dich
führen.
KARL. Was ich vermocht, hab ich getan. Ich habe Mich dargestellt
zum ritterlichen Kampf Um meine Krone.--Man verweigert ihn.
Umsonst verschwend ich meines Volkes Leben, Und meine Städte
sinken in den Staub. Soll ich gleich jener unnatürlichen Mutter Mein
Kind zerteilen lassen mit dem Schwert? Nein, daß es lebe, will ich ihm
entsagen.
DUNOIS. Wie Sire? Ist das die Sprache eines Königs? Gibt man so
eine Krone auf? Es setzt Der Schlechtste deines Volkes Gut und Blut
An seine Meinung, seinen Haß und Liebe, Partei wird alles, wenn das
blutge Zeichen Des Bürgerkrieges ausgehangen ist. Der Ackersmann
verläßt den Pflug, das Weib Den Rocken, Kinder, Greise waffnen sich,
Der Bürger zündet seine Stadt, der Landmann Mit eignen Händen seine
Saaten an, Um dir zu schaden oder wohlzutun Und seines Herzens
Wollen zu behaupten. Nichts schont er selber und erwartet sich Nicht
Schonung, wenn die Ehre ruft, wenn er Für seine Götter oder Götzen
kämpft. Drum weg mit diesem weichlichen Mitleiden, Das einer
Königsbrust nicht ziemt.--Laß du Den Krieg ausrasen, wie er
angefangen, Du hast ihn nicht leichtsinnig selbst entflammt. Für seinen
König muß das Volk sich opfern, Das
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