eine frühe Blume Im Winter oder seltne Frucht! Von
mir Nimmt sie kein Opfer an, und bringt mir alle! Wagt ihren ganzen
Reichtum und Besitz Großmütig an mein untersinkend Glück.
SOREL. Glaub ihm nicht. Er hat sein Leben zehenmal für dich Gewagt
und zürnt, daß ich mein Gold jetzt wage. Wie? Hab ich dir nicht alles
froh geopfert, Was mehr geachtet wird als Gold und Perlen, Und sollte
jetzt mein Glück für mich behalten? Komm! Laß uns allen überflüßgen
Schmuck Des Lebens von uns werfen! Laß mich dir Ein edles Beispiel
der Entsagung geben! Verwandle deinen Hofstaat in Soldaten, Dein
Gold in Eisen, alles was du hast, Wirf es entschlossen hin nach deiner
Krone! Komm! Komm! Wir teilen Mangel und Gefahr! Das
kriegerische Roß laß uns besteigen, Den zarten Leib dem glühnden
Pfeil der Sonne Preisgeben, die Gewölke über uns Zur Decke nehmen,
und den Stein zum Pfühl. Der rauhe Krieger wird sein eignes Weh
Geduldig tragen, sieht er seinen König Dem Ärmsten gleich ausdauren
und entbehren!
DUNOIS. Ja sie ist eine Rasende wie du, Und wirft ihr Alles in ein
brennend Haus, Und schöpft ins lecke Faß der Danaiden. Dich wird sie
nicht erretten, nur sich selbst Wird sie mit dir verderben--
KARL (lächelnd). Ja, nun erfüllt sich mir ein altes Wort Der
Weissagung, das eine Nonne mir Zu Clermont im prophetschert Geiste
sprach. Ein Weib, verhieß die Nonne, würde mich Zum Sieger machen
über alle Feinde, Und meiner Väter Krone mir erkämpfen. Fern sucht
ich sie im Feindeslager auf, Das Herz der Mutter hofft ich zu versöhnen,
Hier steht die Heldin, die nach Reims mich führt, Durch meiner Agnes
Liebe werd ich siegen!
SOREL. Du wirsts durch deiner Freunde tapfres Schwert.
KARL. Auch von der Feinde Zwietracht hoff ich viel Denn mir ist
sichre Kunde zugekommen, Daß zwischen diesen stolzen Lords von
England Und meinem Vetter von Burgund nicht alles mehr So steht
wie sonst--Drum hab ich den La Hire Mit Botschaft an den Herzog
abgefertigt, Ob mirs gelänge, den erzürnten Pair Zur alten Pflicht und
Treu zurückzuführen Mit jeder Stunde wart ich seiner Ankunft.
DU CHATEL (am Fenster). Der Ritter sprengt soeben in den Hof
KARL. Willkommner Bote! Nun so werden wir Bald wissen, ob wir
weichen oder siegen.
ERSTER AUFZUG
Fünfter Auftritt
La Hire zu den Vorigen!
KARL (geht ihm entgegen). La Hire! Bringst du uns Hoffnung oder
keine? Erklär dich kurz. Was hab ich zu erwarten?
LA HIRE. Erwarte nichts mehr als von deinem Schwert.
KARL. Der stolze Herzog laßt sich nicht versöhnen! O sprich! Wie
nahm er meine Botschaft auf?
LA HIRE. Vor allen Dingen und bevor er noch Ein Ohr dir könne
leihen, Lodert er, Daß ihm Du Chatel ausgeliefert werde, Den er den
Mörder seines Vaters nennt.
KARL. Und, weigern wir uns dieser Schmachbedingung?
LA HIRE. Dann sei der Bund zertrennt, noch eh er anfing.
KARL. Hast du ihn drauf, wie ich dir anbefahl, Zum Kampf mit mir
gefodert auf der Brücke Zu Montereau, allwo sein Vater fiel?
LA HIRE. Ich warf ihm deinen Handschuh hin und sprach: Du wolltest
deiner Hoheit dich begeben, Und als ein Ritter kämpfen um dein Reich.
Doch er versetzte: nimmer täts ihm not, Um das zu fechten, was er
schon besitze. Doch wenn dich so nach Kämpfen lüstete, So würdest du
vor Orleans ihn finden, Wohin er morgen willens sei zu gehn; Und
damit kehrt' er lachend mir den Rücken.
KARL. Erhob sich nicht in meinem Parlamente Die reine Stimme der
Gerechtigkeit?
LA HIRE. Sie ist verstummt vor der Parteien Wut. Ein Schluß des
Parlaments erklärte dich Des Throns verlustig, dich und dein
Geschlecht.
DUNOIS. Ha frecher Stolz des herrgewordnen Bürgers!
KARL. Hast du bei meiner Mutter nichts versucht?
LA HIRE. Bei deiner Mutter!
KARL. Ja! Wie ließ sie sich vernehmen?
LA HIRE (nachdem er einige Augenblicke sich bedacht). Es war gerad
das Fest der Königskrönung, Als ich zu Saint Denis eintrat.
Geschmückt Wie zum Triumphe waren die Pariser, In jeder Gasse
stiegen Ehrenbogen, Durch die der engelländsche König zog. Bestreut
mit Blumen war der Weg und jauchzend, Als hätte Frankreich seinen
schönsten Sieg Erfochten, sprang der Pöbel um den Wagen.
SOREL. Sie jauchzten--jauchzten, daß sie auf das Herz Des liebevollen
sanften Königs traten!
LA HIRE. Ich sah den jungen Harry Lancaster, Den Knaben, auf dem
königlichen Stuhl Sankt Ludwigs sitzen, seine stolzen Öhme Bedford
und Gloster standen neben ihm, Und Herzog Philipp kniet' am Throne
nieder Und leistete den Eid für seine Länder.
KARL. O ehrvergeßner Pair! Unwürdger Vetter!
LA HIRE. Das Kind war bang und strauchelte, da es Die hohen Stufen
an dem Thron hinanstieg. "Ein böses Omen!" murmelte das Volk, Und
es erhob sich schallendes Gelächter. Da trat die alte Königin, deine
Mutter, Hinzu, und--mich entrüstet es zu sagen!
KARL. Nun?
LA HIRE. In die Arme faßte sie den Knaben Und setzt' ihn selbst auf
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