Die Jungfrau von Orleans | Page 5

Friedrich von Schiller
In goldnen Wolken, auf die Erde
setzen-- Gegründet hat er einen Liebeshof, Wohin die edlen Ritter
sollen wallen, Wo keusche Frauen herrlich sollen thronen, Wo reine
Minne wiederkehren soll, Und mich hat er erwählt zum Fürst der Liebe.
DUNOIS. Ich bin so sehr nicht aus der Art geschlagen, Daß ich der
Liebe Herrschaft sollte schmähn. Ich nenne mich nach ihr, ich bin ihr
Sohn, Und all mein Erbe liegt in ihrem Reich. Mein Vater war der
Prinz von Orleans, Ihm war kein weiblich Herz unüberwindlich, Doch
auch kein feindlich Schloß war ihm zu fest. Willst du der Liebe Fürst
dich würdig nennen, So sei der Tapfern Tapferster!--Wie ich Aus jenen
alten Büchern mir gelesen, War Liebe stets mit hoher Rittertat Gepaart
und Helden, hat man mich gelehrt, Nicht Schäfer saßen an der
Tafelrunde. Wer nicht die Schönheit tapfer kann beschützen, Verdient
nicht ihren goldnen Preis.--Hier ist Der Fechtplatz! Kämpf um deiner
Väter Krone! Verteidige mit ritterlichem Schwert Dein Eigentum und
edler Frauen Ehre-- Und hast du dir aus Strömen Feindesbluts Die
angestammte Krone kühn erobert, Dann ist es Zeit und steht dir
fürstlich an, Dich mit der Liebe Myrten zu bekrönen.
KARL (zu einem Edelknecht, der hereintritt). Was gibts?
EDELKNECHT. Ratsherrn von Orleans flehen um Gehör.
KARL. Führ sie herein. (Edelknecht geht ab) Sie werden Hülfe fodern,
Was kann ich tun, der selber hülflos ist!

ERSTER AUFZUG
Dritter Auftritt
Drei Ratsherren zu den Vorigen
KARL. Willkommen, meine vielgetreuen Bürger Aus Orleans! Wie
stehts um meine gute Stadt? Fährt sie noch fort mit dem gewohnten
Mut Dem Feind zu widerstehn, der sie belagert?
RATSHERR. Ach Sire! Es drängt die höchste Not, und stündlich
wachsend Schwillt das Verderben an die Stadt heran. Die äußern
Werke sind zerstört, der Feind Gewinnt mit jedem Sturme neuen Boden.
Entblößt sind von Verteidigern die Mauern, Denn rastlos fechtend fällt
die Mannschaft aus, Doch wen'ge sehn die Heimatpforte wieder, Und
auch des Hungers Plage droht der Stadt. Drum hat der edle Graf von
Rochepierre, Der drin befehlt, in dieser höchsten Not Vertragen mit
dem Feind, nach altem Brauch, Sich zu ergeben auf den zwölften Tag,
Wenn binnen dieser Zeit kein Heer im Feld Erschien, zahlreich genug,
die Stadt zu retten. (Dunois macht eine heftige Bewegung des Zorns)
KARL. Die Frist ist kurz.
RATSHERR. Und jetzo sind wir hier Mit Feinds Geleit, daß wir dein
fürstlich Herz Anflehen, deiner Stadt dich zu erbarmen, Und Hülf zu
senden binnen dieser Frist, Sonst übergibt er sie am zwölften Tage.
DUNOIS. Saintrailles konnte seine Stimme geben Zu solchem
schimpflichen Vertrag!
RATSHERR. Nein, Herr! Solang der Tapfre lebte, durfte nie Die Rede
sein von Fried und Übergabe.
Dunois. So ist er tot!
Ratsherr. An unsern Mauern sank Der edle Held für seines Königs
Sache.

KARL. Saintrallles tot! O in dem einzgen Mann Sinkt mir ein Heer!
(Ein Ritter kommt und spricht einige Worte leise mit dem Bastard,
welcher betroffen auffährt)
DUNOIS. Auch das noch!
KARL. Nun! Was gibts?
DUNOIS. Graf Douglas sendet her. Die schottschen Völker Empören
sich und drohen abzuziehn, Wenn sie nicht heut den Rückstand noch
erhalten.
KARL. Du Chatel!
DU CHATEL (zuckt die Achseln). Sire! Ich weiß nicht Rat.
KARL. Versprich, Verpfände was du hast, mein halbes Reich--
Du CHATEL. Hilft nichts! Sie sind zu oft vertröstet worden!
KARL. Es sind die besten Truppen meines Heers! Sie sollen mich jetzt
nicht, nicht jetzt verlassen!
RATSHERR (mit einem Fußfall). O König, hilf uns! Unsrer Not
gedenke!
KARL (verzweiflungsvoll). Kann ich Armeen aus der Erde stampfen?
Wächst mir ein Kornfeld in der flachen Hand? Reißt mich in Stücken,
reißt das Herz mir aus, Und münzet es statt Goldes! Blut hab ich Für
euch, nicht Silber hab ich, noch Soldaten!
(Er sieht die Sorel hereintreten, und eilt ihr mit ausgebreiteten Armen
entgegen)

ERSTER AUFZUG
Vierter Auftritt

Agnes Sorel ein Kästchen in der Hand, zu den Vorigen
KARL. O meine Agnes! Mein geliebtes Leben! Du kommst, mich der
Verzweiflung zu entreißen! Ich habe dich, ich flieh an deine Brust,
Nichts ist verloren, denn du bist noch mein.
SOREL. Mein teurer König! (Mit ängstlich fragendem Blick
umherschauend) Dunois! Ists wahr? Du Chatel?
Du CHATEL. Leider!
Sorel. Ist die Not so groß? Es fehlt am Sold? Die Truppen wollen
abziehn?
Du CHATEL. Ja leider ist es so!
SOREL (ihm das Kästchen aufdrängend). Hier, hier ist Gold, Hier sind
Juwelen--Schmelzt mein Silber ein-- Verkauft, verpfändet meine
Schlösser--Leihet Auf meine Güter in Provence--Macht alles Zu Gelde
und befriediget die Truppen. Fort! Keine Zeit verloren! (Treibt ihn fort)
KARL. Nun, Dunois? Nun, Du Chatel! Bin ich euch Noch arm, da ich
die Krone aller Frauen Besitze?--Sie ist edel, wie ich selbst Geboren,
selbst das königliche Blut Der Valois ist nicht reiner, zieren wurde sie
Den ersten Thron der Welt--doch sie verschmäht ihn, Nur meine Liebe
will sie sein und heißen. Erlaubte sie mir jemals ein Geschenk Von
höherm Wert, als
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