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ETEXTS*Ver.10/04/01*END*
Friedrich Schiller
Die Jungfrau von Orleans
Eine romantische Tragödie
PERSONEN
Karl der Siebente, König von Frankreich Königin Isabeau, seine Mutter
Agnes Sorel, seine Geliebte Philipp der Gute, Herzog von Burgund
Graf Dunois, Bastard von Orleans La Hire Du Chatel, königliche
Offiziere Erzbischof von Reims Chatillon, ein burgundischer Ritter
Raoul, ein lothringischer Ritter Talbot, Feldherr der Engelländer Lionel
Fastolf, englische Anführer Montgomery, ein Walliser Ratsherren von
Orleans Ein englischer Herold Thibaut d'Arc, ein reicher Landmann
Margot Louison Johanna, seine Töchter Etienne Claude, Marie
Raimond, ihre Freier Bertrand, ein anderer Landmann Die Erscheinung
eines schwarzen, Ritters Köhler und Köhlerweib Soldaten und Volk,
königliche Kronbediente, Bischöfe, Mönche, Marschälle,
Magistratspersonen, Hofleute und andere stumme Personen im Gefolge
des Krönungszuges
ERSTER AUFZUG
Hoflager König Karls zu Chinon
Erster Auftritt Dunois und Du Chatel
DUNOIS. Nein, ich ertrag es länger nicht. Ich sage Mich los von
diesem König, der unrühmlich Sich selbst verläßt. Mir blutet in der
Brust Das tapfre Herz und glühnde Tränen möcht ich weinen, Daß
Räuber in das königliche Frankreich Sich teilen mit dem Schwert, die
edeln Städte, Die mit der Monarchie gealtert sind, Dem Feind die
rostgen Schlüssel überliefern, Indes wir hier in tatenloser Ruh Die
köstlich edle Rettungszeit verschwenden. --Ich höre Orleans bedroht,
ich fliege Herbei aus der entlegnen Normandie, Den König denk ich
kriegerisch gerüstet An seines Heeres Spitze schon zu finden, Und find
ihn--hier! Umringt von Gaukelspielern Und Troubadours, spitzfindge
Rätsel lösend Und der Sorel galante Feste gebend, Als waltete im Reich
der tiefste Friede! --Der Connetable geht, er kann den Greul Nicht
länger ansehn.--Ich verlaß ihn auch, Und übergeb ihn seinem bösen
Schicksal.
DU CHATEL. Da kommt der König!
ERSTER AUFZUG
Zweiter Auftritt
König Karl zu den Vorigen
KARL. Der Connetable schickt sein Schwert zurück, Und sagt den
Dienst mir auf.--In Gottes Namen! So sind wir eines mürrschen
Mannes los, Der unverträglich uns nur meistern wollte.
DUNOIS. Ein Mann ist viel wert in so teurer Zeit, Ich möcht ihn nicht
mit leichtem Sinn verlieren.
KARL. Das sagst du nur aus Lust des Widerspruchs, Solang er dawar,
warst du nie sein Freund.
DUNOIS. Er war ein stolz verdrießlich schwerer Narr, Und wußte nie
zu enden--diesmal aber Weiß ers. Er weiß zu rechter Zeit zu gehn, Wo
keine Ehre mehr zu holen ist.
KARL. Du bist in deiner angenehmen Laune, Ich will dich nicht drin
stören.--Du Chatel! Es sind Gesandte da vom alten König, René,
belobte Meister im Gesang, Und weit berühmt.--Man muß sie wohl
bewirten, Und jedem eine goldne Kette reichen. (Zum Bastard)
Worüber lachst du?
DUNOIS. Daß du goldne Ketten Aus deinem Munde schüttelst.
DU CHATEL. Sire! Es ist Kein Geld in deinem Schatze mehr
vorhanden.
KARL. So schaffe welches.--Edle Sänger dürfen Nicht ungeehrt von
meinem Hofe ziehen. Sie machen uns den dürren Szepter blühn, Sie
flechten den unsterblich grünen Zweig Des Lebens in die unfruchtbare
Krone, Sie stellen herrschend sich den Herrschern gleich, Aus leichten
Wünschen bauen sie sich Throne, Und nicht im Raume liegt ihr
harmlos Reich, Sie beide wohnen auf der Menschheit Höhen!
DU CHATEL. Mein königlicher Herr! Ich hab dein Ohr Verschont,
solang noch Rat und Hülfe war, Doch endlich löst die Notdurft mir die
Zunge. – Du hast nichts mehr zu schenken, ach! du hast Nicht mehr,
wovon du morgen könntest leben! Die hohe Flut des Reichtums ist
zerflossen, Und tiefe Ebbe ist in deinem Schatz. Den Truppen ist der
Sold noch nicht bezahlt, Sie drohen murrend abzuziehen.--Kaum weiß
Ich Rat, dein eignes königliches Haus Notdürftig nur, nicht fürstlich, zu
erhalten.
KARL. Verpfände meine königlichen Zölle, Und laß dir Geld darleihn
von den Lombarden.
DU CHATEL. Sire, deine Kroneinkünfte, deine Zölle, Sind auf drei
Jahre schon voraus verpfändet.
DUNOIS. Und unterdes geht Pfand und Land verloren.
KARL. Uns bleiben noch viel reiche schöne Länder.
DUNOIS. Solang es Gott gefällt und Talbots Schwert! Wenn Orleans
genommen ist, magst du Mit deinem König René Schafe hüten.
KARL. Stets übst du deinen Witz an diesem König, Doch ist es dieser
länderlose Fürst, Der eben heut mich königlich beschenkte.
DUNOIS. Nur nicht mit seiner Krone von Neapel, Um Gotteswillen
nicht! Denn die ist feil, Hab ich gehört, seitdem er Schafe weidet.
KARL. Das ist ein Scherz, ein heitres Spiel, ein Fest, Das er sich selbst
und seinem Herzen gibt, Sich eine schuldlos reine Welt zu gründen In
dieser rauh barbarschen Wirklichkeit. Doch was er Großes, Königliches
will-- Er will die alten Zeiten wiederbringen, Wo zarte Minne herrschte,
wo die Liebe Der Ritter große Heldenherzen hob, Und edle Frauen zu
Gerichte saßen, Mit zartem Sinne alles Feine schlichtend. In jenen
Zeiten wohnt der heitre Greis, Und wie sie noch in alten Liedern leben,
So will er sie, wie eine Himmelstadt,
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