Die Jüdin von Toledo | Page 8

Franz Grillparzer
Ehre ruft und meine Pflicht, Frag in Toledo ich vielleicht
nach dir. Wo wohnt ihr dort?
Isaak (schnell). Herr, in der Jüdenstraße Ben Mathaes Haus.
Esther. Wenn man nicht früher Uns etwa schon vertrieb.
König. Dafür mein Wort! Ich weiß zu schützen, wem ich Schutz gelobt.
Und wenn du dort auch so gesprächig bist Und gut gelaunt, wie früher
mit den Deinen, Nicht scheu wie jetzt, verplaudr' ich wohl ein
Stündchen Und hole Atem aus dem Qualm des Hofs. Nun aber geht,
denn es ist hohe Zeit, Du Garceran begleite sie; doch erst noch Häng
dieses Bild zurück an seine Stelle.
Rahel (auf den Stuhl losstürzend). Das Bild ist mein.
König. Was kommt dir bei? Zurück zum Rahmen soll's, aus dem du's
nahmst.
Rahel (zu Garceran). Berühr die Nadeln nicht, noch dieses Bild, Sonst
festig ich's mit einem tiefern Stich, (mit einer Nadel nach dem Bild
fahrend) Siehst du? gerad ins Herz.
König. Halt ein! Beim Himmel! Hast du mich fast erschreckt. Wer bist
du Mädchen? Übst du geheime Künste, die Verbrechen? War's doch,
als fühlt' ich in der eignen Brust, Den Stich nach jenem Bild.
Esther. Mein hoher Herr, Sie ist nur ein verwöhnt, verwildert Mädchen
Und weiß von unerlaubten Künsten nichts, Es kam ihr ein, und also tat
sie's eben.
König. Man aber soll mit derlei keck nicht spielen. Es trieb bis zu den
Augen mir das Blut, Und wie im wirren Licht seh ich die Dinge. (Zu
Garceran.) Ist sie nicht schön?
Garceran. Sie ist's mein Herr und König.
König. Und wie das wogt und wallt und glüht und prangt.
(Rahel hat unterdessen das Bild abgenommen und zusammengerollt.)
König. Du willst das Bild denn durchaus nicht entbehren?
Rahel (zu Esther). Ich nehm es mit.
König. Nun denn in Gottes Namen! Er wird's verhüten, wenn ein
Unheil droht. Nur eilig fort. Nimm, Garceran Den Weg der rückwärts
durch den Garten führt. Das Volk ist aufgeregt; es liebt, als schwach,

Die Schwäche gern zu prüfen an dem Schwächern.
Garceran. (am Fenster). Doch seht, o Herr, es naht der ganze Hof, Die
Königin an des Geleites Spitze.
König. Hierher? Verwünscht! Ist hier kein andrer Ausgang? Mich
widern an die Deutungen des Schwarms.
Garceran. (auf die Seitentüre zeigend). Vielleicht in dies Gemach.
König. Was fällt dir ein! Soll ich verbergen mich vor meinen Dienern?
Und doch fürcht ich den Schmerz der Königin, Sie könnte
glauben,--was ich selber glaube. Ich rette denn die wirre Majestät, Sieh
zu, daß du baldmöglichst sie entfernest.
(Er geht in das Seitengemach.)
Esther. Ich sagt' es ja: es ist der Weg des Unglücks.
(Die Königin, von Manrique de Lara und mehreren begleitet, tritt ein.)
Königin. Es ward gesagt, der König sei hier oben.
Garceran. Er war, doch ging er fort.
Königin. Und hier die Jüdin.
Manrique. Geschmückt, dem losgelaßnen Wahnsinn gleich, Mit all
dem Flitterstaat des Puppenspiels. Leg ab die Krone, die dir nicht
geziemt, Selbst nicht im Scherz; den Mantel von der Schulter! (Esther
hat ihr beides abgenommen.) Was hält sie in der Hand?
Rahel. Es ist mein eigen.
Manrique. Das wollen wir erst sehn.
Esther. Wir sind so arm nicht, Daß wir nach fremdem Wert die Hände
streckten.
Manrique (auf die Seitentür zugehend). Auch dort in jenem Zimmer
forscht man erst, Ob nichts abhanden, ob die Habsucht nicht Sich mit
der Frechheit so wie hier verbunden.
Garceran. (ihm in den Weg tretend). Hier, Vater, ruf ich: halt!
Manrique. Kennst du mich nicht?
Garceran. So Euch als mich. Doch gibt es, wißt Ihr, Pflichten, Die
selbst dem Vaterrecht die Waage halten.
Manrique. Sieh mir ins Aug'! Er kann es nicht ertragen. So raubt mir
denn zwei Söhne dieser Tag. (Zur Königin.) Wollt Ihr nicht gehn?
Königin. Ich möchte, doch ich kann nicht. Vielmehr ich kann, beim
Himmel, denn ich muß. (Zu Garceran.) Ziemt Euer Amt gleich einem
Ritter nicht, Doch dank ich Euch, daß Ihr es treulich übt. Zu sehen wäre
Tod--doch leiden kann ich Und trefft Ihr Euren Herrn vor Abend noch,

Sagt ihm, daß rück ich nach Toledo ging--allein!
(Die Königin und ihr Gefolge ab.)
Garceran. So mußte mich das Unglück diesen Tag, Gerade heut vom
Heere heimwärts führen.
Rahel (zu Esther, die sich mit ihr beschäftigt). Ich wäre nicht gewichen,
galt's den Tod.
Esther (zu Garceran). Nun aber bringt uns fort, wir bitten Euch.
Garceran. Erst frag ich noch den König, was sein Wille. (An die
Seitentüre pochend.) Mein hoher Herr!--Wie nur? Kein
Zeichen!--Sollte Ein Unfall?--Wie denn immer auch, ich öffne.
(Der König tritt heraus und bleibt im Vorgrunde stehen, indes die
andern sich zurückziehen.)
König. So ist die Ehre und der Ruf der Welt Kein ebner Weg, auf dem
der schlichte Gang Die Richtung und das Ziel den Wert bestimmt; Ist's
nur des Gauklers ausgespanntes Seil Auf dem ein Fehltritt von der
Höhe stürzt Und jedes Straucheln preisgibt dem Gelächter? Muß ich,
noch gestern
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