Die Jüdin von Toledo | Page 9

Franz Grillparzer
Vorbild aller Zucht, Mich heute scheun vor jedes Dieners
Blicken? Dann fort mit dir, du Buhlen um die Gunst! Bestimmen wir
uns selber unsre Pfade. (Sich umwendend.) Wie, ihr noch hier?
Garceran. Wir harren des Befehls.
König. Hättst du doch immer des Befehls geharrt Und wärst geblieben
an der fernen Grenze. Ansteckend ist dein Beispiel, Garceran.
Garceran. Gerechte Fürsten strafen jeden Fehl, Den eignen selbst.
Allein, da selber straflos, Trifft andre gern das Zürnen ihrer Brust.
König. Ich bin kein solcher, Garceran. Sei ruhig! Wir bleiben dir wie
früher zugetan. Doch nun bring diese fort, und zwar auf immer. Was
andern Laune ist beim Fürsten Schuld. (Da Rahel sich ihm nähert.) Laß
nur! Doch dieses Bild leg erst noch ab Stell es zurück, von wo es ward
genommen, Ich will's. Drum zögre nicht.
Rahel (zu Esther). So komm du mit. (Indem sich beide der Seitentüre
nähern.) Trägst du mein eigen Bild wie sonst am Halse?
Esther. Was willst du?
Rahel. Meinen Willen. Gält's das Schlimmste.
(Sie gehen in die Seitentüre.)
König. Dann kehr zur Grenze, wohin nächst ich folge. Wir wollen in
der Mauren Blut die Schmach, Die gleichgeteilte, dieses Tages
waschen, Daß wieder wir ertragen Menschen Blick.

(Die Mädchen kommen zurück.)
Rahel. Es ist geschehn.
König. Und fort nun ohne Abschied.
Esther. Nimm unsern Dank, o Herr.
Rahel. Den meinen nicht.
König. Nun so denn: ohne Dank.
Rahel. Ich spar ihn auf.
König. Das heißt: auf nie.
Rahel. Ich weiß das besser. (Zu Esther.) Komm!
(Sie gehen, von Garceran begleitet, wobei der Alte tiefe Verneigungen
macht.)
König. Die höchste Zeit war's, daß sie ging, denn wahrlich Die
Langeweile eines Fürstenhofs, Sie macht die Kurzweil manchmal zum
Bedürfnis. Doch dieses Mädchen, obgleich schön und reizend, Sie
scheint verwegner Brust und heft'gen Sinns Da sieht sich denn ein
Kluger billig vor. Alonso!
(Ein Diener tritt ein.)
Diener. Hoher Herr--
König. Bereit die Pferde.
Diener. Herr, nach Toledo?
König. Nach Alarcos, Freund. Wir wollen an die Grenze, in den Krieg,
Darum bereit das Nötigste nur vor.
Vier Augen drohen in Toledo mir Voll Wasser zwei, und andre zwei
voll Feuer.
Sie wollte sich von meinem Bild nicht trennen, Dem Tode selbst, so
schien es, trotzte sie. Doch braucht' es nur mein streng gebietend Wort,
So hing sie's wieder an die alte Stelle. Schauspielerkünste waren's,
weiter nichts. Doch ob sie's auch dem Rahmen eingefügt? Da ich auf
lange diesen Ort verlasse Sei alles so wie früher unverrückt Und dieses
Vorgangs letzte Spur verschwunden.
(Er geht ins Seitengemach. Pause, während welcher der Diener die von
Rahel abgelegten Kleider vom Stuhle aufnimmt und über den Arm
hängt, die Krone aber in der Hand hält.)
(Der König kommt zurück, Rahels Bild haltend.)
König. Mein Bildnis fort und dies an seiner Stelle-- Ihr eignes ist's. Es
brennt in meiner Hand. (Das Bild auf den Boden schleudernd.) Fort mit
dir, fort! Geht so weit denn die Frechheit? Das darf nicht sein! Indes

ich ihrer selbst Nur mit gerechtem Widerwillen denke, Schürt sie,
gemalt, mir Glut in meiner Brust. Und dann mein eigen Bild in ihren
Händen! Man spricht von magisch unerlaubten Künsten, Die dieses
Volk mit derlei Zeichen übt Und etwas, wie von Zauber, kommt mich
an. (Zum Diener.) Nimm dies vom Boden auf und eile spornstreichs
Bis du sie einholst.
Diener. Wen, Gebieter?
König. Wen? Nun eben Garceran und jene beiden, Stell dies zurück den
Mädchen und begehre--
Diener. Was, hoher Herr?
König. Soll ich die eignen Diener Zu Mitbewußten machen meiner
Scham? Ich will nur selbst den Tausch, wär's Not, erzwingen. Nimm
auf das Bild!--Ich selbst berühr es nicht. (Der Diener hat das Bild
aufgehoben.) Wie ungeschickt! Birg's nur in deiner Brust; Doch wär' es
dort erwärmt von fremder Wärme! Gib her, ich nehm es selbst, und
folge mir; Wir holen sie noch ein.--Bedenk ich's recht, So kann, da
einmal rege der Verdacht, Ein Unfall sie betreffen, ja Gewalttat, Da
schützt zumeist mein eigenes Geleit. Du aber folge mir! (Er hat das
Bild angeblickt und dann in den Busen gesteckt.) Ist dort nicht
seitwärts Das Schloß Retiro, wo mein Ahn, Don Sancho Mit einer
Maurin, aller Welt verborgen--
Diener. So ist's, erlauchter Herr.
König. Wir wollen unsre Ahnen Nachahmen in der Tapferkeit, dem
Wert Und nicht in ihrer Schwäche niederm Straucheln. Vor allem gilt
es sich erobern selbst-- Und dann entgegen feindlichen Erobrern.
Retiro heißt das Schloß?--Was wollt' ich nur? Ja so, nur fort! Und sei
verschwiegen! Zwar Du weißt ja nicht. Um so viel besser. Komm!
(Mit dem Diener ab.)
(Der Vorhang fällt.)

Dritter Aufzug
Garten im königlichen Lustschlosse. Im Hintergrunde fließt der Tajo.
Nach vorn auf der rechten Seite eine geräumige Laube.
Links in einer Reihe mehrere Bittsteller, Gesuche in der Hand; Isaak
steht bei ihnen.
Isaak. Es ward euch schon gesagt, hier weilt man nicht. Hier geht
demnächst lustwandeln meine Tochter Und Er mit
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