Die Jüdin von Toledo | Page 6

Franz Grillparzer
Man sah nun erst
das schimmernde Gerät, Die Seide der Tapeten ward bewundert, Des
Vorhangs Stoff nach Ellen abgeschätzt, Man hat sich eingerichtet und
ist ruhig.
König. Und scheint sie sich zu sehnen nach der Heimat?
Garceran. Beinah, und manchmal wieder scheint es, nein. Doch leichter
Sinn grämt sich nicht gern voraus.
König. Du hast doch nicht versäumt, der Worte Köder Nach ihr auch
auszuwerfen nach Gewohnheit? Wie nahm sie's auf?
Garceran. Nu, Herr, nicht eben schlimm.
König. Du lügst!--Im Grunde bist du glücklich, Mensch! Schwebst wie
ein Vogel durch die heitern Lüfte Und senkst dich nieder, wo die Beere
lockt Und weißt zu finden dich beim ersten Blick. Ich bin ein König
und mein Wort erschreckt, Doch wär' ich selbst erschrocken, stünd' ich
irgend Genüber einem Weib zum erstenmal. Wie fängst du's an?
Belehre mich ein wenig Ich bin ein Neuling in dergleichen Dingen,
Nicht besser als ein großgewachsnes Kind. Da wird geseufzt?
Garceran. Pfui, Herr, das wär' veraltet!

König. Nun denn geblickt? Und Junker Gänsrich schaut Bis Dame
Gänschen wieder schaut. Nicht so? Dann nimmst du wohl die Laute gar
zur Hand Genüber dem Balkon, wie etwa hier, Und singst ein
krächzend Lied, wozu der Mond, Ein bleicher Kuppler, durch die
Bäume funkelt, Und Blumenkelche duften süßen Rausch Bis nun der
günst'ge Augenblick erscheint, Der Vater, Bruder,--oder Gatte gar Das
Haus verläßt, auf etwa gleichen Pfaden Und nun die Zofe winkt ihr
leises: pst! Da trittst du ein und eine warme Hand Ergreift die deine,
führt dich durch die Gänge Die dunkel wie das Grab und endlos
gleitend Den Wunsch erhöhn, bis endlich Ambraduft Und bleicher
Schimmer, durch die Ritzen dringend Bezeichnen, daß erreicht das
holde Ziel. Die Tür geht auf, und hell im Kerzenschimmer, Auf
dunkeln Samt die Glieder hingegossen, Den weißen Arm umkreist von
Perlenschnüren, Lehnt weichgesenkten Hauptes die Ersehnte, Die
goldnen Locken--nein, ich sage, schwarz!-- Des Hauptes
Rabenhaar--und so denn weiter! Du siehst, ich bin gelehrig, Garceran,
Und da gilt gleich denn: Christin, Maurin--Jüdin.
Garceran. Auf Maurinnen sind Streiter wir der Grenze Zu Recht
verwiesen, doch die Jüdin, Herr--
König. Spiel etwa du den Kostverächter doch! Ich wette, wenn das
Mädchen dir dort oben Nur einen Blick gegönnt, du wärest Flamme.
Ich selber lieb es nicht dies Volk, doch weiß ich, Was sie verunziert, es
ist unser Werk; Wir lähmen sie und grollen, wenn sie hinken. Zudem
ist etwas Großes Garceran, In diesem Stamm von unstet flücht'gen
Hirten: Wir andern sind von heut, sie aber reichen Bis an der
Schöpfung Wiege, wo die Gottheit Noch menschengleich in Paradiesen
ging, Wo Cherubim zu Gast bei Patriarchen Und Richter war und Recht
der ein'ge Gott. Samt all der Märchenwelt, die Wahrheit auch Von Kain
und Abel, von Rebekkas Klugheit, Von Jakob, der um Rahel dienend
freite-- Wie heißt das Mädchen?
Garceran. Herr, ich weiß nicht.
König. Ei! Von Ahasverus, der den Herrscherstab Ausstreckte über
Esther, die sein Weib Und selber Jüdin, Schutzgott war den ihren. So
Christ als Muselmann führt seinen Stammbaum Hinauf zu diesem Volk
als ältstem, erstem, So daß sie uns bezweifeln, wir nicht sie Und hat es
Esau-gleich, sein Recht verscherzt, Wir kreuz'gen täglich zehenmal den
Herrn Durch unsre Sünden, unsre Missetaten Und jene haben's einmal

nur getan. Nun aber laß uns gehn! Vielmehr bleib du! Geleite sie und
merke dir ihr Haus.
Vielleicht einmal wenn müde Sorgen drücken, Besuch ich sie und freu
mich ihres Danks. (Im Begriffe zu gehn hört er Geräusch im Hause und
bleibt stehen.) Was ist?
Garceran. Geräusch im Haus. Scheint's doch beinah, Sie strafen Lügen
dein gespendet Lob Und streiten unter sich.
König (auf das Haus zugehend). Was gibt's zu streiten?
(Isaak kommt aus dem Gartenhause.)
Isaak (zurücksprechend). Nun denn so bleibt und spielt um euer Haupt!
Schon einmal ging's euch nah. Ich rette mich.
König. Frag was es gibt!
Garceran. Was soll es guter Mann?
Isaak (zu Garceran). Ah Ihr seid's hoher Herr, der uns beschirmt. Mein
Rahelchen sie spricht gar viel von Euch, Sie hat Euch lieb.
König. Zur Sache! Was Geschwätz--
Isaak. Wer ist der Herr?
Garceran. Gleichviel. Du aber rede. Was ist der Anlaß des Gelärms dort
oben?
Isaak (zum Fenster hinaufsprechend). Nun ja, es wird euch kommen.
Wartet nur. (Zu Garceran.) Ihr selber habt gesehn mein Rahelchen Wie
sie geweint, gestöhnt, die Brüste schlug, Halb sinnverwirrt. Ei ja doch,
Herr, mein Leben! Kaum wußte sie vorüber die Gefahr Da kam zurück
der alte Übermut: Sie lachte, tanzte, sang, halb toll von neuem, Sie
rückte das Gerät, das heilig ist, Bewacht von Tod und poltert--wie Ihr
hört. Trägt sie am Gürtel nicht ein Schlüsselbund? Nun, das versucht
sie, Herr, an allen Schränken Die längs den Wänden stehn, und öffnet
sie; Da hängen nun Gewänder aller Art. Der Bettler bei dem König,
Engel, Teufel In bunter Reih'--
König (halblaut zu Garceran). Vom letzten Fastnachtspiel.
Isaak. Da wählt
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