Die Jüdin von Toledo | Page 5

Franz Grillparzer

König. Was dünkt dir von dem allen?
Garceran. Mir, o Herr?
König. Verstell dich nicht! du bist ein feiner Kenner. Ich selbst hab nie
nach Weibern viel gesehn, Doch diese scheint mir schön.

Garceran. Sie ist's, o Herr!
König. So sei denn stark, denn du sollst sie geleiten.
Rahel (die in der Mitte der Bühne mit gebrochenen Knien und
gesenktem Haupte steht, den Ärmel aufstreifend). Leg mir das
Armband an.--O weh, du drückst mich. Den Halsschmuck auch--zwar
der hängt ja noch hier. Das Tuch behalt, mir ist so schwer und schwül.
König. Bring sie nach Haus!
Garceran. Doch, Herr, ich fürchte--
König. Was?
Garceran. Das Volk ist aufgeregt--
König. Du hast nicht unrecht. Obwohl ein Wort des Königs Schutz
genug, Ist's besser doch, zu meiden jeden Anlaß.
Esther (Raheln das Kleid am Halse zurechtrichtend). Und wie das Kleid
verschoben und zerstört.
König. Bring sie vorerst nach einem der Kioske Die rings im Garten
stehn, und kommt der Abend--
Garceran. Ich höre, hoher Herr!
König. Wie nur? Ja so! Seid ihr nicht fertig noch?
Esther. Wir sind's, o Herr.
König. Und ist es Abend und das Volk verlaufen So führe sie nach
Haus, und somit gut.
Garceran. Komm schöne Heidin!
König. Heidin? welche Possen!
Esther (zu Rahel, die sich zum Fortgehen anschickt). Und dankst du
nicht dem Herrn für so viel Huld?
Rahel (noch immer erschöpft, sich gegen den König wendend). Hab
Dank, o Herr, für deinen mächt'gen Schutz! Oh, daß ich nicht ein
ärmlich Wesen wäre, (mit einer Bewegung der Hand über den Hals)
Daß dieser Hals, gekürzt von Henkershand, Daß diese Brust ein Schild
gen deinen Feind-- Zwar das begehrst du nicht.
König. Ein hübscher Schild! Somit denn geht mit Gott. Und--Garceran,
(leiser) Ich wünschte nicht, daß diese hier mein Schützling, Durch
irgendwie zudringlich kühne Possen Beleidigt, je gestört--
Rahel (die Hand an die Stirne gelegt). Ich kann nicht gehn.
König (da ihr Garceran den Arm bieten will). Wozu den Arm? Laß sie
die Schwester führen.
Du, alter Mann, bewahre deine Tochter, Die Welt ist arg, so hüte

deinen Schatz.
(Rahel und die Ihrigen, von Garceran begleitet, ab.)
König (ihnen nachsehend). Sie wankt noch immer. All ihr ganzes
Wesen Ein Meer von Angst in stets erneuten Wellen. (Mit dem Fuß
auftretend.) Hielt sie den Fuß mir doch so eng umklammert Daß er fast
schmerzt.--Im Grunde wunderlich, Ein feiger Mann er wird mit Recht
verachtet Und dies Geschlecht ist stark erst wenn es schwach. Ah,
Almirante, was sagt Ihr dazu?
Manrique. Ich denke, hoher Herr, daß meinen Sohn Ihr eben jetzt so
fein als streng bestraft.
König. Bestraft?
Manrique. Als Hüter ihn bestellend diesem Pöbel.
König. Die Strafe, Freund, ist, denk ich, nicht so hart. Ich selbst hab nie
nach Weibern viel gefragt, (auf das Gefolge zeigend) Doch diese Herrn
sind etwa andrer Meinung.
Nun aber fort mit diesen wirren Bildern! Laßt uns zur Tafel, mich
verlangt nach Stärkung, Und bei dem ersten Trunk am festlich frohen
Tag Gedenk' ein jeder des--woran er denken mag.
Hier ist kein Rang! Nur zu! Voraus! Voran!
(Indem die Hofleute sich zu beiden Seiten ordnen und der König mitten
durch sie abgeht, fällt der Vorhang.)

Zweiter Aufzug
Ein Teil des Gartens. Kurzes Theater. Rechts ein Gartenhaus mit einem
Balkon und einer Türe, zu der mehrere Stufen emporführen.
Garceran, zur Türe herauskommend.
Garceran. So rett ich mich denn etwa vorderhand. Das Mädchen sie ist
schön und eine Närrin, Und da die Liebe Torheit, ist 'ne Törin
Gefährlicher, als selbst die Schlauste nicht.
Zudem tut's not, daß meinen guten Ruf Und meine Leidenschaft für
Doña Clara-- Die Schweigsamste von allen die je schwiegen,-- Ich neu
zu Ehren bringe, da 's noch Zeit; Entfliehen der Gefahr nennt Sieg der
Kluge.
(Ein Knappe des Königs kommt.)
Knappe. Herr Garceran!
Garceran. Ah, Robert! und was soll's?
Knappe. Der König, Herr, befahl mir nachzusehn, Ob Ihr noch hier mit

Eurer Pflegbefohlnen.
Garceran. Ob wir noch hier? Befahl er doch--Ah, Freund, Du solltest
nachsehn, ob ich etwa oben? Sag nur, das Mädchen sei im Gartenhaus
Und ich hier außen. Das wird ihm genügen.
Knappe. Hier sind Sie selbst!
Garceran. Ah, Majestät!
(Der König kommt im Mantel gehüllt, der Knappe geht.)
König. Nun, Freund, Noch immer hier?
Garceran. Habt Ihr doch selbst befohlen, Daß erst beim Anbruch von
des Abends Dunkel--
König. Jawohl, jawohl! Doch reifer Überlegung Scheint besser, daß ihr
reist bei Tageslicht-- Du giltst für kühn.
Garceran. So glaubt Ihr hoher Herr--
König. Ich glaube, daß du ehrst des Königs Wort, Der, was er schützte,
unbelästigt wünscht. Allein Gewohnheit ist des Menschen Meister Und
unser Wille will oft, weil er muß. Drum geht nur jetzt. Was aber treibt
dein Schützling?
Garceran. Zum Anfang war ein Weinen ohne Maß, Allein die Zeit
bringt Trost, pflegt man zu sagen, So war's auch hier, vorbei der erste
Schreck, Fand Munterkeit, ja Scherz sich wieder ein.
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