Die Jüdin von Toledo | Page 4

Franz Grillparzer
denn wieder, Wie sie ein
König, führt der Eure euch, Und ist ein Gott, wie er denn wirklich ist,
Und Recht der Ausspruch seines Munds, so hoff ich Zu siegen, weil im
Recht, und weil ein Gott. Mich dauert nur des Landmanns bittre Not,
Ich selbst als Höchster, ich bin da zum Schwersten. Laßt in den
Kirchen sich das Volk versammeln Und flehen zu dem Herrn der Siege
gibt, Die Heiligtümer seien ausgestellt Und jeder bete, der da künftig
streitet.
Garceran. Schon ohne Aufruf ward dein Wort erfüllt: Die Glocken
tönen weithin an den Grenzen Und in den Tempeln sammelt sich das
Volk; Nur daß ihr Eifer, irrend, wie so oft, Sich gegen jene
Andersgläub'gen wendet Die Handel und Gewinn im Land zerstreut.
Schon ward ein Jude hier und da mißhandelt.
König. Und ihr, ihr duldet's? Nun, beim großen Gott! Wer sich mir
anvertraut, den will ich schützen, Ihr Glaube kümmert sie, mich was sie
tun.
Garceran. Man nennt sie Späher in der Mauren Sold.
König. Niemand verrät zuletzt was er nicht weiß, Und da ich ihren

Mammon stets verachtet Hab nie auch noch begehrt ich ihren Rat. Was
sein wird, weiß nur ich, nicht Christ noch Jude Deshalb nun sag ich
euch bei eurem Kopf--
Eine Weiberstimme (von außen). Weh uns!
König. Was ist?
Garceran. Dort, Herr, ein alter Mann, Ein Jude scheint's, verfolgt von
Gartenknechten, Zwei Mädchen neben ihm. Die eine, schau! Sie flieht
hierher.
König. Ganz recht, denn hier ist Schutz, Und Gottes Donner, wer ein
Haar ihr krümmt, (In die Szene rufend.) Hierher, nur hier!
(Rahel kommt fliehend.)
Rahel. O weh, sie töten mich Wie dort den Vater! Ist denn nirgends
Hilfe? (Sie erblickt die Königin und kniet vor ihr.) O hohes Frauenbild,
beschirme mich, Streck aus die Hand und schütze deine Magd, Ich will
dir dienen auch, nicht Jüdin, Sklavin. (Sie greift nach den Händen der
Königin, die sich von ihr abwendet.)
Rahel (aufstehend). Auch hier nicht Rettung, übrall Angst und Tod.
Wohin nur flieh ich?--Ah, hier steht ein Mann Mit Mondscheinaugen,
strahlend Trost und Kühlung Und alles um ihn her heißt Majestät. Du
kannst mich schützen, Herr, ach, und du wirst's. Ich will nicht sterben,
will nicht! Nein, nein, nein! (Sie wirft sich vor dem Könige nieder,
seinen rechten Fuß umklammernd, das Haupt zu Boden gesenkt.)
König (zu einigen, die sich nähern). Laßt sie! Der Schreck beraubt sie
fast der Sinne Und wie sie schaudert schütternd mich mit sich.
Rahel (emporgerichtet). Und alles, was ich habe, (ihr Armband
ablösend) diese Spangen, Das Halsgeschmeid und dann dies teure Tuch,
(ein Tuch ablösend, das sie shawlartig um den Hals geschlungen trägt)
Der Vater hat's gekauft um vierzig Pfund, Echt indisches Geweb', ich
geb es hin, Nur laßt mein Leben mir, ich will nicht sterben! (Sinkt in
ihre vorige Stellung zurück.)
(Man hat Isaak und Esther gebracht.)
König. Was hat der Mann verbrochen?
Manrique (da alle schweigen). Herr, du weißt, Verboten ist der Eintritt
diesem Volk In Königs Garten, wenn der Hof zur Stelle.
König. Nun, wenn's verboten, so erlaub ich's denn.
Esther. Er ist kein Späher, Herr, ein Handelsmann, Die Briefe, die er
führt, sie sind hebräisch, Und nicht arabisch, nicht in Maurensprache.

König. Ich glaub's, ich glaub's! (Auf Rahel zeigend.) Und diese?
Esther. Meine Schwester!
König. So nimm sie denn und bring sie fort.
Rahel (da Esther sich ihr nähert). Nein, nein! Sie fassen mich, sie
führen mich hinaus Und töten mich! (Mit den Händen auf den
abgelegten Schmuck zeigend.) Hier ist mein Lösegeld, Hier will ich
bleiben und ein wenig schlafen. (Die Wange an des Königs Knie
gelegt.) Hier ist die Sicherheit, hier ruht sich's gut.
Königin. Wollt Ihr nicht gehn?
König. Ihr seht, ich bin gefangen!
Königin. Seid Ihr gefangen, bin ich frei. Ich gehe.
(Mit ihren Frauen ab.)
König. Nun noch auch das! Mit ihrem Züchtigtun Erschaffen sie, was
sie entfernen möchten. (Zu Rahel streng.) Ich sage dir, steh auf!--Gib
ihr ihr Tuch Und laß sie gehn.
Rahel. O Herr, nur noch ein Weilchen-- Die Glieder sind gelähmt--ich
kann nicht schreiten. (Den Ellbogen aufs Knie und den Kopf in die
Hand gestützt.)
König (zurücktretend). Und ist sie immer denn so schreckhaft?
Esther. O nicht doch! Sie war vor kurzem übermütig noch Und trotzte,
wollte, Herr, dich sehen.
König. Mich? Sie hat es schwer bezahlt.
Esther. Auch sonst zu Hause Treibt sie nur Possen, spielt mit Mensch
und Hund Und macht uns lachen, wenn wir noch so ernst.
König. So wollt' ich denn, sie wäre eine Christin Und hier am Hof, wo
Langeweil' genug, Ein bißchen Scherz käm' etwa uns zustatten. He,
Garceran!
Garceran. Erlauchter Herr und König.
Esther (mit Rahel beschäftigt.) Steh auf! steh auf!
Rahel (sich emporhebend und Esther den Halsschmuck abnehmend,
den sie zu dem übrigen legt). Und gib nur, was du hast, Es ist mein
Lösegeld.
Esther. Es sei denn also.
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