Die Jüdin von Toledo | Page 3

Franz Grillparzer
mit
den Ästen, Kraft und Bestehn aus trübem Irdischen, Dem Fehler nah
Verwandten aufzusaugen. War einer je gerecht, der niemals hart? Und
der da mild, ist selten ohne Schwäche. Der Tapfre wird zum Waghals
in der Schlacht Besiegter Fehl ist all des Menschen Tugend, Und wo
kein Kampf, da ist auch keine Macht. Mir selber ließ man nicht zu
fehlen Zeit: Als Knabe schon den Helm auf schwachem Haupt, Als
Jüngling mit der Lanze hoch zu Roß, Das Aug' gekehrt auf eines
Gegners Dräun, Blieb mir kein Blick für dieses Lebens Güter, Und was
da reizt und lockt, lag fern und fremd. Daß Weiber es auch gibt, erfuhr
ich erst, Als man mein Weib mir in der Kirche traute, Die wirklich
ohne Fehl, wenn irgend jemand, Und die ich, grad heraus, noch wärmer
liebte, Wär' manchmal, statt des Lobs, auch etwas zu verzeihn. (Zur
Königin.) Nu, nu, erschrick nur nicht, war's doch nur Scherz! Doch soll
den Tag man nicht vor Abend loben Und malen nicht den Teufel an die
Wand.
Nun aber, statt zu rechten, laß die Zeit, Die kurzgegönnte, uns der Ruh'
genießen. Die Fehden inner Landes sind gedämpft, Doch rüstet sich,
sagt man, der Maure neu Und hofft aus Afrika verwandte Hilfe, Ben
Jussuf und sein streitgewohntes Heer. Da gibt's denn neuen Krieg und
neue Plage. Bis dahin öffnen wir die Brust dem Frieden Und atmen ein
die ungewohnte Lust. Ist keine Nachricht da?--Allein vergaß ich's? Du
siehst ja nicht um dich her, Leonore Und schaust, was wir geschaffen,
dir zur Lust?
Königin. Was soll ich sehn?
König. O weh doch, Almirante! Wir haben's nicht getroffen, ob bemüht.
Da graben wir nun Tag' und Wochen lang Und hofften, diesen Garten
umzustalten, Der nur Orangen trägt und Schatten gibt, In einen, wie sie

England hegt und liebt, Das strenge Vaterland hier meiner Strengen.
Allein sie lächelt, schüttelt still das Haupt.-- So sind sie nun,
Britanniens Kinder, alle; Trifft man aufs Haar nicht den gewohnten
Brauch, So weisen sie's zurück und lächeln vornehm. Die Meinung
mindestens war gut, Lenore, Und so gib nur ein Wort des Danks den
Männern, Die sich für uns, weiß Gott wie lang, bemüht.
Königin. Ich dank Euch, edle Herrn!
König. Nun zu was anderm! Der Tag hat einen Riß. Ich hoffte dir An
Hütten, Wiesen, englischen Geschmacks Noch das und dies im Garten
rings zu zeigen, Doch ist's verfehlt. Verstell dich nicht, o Liebe! Es ist
so, denken wir nicht mehr daran!-- Da bleibt ein Stündchen denn für
das Geschäft, Eh' span'scher Wein uns Spaniens Küche würzt. Ist noch
kein Bote von der Grenze da? Toledo haben wir mit Fleiß ersehn, Um
nah zu sein der Kundschaft von dem Feinde, Und doch kein Bote?
Manrique. Herr--
König. Was ist's? Wie nur?
Manrique. Ein Bote kam.
König. Nun denn!
Manrique (auf die Königin zeigend). Ein wenig später.
König. Mein Weib sie ist gewohnt an Rat und Krieg, Die Königin teilt
jedes mit dem König.
Manrique. Doch dürfte mehr noch als die Botschaft etwa Der Bote
selber--
König. Und wer ist's?
Manrique. Mein Sohn.
König. Ah, Garceran! Laß ihn nur kommen! (Zur Königin.) Bleib! Der
junge Mann hat höchlich wohl gefehlt Als er verkleidet schlich ins
Fraungemach, Die Holde seines Herzens zu erspähn. Nu Doña Clara,
senk nur nicht das Haupt, Der Mann ist wacker, obgleich jung und
rasch, Gespiele mir aus meiner Knabenzeit Und unversöhnlich sein
wär' etwa schlimmer Als leichtgesinnt den Fehler übersehn. Auch denk
ich, hat er reichlich abgebüßt Seit Monden schon verbannt zur fernen
Grenze. (Auf einen Wink der Königin entfernt sich ein Fräulein ihres
Gefolges.) Nun geht sie doch: O Sittsamkeit Noch sittlicher als Sitte!
(Garceran kommt.)
König. Ah, mein Freund! Wie steht's bei euch? Sind alle dort so bang,
Wie du, und also mädchenhafter Scheu? Dann steht es schlimm um

unsrer Reiche Schutz.
Garceran. Ein wackrer Mann, Herr, fürchtet keinen Feind, Doch schwer
drückt edler Fraun gerechter Zorn.
König. Gerechter Zorn, jawohl! Und glaube nicht, Daß ich mit Brauch
und Schick es minder streng Und minder ernstlich halt als meine Frau.
Doch hat der Zorn und alles seine Grenze. Drum noch mal Garceran,
wie steht's bei euch? Macht euch der Feind, ob Frieden gleich, zu
schaffen?
Garceran. Wir schlugen uns, als wär's im Scheingefecht Mit blut'gen
Wunden diesseits, Herr, und drüben; Der Friede glich dem Krieg so auf
ein Haar, Daß nur im Treubruch aller Unterschied. Seit kurzer Zeit
jedoch hielt Ruh' der Gegner.
König. Ei das ist schlimm!
Garceran. Wir denken's auch, und glauben Er rüste sich für einen
größern Schlag. Auch heißt's, daß Schiffe täglich Volk und Vorrat Aus
Afrika nach Cadix überführen Wo heimlich sich vereint ein stattlich
Heer Zu dem der neue Herrscher von Marokko, Jussuf Soll stoßen mit
dem dort geworbnen Volk; Dann käme wohl der Schlag der uns
bedroht.
König. Nun, schlagen sie, so schlagen wir
Continue reading on your phone by scaning this QR Code

 / 25
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.