Die Geschwister | Page 5

Johann Wolfgang von Goethe
m?chtest gerne viel Kinder haben. Die hat man nicht immer so am Schn��rchen, da? sie nur schreien, wenn's dich nicht st?rt.
WILHELM. Wenn's meine Kinder sind.
MARIANNE. Das mag wohl auch ein Unterschied sein.
FABRICE. Meinen Sie, Marianne?
MARIANNE. Das mu? gar zu gl��cklich sein! (Sie kauert sich zum Knaben und k��?t ihn.) Ich habe Christeln so lieb! Wenn er erst mein w?re!--Er kann schon buchstabieren; er lernt's bei mir.
WILHELM. Und da meinst du, deiner k?nnte schon lesen?
MARIANNE. Jawohl! Denn da t?t' ich mich den ganzen Tag mit nichts abgeben, als ihn aus--und anziehen, und lehren, und zu essen geben, und putzen, und allerlei sonst.
FABRICE. Und der Mann?
MARIANNE. Der t?te mitspielen: der w��rd' ihn ja wohl so liebhaben wie ich. Christel mu? nach Haus und empfiehlt sich. (Sie f��hrt ihn zu Wilhelmen.) Hier, gib eine sch?ne Hand, eine rechte Patschhand!
FABRICE. (f��r sich). Sie ist gar zu lieb; ich mu? mich erkl?ren.
MARIANNE. (das Kind zu Fabricen f��hrend). Hier dem Herrn auch.
WILHELM (f��r sich). Sie wird dein sein! Du wirst--Es ist zu viel, ich verdien's nicht.--(Laut). Marianne, schaff das Kind weg; unterhalt Herrn Fabricen bis zum Nachtessen; ich will nur ein paar Gassen auf und ab laufen; ich habe den ganzen Tag gesessen. (Marianne ab.) Unter dem Sternhimmel nur einen freien Atemzug!--Mein Herz ist so voll.--Ich bin gleich wieder da! (Ab.)
(Fabrice allein.)
FABRICE. Mach der Sache ein Ende, Fabrice. Wenn du's nun immer l?nger und l?nger tr?gst, wird's doch nicht reifer. Du hast's beschlossen. Es ist gut, es ist trefflich! Du hilfst ihrem Bruder weiter, und sie--sie liebt mich nicht, wie ich sie liebe. Aber sie kann auch nicht heftig lieben, sie soll nicht heftig lieben!--Liebes M?dchen!--Sie vermutet wohl keine andere als freundschaftliche Gesinnungen in mir!--Es wird uns wohlgehen, Marianne!--Ganz erw��nscht und wie bestellt, die Gelegenheit! Ich mu? mich ihr entdecken--und wenn mich ihr Herz nicht verschm?ht--von dem Herzen des Bruders bin ich sicher.
(Marianne kommt.)
FABRICE. Haben Sie den Kleinen weggeschafft?
MARIANNE. Ich h?tt' ihn gern dabehalten; ich wei? nur, der Bruder hat's nicht gern, und da unterlass' ich's. Manchmal erbettelt sich der kleine Dieb selbst die Erlaubnis von ihm, mein Schlafkamerad zu sein.
FABRICE. Ist er Ihnen denn nicht l?stig?
MARIANNE. Ach, gar nicht. Er ist so wild den ganzen Tag, und wenn ich zu ihm ins Bette komm', ist er so gut wie ein L?mmchen! Ein Schmeichelk?tzchen! und herzt mich, was er kann; manchmal kann ich ihn gar nicht zum Schlafen bringen.
FABRICE (halb f��r sich). Die liebe Natur.
MARIANNE. Er hat mich auch lieber als seine Mutter.
FABRICE. Sie sind ihm auch Mutter. (Marianne steht in Gedanken, Fabrice sieht sie eine Zeitlang an.) Macht Sie der Name Mutter traurig?
MARIANNE. Nicht traurig, ich denke nur so.
FABRICE. Was, s��?e Marianne?
MARIANNE. Ich denke--ich denke auch nichts. Es ist mir nur manchmal so wunderbar.
FABRICE. Sollten Sie nie gew��nscht haben--?
MARIANNE. Was tun Sie f��r Fragen?
FABRICE. Fabrice wird's doch d��rfen?
MARIANNE. Gew��nscht nie, Fabrice. Und wenn mir auch einmal so ein Gedanke durch den Kopf fuhr, war er gleich wieder weg. Meinen Bruder zu verlassen, w?re mir unertr?glich--unm?glich--, alle ��brige Aussicht m?chte auch noch so reizend sein.
FABRICE. Das ist doch wunderbar! Wenn Sie in einer Stadt beieinander wohnten, hie?e das ihn verlassen?
MARIANNE. O nimmermehr! Wer sollte seine Wirtschaft f��hren? wer f��r ihn sorgen?--Mit einer Magd?--oder gar heiraten?--Nein, das geht nicht!
FABRICE. K?nnte er nicht mit Ihnen ziehen? K?nnte Ihr Mann nicht sein Freund sein? K?nnten Sie drei nicht ebenso eine gl��ckliche, eine gl��cklichere Wirtschaft f��hren? K?nnte Ihr Bruder nicht dadurch in seinen sauern Gesch?ften erleichtert werden?--Was f��r ein Leben k?nnte das sein!
MARIANNE. Man sollt's denken. Wenn ich's ��berlege, ist's wohl wahr. Und hernach ist mir's wieder so, als wenn's nicht anginge.
FABRICE. Ich begreife Sie nicht.
MARIANNE. Es ist nun so.--Wenn ich aufwache, horch' ich, ob der Bruder schon auf ist; r��hrt sich nichts, hui bin ich aus dem Bette in der K��che, mache Feuer an, da? das Wasser ��ber und ��ber kocht, bis die Magd aufsteht und er seinen Kaffee hat, wie er die Augen auftut.
FABRICE. Hausm��tterchen.
MARIANNE. Und dann setze ich mich hin und stricke Str��mpfe f��r meinen Bruder, und hab' eine Wirtschaft, und messe sie ihm zehnmal an, ob sie auch lang genug sind, ob die Wade recht sitzt, ob der Fu? nicht zu kurz ist, da? er manchmal ungeduldig wird. Es ist mir auch nicht ums Messen, es ist mir nur, da? ich was um ihn zu tun habe, da? er mich einmal ansehen mu?, wenn er ein paar Stunden geschrieben hat, und er mir nicht Hypochonder wird. Denn es tut ihm doch wohl, wenn er mich ansieht; ich seh's ihm an den Augen ab, wenn er mir's gleich sonst nicht will merken lassen. Ich lache manchmal heimlich, da? er tut, als wenn er ernst w?re oder b?se. Er tut wohl; ich peinigte ihn sonst den ganzen Tag.
FABRICE. Er ist gl��cklich.
MARIANNE. Nein, ich bin's. Wenn ich ihn nicht h?tte, w��?t' ich nicht, was ich in der Welt anfangen
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