Die Göttliche Komödie | Page 7

Dante Alighieri
muß.


Schwarz, feucht der Bart, die Augen rote Höhlen
Mit weitem
Bauch, die Hände scharf beklaut,
Vierteilt, zerkratzt und schindet er
die Seelen.
Sie heulen, wie die Hund’, im Regen laut,
Und sie
verschaffen sich durch öftres Drehen
Auf einer Seite mind’stens
trockne Haut.
Der große Höllenwurm, der uns ersehen,
Riß auf die
Rachen, zeigt uns ihr Gebiß
Und ließ kein Glied am Leibe
stillestehen.
Virgil streckt aus die offnen Händ’ und riß
Erd’ aus
dem Grund, die in die gier’gen Rachen
Er alsogleich mit vollen
Fäusten schmiß.
Wie’s pflegt ein keifig böser Hund zu machen,
Des
Bellen schweigt, wenn er den Fraß erbeißt,
Der wilden Grimm
vermocht’, ihm anzufachen;
So jetzt mit schmutz’gen Schlünden
jener Geist,
Der so durchdröhnt die armen Leidensmatten,
Daß
jeder hochbeglückt die Taubheit preist.
Wir gingen über die gequälten
Schatten,
Indem wir auf ihr Nichts, das Körper schien,
Im tiefen
Schlamm gestellt die Sohlen hatten.
Sie lagen allesamt am Boden hin,

Nur einen sahn wir sich zum Sitzen heben,
Wie er uns dort erblickt
im Weiterziehn.
Er sprach: "Der du zur Hölle dich begeben,

Erkenne mich, dafern dir’s möglich ist;
Du Iebtest, eh’ ich aufgehört
zu leben."
Und ich zu ihm: "Die Angst, in der du bist,
Zieht dich
vielleicht aus meinem Angedenken;
Mir scheint, ich sähe dich zu
keiner Frist.
Wer bist du? Sprich, was konnte dich versenken
In
eine Qual, die, gibt’s auch größre Pein,
Nicht widriger kann sein,
noch ärger kränken."
"In eurer Stadt," so sprach er, "die allein
Der
Neid erfüllt, und bis zum Überfließen,
Genoß ich einst des Tages
heitern Schein.
Ich bin’s, den Ciacco eure Bürger hießen,
Zur Qual
für schnöde Schuld des Gaumens muß,

Du siehst’s, auf mich sich
ew’ger Regen gießen.
Und mich allein nicht züchtigt dieser Guß,

Nein, alle diese leiden gleiche Plagen
Für gleiche Schuld."--So seiner
Rede Schluß.
Und ich: "Mich haben, Ciacco, deine Klagen
Zum
Mitleid und zu Tränen fast gerührt.
Allein, wenn du es weißt, so
magst du sagen,
Wohin noch unsrer Stadt Parteiung führt?
Ob wer
gerecht ist? Was in diesen Zeiten
In ihr die Glut der wilden
Zwietracht schürt?"
Und er darauf zu mir: "Nach langem Streiten


Kommt’s dort zu Blut, dann treibt die Waldpartei
Die andre fort mit
vielen Grausamkeiten.
Doch in drei Sonnen ist’s mit ihr vorbei,

Neu günstig sind der andern die Gestirne,
Durch eines Mannes Macht
und Heuchelei.
Hoch hebt sie dann auf lange Zeit die Stirne
Und
hält den Feind mit großer Last beschwert,
Wie er auch sich beklag’
und sich erzürne.
Zwei find gerecht dort, aber nicht gehört.
Neid,
Geiz und Hochmut--diese drei sind Gluten,
In welchen sich der
Bürger Herz verzehrt."
Als hier des Schattens Jammertöne ruhten,

Sprach ich zu ihm: "Noch weiteren Bericht
Erlaube mir, dir bittend
anzumuten.
Tegghiajo, Farinata, treu der Pflicht,
Arrigo, Rusticucci,
Mosca--sage!--
Und andre, nur auf Gutestun erpicht,
Wo find sie?
Welches ist ihr Los? Ich trage
Verlangen, hier ihr Schicksal zu
erspäh’n,
Ob’s Himmelswonne sei, ob Höllenplage?"
Und er: "Sie
stürzte mancherlei Vergehn
Zu schwärzern Seelen nach den tiefern
Gründen.
Steigst du so tief, so wirst du alle sehn--
Kehrst du zur
süßen Welt aus diesen Schlünden,
Bring’ ins Gedächtnis dann der
Menschen mich.
Mehr sag’ ich nicht, mehr darf ich nicht verkünden."

Scheel ward sein g’rades Aug’ und wandte sich
Nach mir; dann
sank er mit dem Haupte nieder,
So daß er ganz den andern Blinden
glich.
Drauf sprach mein Führer: "Nie erwacht er wieder,
Bis er vor
englischer Posaun’ ergraust,
Und der Gewalt, dem Sündenvolk
zuwider.
Zum Grab kehrt jeder, wo sein Körper haust,
Empfängt
sein Fleisch zurück und die Gestaltung
Und hört, was ewig
widerhallend braust."
Wir gingen langsam fort in schwerer Haltung,

Durch’s Kotgemisch von Schatten und von Flut.
Vom künft’gen
Leben war die Unterhaltung.
Drum ich: "Mein Meister, wird der
Qualen Wut
Sich nach dem großen Urteilsspruch vermehren?

Vermindert sich, bleibt sich nur gleich die Glut?"
Und er: "Gedenk’
an deines Weisen Lehren:
So sehr ein Ding vollkommen ist, so sehr

Wird sich’s im Glücke freu’n, im Schmerz verzehren
Und kann
gleich der Verdammten zahllos Heer
Vollkommenheit, die wahre, nie
erringen,
So harrt es doch in jener Zeit auf mehr."
Wir fuhren fort,
im Kreise vorzudringen,
Mehr sprechend, als zu sagen gut erscheint,


Bis hin zum Platz, wo Stufen niedergingen,
Und fanden Plutus dort,
den großen Feind.
Siebenter Gesang
Aleph, Pape Satan, Pape Satan!
Erhob, rauh kluchzend, Plutus seine
Stimme.
Und er, der alles wohl verstand, begann:
"Getrost, nicht
fürchte dich vor seinem Grimme,
Durch alle seine Macht wird’s nicht
verwehrt,
Daß ich mit dir den Felsen niederklimme."
Und dann, zu
dem geschwoIlnen Mund gekehrt,
Rief er: "Wolf, schweige, du
Vermaledeiter!
Von deiner Wut sei in dir selbst verzehrt!
Wir gehn
nicht ohne Grund zur Tiefe weiter,
Dort will man’s, dort, wo einst
den Stolz mit Schmach
Gezüchtigt Michael, der Himmelsstreiter."

Gleichwie die Segel, wenn der Mast zerbrach,
Erst aufgebläht zum
Knäuel niederrollen,
So fiel das Untier, das so drohend sprach.
So
ging’s zum vierten Kreis im schmerzenvollen
Unsel’gen Schacht, der
alle Schuld umfängt,
Von welcher je im Weltall Kund’ erschollen.

Gerechtigkeit des Herrn, dein Walten drängt
So neue Mühn
zusammen, solche Plagen!
O blinde Schuld, die hier den Lohn
empfängt!
Wie der Charybdis Wogen sich zerschlagen,
Zum
Gegenstoß gewälzt von Süd und Nord,
So muß sich hier das Volk im
Wirbel jagen.
Noch nirgend war die Schar so groß wie dort.
Laut
heulend kamen sie von beiden Enden
Und wälzten Lasten mit den
Brüsten fort.
Und stießen sich, um sich beim Prall zu wenden,
Und
dann zurück im Bogenlauf zu zieh’n,
Und schrien sich zu: Was
halten?--Was verschwenden?
So durch den Kreis,
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