bisher geleitet hatten. Das Kind wird Knabe. Leckerey und Spielwerk
weicht der aufkeimenden Begierde, eben so frey, eben so geehrt, eben
so glücklich zu werden, als es sein älteres Geschwister sieht.
§. 56.
Schon längst waren die Bessern von jenem Theile des
Menschengeschlechts gewohnt, sich durch einen Schatten solcher
edlern Bewegungsgründe regieren zu lassen. Um nach diesem Leben
auch nur in dem Andenken seiner Mitbürger fortzuleben, that der
Grieche und Römer alles.
§. 57.
Es war Zeit, daß ein andres wahres nach diesem Leben zu
gewärtigendes Leben Einfluß auf seine Handlungen gewönne.
§. 58.
Und so ward Christus der erste zuverlässige, praktische Lehrer der
Unsterblichkeit der Seele.
§. 59.
Der erste zuverlässige Lehrer.--Zuverlässig durch die Weissagungen,
die in ihm erfüllt schienen; zuverlässig durch die Wunder, die er
verrichtete; zuverlässig durch seine eigene Wiederbelebung nach einem
Tode, durch den er seine Lehre versiegelt hatte. Ob wir noch itzt diese
Wiederbelebung, diese Wunder beweisen können: das lasse ich dahin
gestellt seyn. So, wie ich es dahin gestellt seyn lasse, wer die Person
dieses Christus gewesen. Alles das kann damals zur Annehmung seiner
Lehre wichtig gewesen seyn: itzt ist es zur Erkennung der Wahrheit
dieser Lehre so wichtig nicht mehr.
§. 60.
Der erste praktische Lehrer.--Denn ein anders ist die Unsterblichkeit
der Seele, als eine philosophische Speculation, vermuthen, wünschen,
glauben: ein anders, seine innern und äussern Handlungen darnach
einrichten.
§. 61.
Und dieses wenigstens lehrte Christus zuerst. Denn ob es gleich bey
manchen Völkern auch schon vor ihm eingeführter Glaube war, daß
böse Handlungen noch in jenem Leben bestraft würden: so waren es
doch nur solche, die der bürgerlichen Gesellschaft Nachtheil brachten,
und daher auch schon in der bürgerlichen Gesellschaft ihre Strafe
hatten. Eine innere Reinigkeit des Herzens in Hinsicht auf ein andres
Leben zu empfehlen, war ihm allein vorbehalten.
§. 62.
Seine Jünger haben diese Lehre getreulich fortgepflanzt. Und wenn sie
auch kein ander Verdienst hätten, als daß sie einer Wahrheit, die
Christus nur allein für die Juden bestimmt zu haben schien, einen
allgemeinem Umlauf unter mehrern Völkern verschaft hätten: so wären
sie schon darum unter die Pfleger und Wohlthäter des
Menschengeschlechts zu rechnen.
§. 63.
Daß sie aber diese Eine große Lehre noch mit andern Lehren versetzten,
deren Wahrheit weniger einleuchtend, deren Nutzen weniger erheblich
war: wie konnte das anders seyn? Laßt uns sie darum nicht schelten,
sondern vielmehr mit Ernst untersuchen: ob nicht selbst diese
beygemischten Lehren ein neuer Richtungsstoß für die menschliche
Vernunft geworden.
§. 64.
Wenigstens ist es schon aus der Erfahrung klar, daß die
Neutestamentlichen Schriften, in welchen sich diese Lehren nach
einiger Zeit aufbewahret fanden, das zweyte beßre Elementarbuch für
das Menschengeschlecht abgegeben haben, und noch abgeben.
§. 65.
Sie haben seit siebzehnhundert Jahren den menschlichen Verstand
mehr als alle andere Bücher beschäftiget; mehr als alle andere Bücher
erleuchtet, sollte es auch nur das Licht seyn, welches der menschliche
Verstand selbst hineintrug.
§. 66.
Unmöglich hätte irgend ein ander Buch unter so verschiednen Völkern
so allgemein bekannt werden können: und unstreitig hat das, daß so
ganz ungleiche Denkungsarten sich mit diesem nehmlichen Buche
beschäftigten, den menschlichen Verstand mehr fortgeholfen, als wenn
jedes Volk für sich besonders sein eignes Elementarbuch gehabt hätte.
§. 67.
Auch war es höchst nöthig, daß jedes Volk dieses Buch eine Zeit lang
für das Non plus ultra seiner Erkenntnisse halten mußte. Denn dafür
muß auch der Knabe sein Elementarbuch vors erste ansehen; damit die
Ungeduld, nur fertig zu werden, ihn nicht zu Dingen fortreißt, zu
welchen er noch keinen Grund gelegt hat.
§. 68.
Und was noch itzt höchst wichtig ist:--Hüte dich, du fähigeres
Individuum, der du an dem letzten Blatte dieses Elementarbuches
stampfest und glühest, hüte dich, es deine schwächere Mitschüler
merken zu lassen, was du witterst, oder schon zu sehn beginnest.
§. 69.
Bis sie dir nach sind, diese schwächere Mitschüler;--kehre lieber noch
einmal selbst in dieses Elementarbuch zurück, und untersuche, ob das,
was du nur für Wendungen der Methode, für Lückenbüsser der
Didaktik hältst, auch wohl nicht etwas Mehrers ist.
§. 70.
Du hast in der Kindheit des Menschengeschlechts an der Lehre von der
Einheit Gottes gesehen, daß Gott auch bloße Vernunftswahrheiten
unmittelbar offenbaret; oder verstattet und einleitet, daß bloße
Vernunftswahrheiten als unmittelbar geoffenbarte Wahrheiten eine Zeit
lang gelehret werden: um sie geschwinder zu verbreiten, und sie fester
zu gründen.
§. 71.
Du erfährst, in dem Knabenalter des Menschengeschlechts, an der
Lehre von der Unsterblichkeit der Seele, das Nehmliche. Sie wird in
dem zweyten bessern Elementarbuche als Offenbarung geprediget,
nicht als Resultat menschlicher Schlüsse gelehret.
§. 72.
So wie wir zur Lehre von der Einheit Gottes nunmehr des Alten
Testaments entbehren können; so wie wir allmälig, zur Lehre von der
Unsterblichkeit der Seele, auch des Neuen Testaments entbehren zu
können anfangen: könnten in diesem nicht noch mehr dergleichen
Wahrheiten vorgespiegelt werden, die wir als Offenbarungen so lange
anstaunen sollen, bis sie die Vernunft
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