Bald war an Abfall und
Abgötterey unter ihm nicht mehr zu denken. Denn man kann einem
Nationalgott wohl untreu werden, aber nie Gott, so bald man ihn
einmal erkannt hat.
§. 41.
Die Gottesgelehrten haben diese gänzliche Veränderung des jüdischen
Volks verschiedentlich zu erklären gesucht; und Einer, der die
Unzulänglichkeit aller dieser verschiednen Erklärungen sehr wohl
gezeigt hat, wollte endlich "die augenscheinliche Erfüllung der über die
Babylonische Gefangenschaft und die Wiederherstellung aus derselben
ausgesprochnen und aufgeschriebnen Weissagungen," für die wahre
Ursache derselben angeben. Aber auch diese Ursache kann nur in so
fern die wahre seyn, als sie die nun erst vereitelten Begriffe von Gott
voraus setzt. Die Juden mußten nun erst erkannt haben, daß
Wunderthun und das Künftige vorhersagen, nur Gott zukomme;
welches beydes sie sonst auch den falschen Götzen beygeleget hatten,
wodurch eben Wunder und Weissagungen bisher nur einen so
schwachen, vergänglichen Eindruck auf sie gemacht hatten.
§. 42.
Ohne Zweifel waren die Juden unter den Chaldäern und Persern auch
mit der Lehre von der Unsterblichkeit der Seele bekannter geworden.
Vertrauter mit ihr wurden sie in den Schulen der Griechischen
Philosophen in Aegypten.
§. 43.
Doch da es mit dieser Lehre, in Ansehung ihrer heiligen Schriften, die
Bewandniß nicht hatte, die es mit der Lehre von der Einheit und den
Eigenschaften Gottes gehabt hatte; da jene von dem sinnlichen Volke
darum war gröblich übersehen worden, diese aber gesucht seyn wollte;
da auf diese noch Vorübungen nöthig gewesen waren, und also nur
Anspielungen und Fingerzeige Statt gehabt hatten: so konnte der
Glaube an die Unsterblichkeit der Seele natürlicher Weise nie der
Glaube des gesammten Volks werden. Er war und blieb nur der Glaube
einer gewissen Sekte desselben.
§. 44.
Eine Vorübung auf die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele, nenne
ich z. E. die göttliche Androhung, die Missethat des Vaters an seinen
Kindern bis ins dritte und vierte Glied zu strafen. Dieß gewöhnte die
Väter in Gedanken mit ihren spätesten Nachkommen zu leben, und das
Unglück, welches sie über diese Unschuldige gebracht hatten, voraus
zu fühlen.
§. 45.
Eine Anspielung nenne ich, was blos die Neugierde reizen und eine
Frage veranlassen sollte. Als die oft vorkommende Redensart, zu
seinen Vätern versammlet werden, für sterben.
§. 46.
Einen Fingerzeig nenne ich, was schon irgend einen Keim enthält, aus
welchem sich die noch zurückgehaltne Wahrheit entwickeln läßt.
Dergleichen war Christi Schluß aus der Benennung Gott Abrahams,
Isaacs und Jacobs. Dieser Fingerzeig scheint mir allerdings in einen
strengen Beweis ausgebildet werden zu können.
§. 47.
In solchen Vorübungen, Anspielungen, Fingerzeigen besteht die
positive Vollkommenheit eines Elementarbuchs; so wie die oben
erwähnte Eigenschaft, daß es den Weg zu den noch zurückgehaltenen
Wahrheiten nicht erschwere, oder versperre, die negative
Vollkommenheit desselben war.
§. 48.
Setzt hierzu noch die Einkleidung und den Stil--1) die Einkleidung der
nicht wohl zu übergehenden abstrakten Wahrheiten in Allegorieen und
lehrreiche einzelne Fälle, die als wirklich geschehen erzählet werden.
Dergleichen sind die Schöpfung, unter dem Bilde des werdenden Tages;
die Quelle des moralischen Bösen, in der Erzählung vom verbotnen
Baume; der Ursprung der mancherlei Sprachen, in der Geschichte vom
Thurmbaue zu Babel, u. s. w.
§. 49.
2) den Stil--bald plan und einfältig, bald poetisch, durchaus voll
Tavtologieen, aber solchen, die den Scharfsinn üben, indem sie bald
etwas anders zu sagen scheinen, und doch das nehmliche sagen, bald
das nehmliche zu sagen scheinen, und im Grunde etwas anders
bedeuten oder bedeuten können:--
§. 50.
Und ihr habt alle gute Eigenschaften eines Elementarbuchs sowol für
Kinder, als für ein kindisches Volk.
§. 51.
Aber jedes Elementarbuch ist nur für ein gewisses Alter. Das ihm
entwachsene Kind länger, als die Meinung gewesen, dabey zu
verweilen, ist schädlich. Denn um dieses auf eine nur einigermaassen
nützliche Art thun zu können, muß man mehr hineinlegen, als darum
liegt; mehr hineintragen, als es fassen kann. Man muß der
Anspielungen und Fingerzeige zu viel suchen und machen, die
Allegorieen zu genau ausschütteln, die Beyspiele zu umständlich
deuten, die Worte zu stark pressen. Das giebt dem Kinde einen
kleinlichen, schiefen, spitzfindigen Verstand; das macht es
geheimnißreich, abergläubisch, voll Verachtung gegen alles Faßliche
und Leichte.
§. 52.
Die nehmliche Weise, wie die Rabbinen ihre heiligen Bücher
behandelten! Der nehmliche Charakter, den sie dem Geiste ihres Volks
dadurch ertheilten!
§. 53.
Ein bessrer Pädagog muß kommen, und dem Kinde das erschöpfte
Elementarbuch aus den Händen reißen.--Christus kam.
§. 54.
Der Theil des Menschengeschlechts, den Gott in Einen Erziehungsplan
hatte fassen wollen--Er hatte aber nur denjenigen in Einen fassen
wollen, der durch Sprache, durch Handlung, durch Regierung, durch
andere natürliche und politische Verhältnisse in sich bereits verbunden
war--war zu dem zweyten großen Schritte der Erziehung reif.
§. 55.
Das ist: dieser Theil des Menschengeschlechts war in der Ausübung
seiner Vernunft so weit gekommen, daß er zu seinen moralischen
Handlungen edlere, würdigere Bewegungsgründe bedurfte und
brauchen konnte, als zeitliche Belohnung und Strafen waren, die ihn
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