Die Einsamen | Page 2

Paul Heyse
eine w��rdige Heroldin seines Gef��hls sein w��rde. Wie neidisch dachte er an jenen Tenor zur��ck, der in Rom ihn manchen Abend entz��ckt hatte! Mit dieser Stimme hier die Weite auszuf��llen! Wie armselig, stumm wie ein Dieb, klanglos wie der Stock in seiner Hand kam er sich vor, als er durch alle singende und klingende Wonne der Natur hindurchschritt.
Was r��hmen sie die Poesie als die h?chste Kunst? rief er zornig aus. Kann sie eine Brust von der ��bermacht eines solchen Eindrucks befreien? Ruft mir die Gr??ten her, die jemals ��ber melodische Worte zu gebieten hatten, ob sie nicht dem Unerme?lichen gegen��ber verstummen gleich mir armem Nachgeborenen. Womit wollen sie Licht und ?ther und Meer und die D��fte, die aus jenem Orangenhain heraufwehen, nur von ferne w��rdig verherrlichen? Sogar der letzte unter allen, die sich noch einer Muse r��hmen, ein T?nzer selbst k?nnte es ihnen hier zuvortun. Kann er nicht das Streben in den Himmel hinauf, ins All hinein, wenigstens mit Zeichen und Geb?rden andeuten, mit seiner ganzen Person und vom Wirbel bis zur Zehe seine Trunkenheit ausstr?men? Und nun ein Maler vollends! Der unbedeutendste und einf?ltigste, wenn er nur gelernt hat, die Linie des Berges dort und das Kloster am ?u?ersten Rande, dahinter den Wald, die Grenze des Meeres, im Vordergrunde den frisch vom Winde geknickten Baum auf ein Blatt zu bringen--wie gl��cklich mu? es ihn machen! Und wenn er gar ein Meister ist und die zitternde Helle ��ber der gelben Bergwand in Farben widerstrahlen kann, dort in der Tiefe die See, die noch immer w��hlt und die Wellen wirft wie Fetzen eines silberdurchwirkten Gewandes, den Duft dr��ben am Vesuv, die wei?en Glockent��rme zwischen dem jungen Laub der Kastanien--ich k?nnte ihn geradezu umbringen vor Neid!
In dieser seltsam aufgeregten Verfassung setzte er sich auf einen Stein am Wege nieder und sah finster um sich her. Und er hatte es halb und halb verdient, da? ihm durch die Erkenntnis seiner Unzul?nglichkeit die reine Stimmung zerst?rt wurde. Er war mit der festen trotzigen ��berzeugung ausgegangen, drau?en der langentbehrten Muse zu begegnen. Ein Heft Papier hatte er zu sich gesteckt, und hinter jedem Felsenvorsprung, jeder Wald- oder Gartenecke rechnete er gespannt darauf, ein lyrisches Motiv zu finden. Denn der sehr t?richte und eitle Wunsch beseelte ihn, wo alles im Werden war, auch von seinem geringen Dasein irgend ein Zeugnis abzulegen. Und wohl jeder hat es schon einmal an sich selbst erfahren, da? ihn das gro?e Werk der sich erneuenden Natur in eine Spannung versetzt, in der er die unerh?rtesten Dinge wirken und wagen m?chte, in eine ziellose Unruhe, irgend etwas zu gestalten und nicht der einzig Unt?tige und Erstorbene zu sein, w?hrend alles Bl��ten treibt? Schade nur, da? dieses Fr��hlingsfieber meist, anstatt irgend einer Tat, Ersch?pfung und Verzicht zur Folge zu haben pflegt.
Und so hatte denn auch unser Freund bald verzichtet, ohne darum die Mi?gunst auf andere Sterbliche los zu werden, die, wie er meinte, besser daran seien als er. Nun kommen sie aus ihren L?chern hervor, murmelte er ingrimmig, und machen das Land unsicher mit Mappen und Schirmen und Feldst��hlen und setzen sich an den gedeckten Tisch der Mutter Natur. Sie brauchen nur zuzugreifen, so haben sie alle H?nde voll. Und wenn sich ihre Sinne satt geschwelgt haben, tragen sie wie ein Gastgeschenk von dem Fest, wie den Becher, aus dem sie getrunken haben, ihre Studien und Skizzen heim, die ihnen die Erinnerung und Stimmung erneuen, sooft sie danach Verlangen tragen. Sie haben wohl recht, in den S��den zu pilgern; f��r sie ist hier offene Tafel. Aber wir? Aber ich? Haben mich schadenfrohe G?tter hierher gelockt, um mich recht tief zu dem��tigen? War's nicht schon genug, da? ich in Rom alle meine Verse auf die Frascatanerin verbrannte, als ich ihr Bild auf der Ausstellung gesehen? Was w?re der ganze Petrark gegen eine Leinwand, auf der ein Tizian das Bild von Madonna Laura festgehalten h?tte? Als man noch nicht malen konnte, da war die rechte Zeit zum Dichten. Denn was ist das Dichten anders als ein ewig wiederholtes Bekenntnis, da? Worte arme Sch?cher sind, die nicht den Saum am Gewande der Mutter Natur zu fassen verm?gen? Im Norden, wo keine Farben und keine Formen sind, da mag sich die Poesie die K?nigin d��nken. Eine Bettlerin ist sie hier!
W?hrend dieses frevelhaften Selbstgespr?chs hatte er unverwandt auf das Meer geblickt, das sich mit jeder Viertelstunde tiefer f?rbte und nur mit langen helleren Streifen gl?nzend durchschossen blieb. Es fiel dem fieberhaften Toren nicht ein, da? auch ein Maler hier verzweifelt seine Pinsel weggeworfen h?tte. Denn ein gro?er Teil des uns?glichen Reizes lag eben im Wechsel und Spiel der T?ne, in dem lebendigen Wandel der Elemente. Sollen wir gar die anderen ��berspannten Anklagen entkr?ften, die der Verblendete gegen seine Muse schleuderte? Aber wir wissen ja, mit wem wir es zu tun haben, mit einem von jenem "reizbaren Geschlecht", dem
Continue reading on your phone by scaning this QR Code

 / 16
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.