Die Braut von Messina | Page 4

Friedrich von Schiller
versagten Dienst.
Lernt dies Geschlecht, das herzlos falsche,
kennen!
Die Schadenfreude ist's, wodurch sie sich
An eurem Glück,
an eurer Größe rächen.
Der Herrscher Fall, der hohen Häupter Sturz

Ist ihrer Lieder Stoff und ihr Gespräch,
Was sich vom Sohn zum
Enkel forterzählt,
Womit sie sich die Winternächte kürzen.
--O
meine Söhne! Feindlich ist die Welt
Und falsch gesinnt! Es liebt ein
Jeder nur
Sich selbst; unsicher, los und wandelbar
Sind alle Bande,
die das leichte Glück
Geflochten--Laune löst, was Laune knüpft--

Nur die Natur ist redlich! Sie allein
Liegt an dem ew'gen
Ankergrunde fest,
Wenn alles Andre auf den sturmbewegten Wellen

Des Lebens unstet treibt--Die Neigung gibt
Den Freund, es gibt der
Vortheil den Gefährten;
Wohl Dem, dem die Geburt den Bruder gab!

Ihn kann das Glück nicht geben! Anerschaffen
Ist ihm der Freund,
und gegen eine Welt
Voll Kriegs und Truges steht er zweifach da!
Chor. (Cajetan.)

Ja, es ist etwas Großes, ich muß es verehren,
Um
einer Herrscherin fürstlichen Sinn,
Über der Menschen Thun und
Verkehren
Blickt sie mit ruhiger Klarheit hin.
Uns aber treibt das
verworrene Streben
Blind und sinnlos durchs wüste Leben.
Isabella. (zu Don Cesar).
Du, der das Schwert auf seinen Bruder

zückt,
Sieh dich umher in dieser ganzen Schaar,
Wo ist ein edler
Bild als deines Bruders? (Zu Don Manuel.) Wer unter Diesen, die du
Freunde nennst,
Darf deinem Bruder sich zur Seite stellen?
Ein
Jeder ist ein Muster seines Alters,
Und Keiner gleicht, und Keiner
weicht dem Andern.
Wagt es, euch in das Angesicht zu sehn!
O
Raserei der Eifersucht, des Neides!
Ihn würdest du aus Tausenden
heraus
Zum Freunde dir gewählt, ihn an das Herz
Geschlossen
haben als den Einzigen;
Und jetzt, da ihn die heilige Natur
Dir gab,
dir in der Wiege schon ihn schenkte,
Trittst du, ein Frevler an dem
eignen Blut,
Mit stolzer Willkür ihr Geschenk mit Füßen,
Dich
wegzuwerfen an den schlechtern Mann,
Dich an den Feind und
Fremdling anzuschließen!
Don Manuel.
Höre mich, Mutter!
Don Cesar.
Mutter, höre mich!
Isabella.
Nicht Worte sind's, die diesen traur'gen Streit

Erledigen--Hier ist das Mein und Dein,
Die Rache von der Schuld
nicht mehr zu sondern.
--Wer möchte noch das alte Bette finden

Des Schwefelstroms, der glühend sich ergoß?
Des unterird'schen
Feuers schreckliche
Geburt ist Alles, eine Lavarinde
Liegt
aufgeschichtet über dem Gesunden,
Und jeder Fußtritt wandelt auf
Zerstörung.
--Nur dieses Eine leg' ich euch ans Herz:
Das Böse, das
der Mann, der mündige,
Dem Manne zufügt, das, ich will es glauben,

Vergibt sich und versöhnt sich schwer. Der Mann
Will seinen Haß,
und keine Zeit verändert
Den Rathschluß, den er wohl besonnen faßt.

Doch eures Haders Ursprung steigt hinauf
In unverständ'ger
Kindheit frühe Zeit,
Sein Alter ist's, was ihn entwaffnen sollte.

Fragte zurück, was euch zuerst entzweite;
Ihr wißt es nicht, ja, fändet
ihr's auch aus,
Ihr würdet auch des kind'schen Haders schämen.

Und dennoch ist's der erste Kinderstreit,
Der, fortgezeugt in

unglücksel'ger Kette,
Die neuste Unbill dieses Tags geboren.
Denn
alle schweren Thaten, die bis jetzt geschahn,
Sind nur des Argwohns
und der Rache Kinder.
--Und jene Knabenfehde wolltet ihr
Nicht
jetzt fortkämpfen, da ihr Männer seid? (Beider Hände fassend.) O,
meine Söhne! Kommt, entschließet euch,
Die Rechnung gegenseitig
zu vertilgen,
Denn gleich auf beiden Seiten ist das Unrecht.
Seid
edel, und großherzig schenkt einander
Die unabtragbar ungeheure
Schuld.
Der Siege göttlichster ist das Vergeben!
In eueres Vaters
Gruft werft ihn hinab,
Den alten Haß der frühen Kinderzeit!
Der
schönen Liebe sei das neue Leben,
Der Eintracht, der Versöhnung
sei's geweiht.
(Sie tritt einen Schritt zwischen beiden zurück, als wollte sie ihnen
Raum geben, sich einander zu nähern. Beide blicken zur Erde, ohne
einander anzusehen.)
Chor. (Cajetan.)
Höret der Mutter vermahnende Rede,
Wahrlich, sie
spricht ein gewichtiges Wort!
Laßt es genug sein und endet die Fehde,

Oder gefällt's euch, so setzet sie fort.
Was auch genehm ist, das ist
mir gerecht,
Ihr seid die Herrscher, und ich bin der Knecht.
Isabella. (nachdem sie einige Zeit innegehalten und vergebens eine
Äußerung der Brüder erwartet, mit unterdrücktem Schmerz.)
Jetzt
weiß ich nichts mehr. Ausgeleert hab' ich
Der Worte Köcher und
erschöpft der Bitten Kraft.
Im Grabe ruht, der euch gewaltsam
bändigte,
Und machtlos steht die Mutter zwischen euch.

--Vollendet! Ihr habt freie Macht! Gehorcht
Dem Dämon, der euch
sinnlos wüthend treibt,
Ehrt nicht des Hausgotts heiligen Altar,

Laßt diese Halle selbst, die euch geboren,
Den Schauplatz werden
eines Wechselmords.
Vor eurer Mutter Aug zerstöret euch
Mit
euren eignen, nicht durch fremde Hände.
Leib gegen Leib, wie das
thebanische Paar,
Rückt auf einander an, und wuthvoll ringend,

Umfanget euch mit eherner Umarmung.
Leben um Leben tauschend
siege Jeder,
Den Dolch einbohrend nicht des Andern Brust,
Daß

selbst der Tod nicht eure Zwietracht heile,
Die Flamme selbst, des
Feuers rothe Säule,
Die sich von eurem Scheiterhaufen hebt,
Sich
zweigespalten von einander theile,
Ein schaudernd Bild, wie ihr
gestorben und gelebt.
(Sie geht ab. Die Brüder bleiben noch in der vorigen Entfernung von
einander stehen.)
Fünfter Auftritt.
Beide Brüder. Beide Chöre.
Chor. (Cajetan.)
Es sind nur Worte, die sie gesprochen,
Aber sie
haben den fröhlichen Muth
In der felsigten Brust mir gebrochen!

Ich nicht vergoß das verwandte Blut.
Nein zum Himmel erheb' ich
die Hände:
Ihr seid Brüder! Bedenket das Ende!
Don Cesar (ohne Don Manuel anzusehen).
Du bist der ältre Bruder,
rede du!
Dem Erstgebornen weich' ich ohne Schande.
Don Manuel (in derselben Stellung).
Sag' etwas Gutes, und ich folge
gern
Dem edeln Beispiel, das der jüngre gibt.
Don Cesar.
Nicht, weil ich für den Schuldigeren mich
Erkenne oder
schwächer gar mich fühle--
Don Manuel.
Nicht Kleinmuths
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