Die Braut von Messina | Page 5

Friedrich von Schiller
zeiht Don Cesarn, wer ihn kennt,

Fühlt' er sich schwächer, würd' er stolzer reden.
Don Cesar.
Denkst du von deinem Bruder nicht geringer?
Don Manuel.
Du bist zu stolz zur Demuth, ich zur Lüge.
Don Cesar.
Verachtung nicht erträgt mein edles Herz.
Doch in des
Kampfes heftigster Erbittrung
Gedachtest du mit Würde deines
Bruders.

Don Manuel.
Du willst nicht meinen Tod, ich habe Proben.
Ein
Mönch erbot sich dir, mich meuchlerisch
Zu morden; du bestraftest
den Verräther.
Don Cesar (tritt etwas näher).
Hätt' ich dich früher so gerecht erkannt,

Es wäre Vieles ungeschehn geblieben.
Don Manuel.
Und hätt' ich dir ein so versöhnlich Herz
Gewußt, viel
Mühe spart' ich dann der Mutter.
Don Cesar.
Du wurdest mir viel stolzer abgeschildert.
Don Manuel.
Es ist der Fluch der Hohen, daß die Niedern
Sich
ihres offnen Ohrs bemächtigen.
Don Cesar (lebhaft).
So ist's, die Diener tragen alle Schuld.
Don Manuel.
Die unser Herz in bitterm Haß entfremdet.
Don Cesar.
Die böse Worte hin und wieder trugen.
Don Manuel.
Mit falscher Deutung jede That vergiftet.
Don Cesar.
Die Wunde nährten, die sie heilen sollten.
Don Manuel.
Die Flamme schürten, die sie löschen konnten.
Don Cesar.
Wir waren die Verführer, die Betrogenen!
Don Manuel.
Das blinde Werkzeug fremder Leidenschaft!
Don Cesar.
Ist's wahr, daß alles Andre treulos ist--
Don Manuel.
Und falsch! Die Mutter sagt's, du darfst es glauben!
Don Cesar.
So will ich diese Bruderhand ergreifen--

(Er reicht ihm die Hand hin.)
Don Manuel. (ergreift sie lebhaft).
Die mir die nächste ist auf dieser
Welt.
(Beide stehen Hand in Hand und betrachten einander eine Zeitlang
schweigend.)
Don Cesar.
Ich seh' dich an, und überrascht, erstaunt
Find' ich in dir
der Mutter theure Züge.
Don Manuel.
Und eine Ähnlichkeit entdeckt sich mir
In dir, die
mich noch wunderbarer rühret.
Don Cesar.
Bist du es wirklich, der dem jüngern Bruder
So hold
begegnet und so gütig spricht?
Don Manuel.
Ist dieser freundlich sanftgesinnte Jüngling
Der
übelwollend mir gehäß'ge Bruder?
(Wiederum Stillschweigen; Jeder steht in den Anblick des Andern
verloren.)
Don Cesar.
Du nahmst die Pferde von arab'scher Zucht
In Anspruch
aus dem Nachlaß unsers Vaters.
Den Rittern, die du schicktest, schlug
ich's ab.
Don Manuel.
Sie sind dir lieb, ich denke nicht mehr dran.
Don Cesar.
Nein, nimm die Rosse, nimm den Wagen auch
Des
Vaters, nimm sie, ich beschwöre dich!
Don Manuel.
Ich will es thun, wenn du das Schloß am Meere

Beziehen willst, um das wir heftig stritten.
Don Cesar.
Ich nehm' es nicht, doch bin ich's wohl zufrieden,
Daß
wir's gemeinsam brüderlich bewohnen.

Don Manuel.
So sei's! Warum ausschließend Eigenthum
Besitzen,
da die Herzen einig sind?
Don Cesar.
Warum noch länger abgesondert leben,
Da wir,
vereinigt, jeder reicher werden?
Don Manuel.
Wir sind nicht mehr getrennt, wir sind vereinigt.
(Er eilt in seine Arme.)
Erster Chor (zum zweiten.) (Cajetan.)
Was stehen wir hier noch
feindlich geschieden,
Da die Fürsten liebend sich umfassen?
Ihrem
Beispiel folg' ich und biete dir Frieden,
Wollen wir einander denn
ewig hassen?
Sind sie Brüder durch Blutes Bande,
Sind wir Bürger
und Söhne von einem Lande.
(Beide Chöre umarmen sich.)
Sechster Auftritt.
Ein Bote tritt auf.
Zweiter Chor (Zu Don Cesar.) (Bohemund.)
Den Späher, den du
ausgesendet, Herr,
Erblick' ich wiederkehrend. Freue dich,
Don
Cesar! Gute Botschaft harret dein,
Denn fröhlich strahlt der Blick des
Kommenden.
Bote.
Heil mir und Heil der fluchbefreiten Stadt!
Des schönsten
Anblicks wird mein Auge froh.
Die Söhne meines Herrn, die Fürsten
seh' ich
In friedlichem Gespräche, Hand in Hand,
Die ich in heißer
Kampfes Wuth verlassen.
Don Cesar.
Du siehst die Liebe aus des Hasses Flammen
Wie einen
neu verjüngten Phönix steigen.
Bote.
Ein zweites leg' ich zu dem ersten Glück!
Mein Botenstab
ergrünt von frischen Zweiten!

Don Cesar. (ihn bei Seite führend).
Laß hören, was du bringst.
Bote.
Ein einz'ger Tag
Will Alles, was erfreulich ist, versammeln.
Auch
die Verlorene, nach der wir suchten,
Sie ist gefunden, Herr, sie ist
nicht weit.
Don Cesar.
Sie ist gefunden! O, wo ist sie? Sprich!
Bote.
Hier in Messina, Herr, verbirgt sie sich.
Don Manuel (zu dem ersten Halbchor gewendet).
Von hoher Röthe
Gluth seh' ich die Wangen
Des Bruders glänzen, und sein Auge blitzt.

Ich weiß nicht, was es ist; doch ist's die Farbe
Der Freude, und
mitfreuend theil' ich sie.
Don Cesar (zu dem Boten).
Komm, führe mich!--Leb wohl, Don
Manuel!
Im Arm der Mutter finden wir uns wieder;
Jetzt fordert
mich ein dringend Werk von hier. (Er will gehen.)
Don Manuel.
Verschieb' es nicht. Das Glück begleite dich.
Don Cesar (besinnt sich und kommt zurück).
Don Manuel! Mehr, als
ich sagen kann,
Freut mich dein Anblick--ja, mir ahnet schon,
Wir
werden uns wie Herzensfreunde lieben,
Der langgebundne Trieb wird
freud'ger nur
Und mächt'ger streben in der neuen Sonne.
Nachholen
werd' ich das verlorne Leben.
Don Manuel.
Die Blüthe deutet auf die schöne Frucht.
Don Cesar.
Es ist nicht recht, ich fühl's und tadle mich,
Daß ich
mich jetzt aus deinen Armen reiße.
Denk' nicht, ich fühle weniger, als
du,
Weil ich die festlich schöne Stunde rasch zerschneide.
Don Manuel (mit sichtbarer Zerstreuung).
Gehorche du dem

Augenblick! Der Liebe
Gehört von heute an das ganze Leben.
Don Cesar.
Entdeckt' ich dir, was mich von hinnen ruft--
Don Manuel.
Laß mir dein Herz! Dir bleibe dein Geheimniß.
Don Cesar.
Auch kein Geheimniß trenn' uns ferner mehr,
Bald soll
die letzte dunkle Falte schwinden!
(Zu dem Chor gewendet.)
Euch
künd' ich's an, damit ihr's Alle wisset!
Der Streit ist abgeschlossen
zwischen mir
Und dem
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