redlich und treu dient; sie weiß, wer nur dem Schein nach ihr
untertäniger Knecht ist. Sie kennt die Nachlässigen so gut als die
Falschen, die Unklugen sowohl als die Bösartigen.
Amtmann. Sie sagen nicht zu viel; es ist eine vortreffliche Dame, aber
ebendeswegen! Der Hofmeister verdiente doch, dass sie ihn geradezu
wegschickte.
Luise. In allem, was das Schicksal des Menschen betrifft, geht sie
langsam zu Werke, wie es einem Großen geziemt. Es ist nichts
schrecklicher als Macht und Übereilung.
Amtmann. Aber Macht und Schwäche sind auch ein trauriges Paar.
Luise. Sie werden der gnädigen Gräfin nicht nachsagen, dass sie
schwach sei.
Amtmann. Behüte Gott, dass ein solcher Gedanke einem alten treuen
Diener einfallen sollte! Aber es ist denn doch erlaubt, zum Vorteil
seiner gnädigen Herrschaft zu wünschen, dass man manchmal mit mehr
Strenge gegen Leute zu Werke gehe, die mit Strenge behandelt sein
wollen.
Luise. Die Frau Gräfin! (Luise tritt ab.)
Zweiter Auftritt Die Gräfin im Negligé. Der Amtmann.
Amtmann. Euer Exzellenz haben zwar auf eine angenehme Weise,
doch unvermutet Ihre Dienerschaft überrascht, und wir bedauern nur,
dass Dieselben bei Ihrer Ankunft durch einen so traurigen Anblick
erschreckt worden. Wir hatten alle Anstalten zu Dero Empfang
gemacht: Das Tannenreisig zu einer Ehrenpforte liegt wirklich schon
im Hofe; die sämtlichen Gemeinden wollten reihenweise an dem Wege
stehen und Hochdieselben mit einem lauten Vivat empfangen, und
jeder freute sich schon, bei einer so feierlichen Gelegenheit seinen
Festtagsrock anzuziehen und sich und seine Kinder zu putzen.
Gräfin. Es ist mir lieb, dass die guten Leute sich nicht zu beiden Seiten
des Wegs gestellt haben; ich hätte ihnen unmöglich ein freundlich
Gesicht machen können und Ihnen am wenigsten, Herr Amtmann!
Amtmann. Wie so? Wodurch haben wir Euer Exzellenz Ungnade
verdient?
Gräfin. Ich kann nicht leugnen, ich war sehr verdrießlich, als ich
gestern auf den abscheulichen Weg kam, der gerade da anfängt, wo
meine Besitzungen angehen. Die große Reise hab' ich fast auf lauter
guten Wegen vollbracht, und eben, da ich wieder in das Meinige
zurückkomme, find' ich sie nicht nur schlechter wie vorm Jahr, sondern
so abscheulich, dass sie alle Übel einer schlechten Chaussee verbinden.
Bald tief ausgefahren Löcher, in die der Wagen umzustürzen droht, aus
denen die Pferde mit aller Gewalt ihn kaum herausreißen, bald Steine
ohne Ordnung übereinander geworfen, dass man eine Viertelstunde
lang selbst in dem bequemsten Wagen aufs unerträglichste
zusammengeschüttelt wird. Es sollte mich wundern, wenn nichts daran
beschädigt wäre.
Amtmann. Euer Exzellenz werden mich nicht ungehört verdammen;
nur mein eifriges Bestreben, von Euer Exzellenz Gerechtsamen nicht
das mindeste zu vergeben, ist Ursache an diesem üblen Zustande des
Wegs.
Gräfin. Ich verstehe.--
Amtmann. Sie erlauben, Ihrer tiefen Einsicht nur anheim zu stellen, wie
wenig es mir hätte ziemen wollen, den widerspenstigen Bauern auch
nur ein Haarbreit nachzugeben. Sie sind schuldig, die Wege zu bessern,
und da Euer Exzellenz Chaussee befehlen, sind sie auch schuldig, die
Chaussee zu machen.
Gräfin. Einige Gemeinden waren ja willig.
Amtmann. Das ist eben das Unglück. Sie fuhren die Steine an; als aber
die übrigen, widerspenstigen sich weigerten und auch jene
widerspenstig machten, blieben die Steine liegen und wurden nach und
nach, teils aus Notwendigkeit, teils aus Mutwillen, in die Gleise
geworfen, und da ist nun der Weg freilich ein bisschen holprig
geworden.
Gräfin. Sie nennen das ein wenig holprig?
Amtmann. Verzeihen Euer Exzellenz, wenn ich sogar sage, dass ich
diesen Weg öfters mit vieler Zufriedenheit zurücklege. Es ist ein
vortreffliches Mittel gegen die Hypochondrie, sich dergestalt
zusammenschütteln zu lassen.
Gräfin. Das, gesteh' ich, ist eine eigne Kurmethode.
Amtmann. Und freilich, da nun eben wegen dieses Streites, welcher vor
dem Kaiserlichen Reichskammergericht auf das eifrigste betrieben wird,
seit einem Jahr an keine Wegebesserung zu denken gewesen, und
überdies die Holzfuhren stark gehen, in diesen letzten Tagen auch
anhaltendes Regenwetter eingefallen, so möchte denn freilich jemanden,
der gute Chausseen gewohnt ist, unsere Straße gewissermaßen
impraktikable vorkommen.
Gräfin. Gewissermaßen? Ich dächte ganz und gar.
Amtmann. Euer Exzellenz beleiben zu scherzen. Man kommt doch
noch immer fort--
Gräfin. Wenn man nicht liegen bleibt. Und doch hab' ich an der Meile
sechs Stunden zugebracht.
Amtmann. Ich, vor einigen Tagen, noch länger. Zweimal wurd' ich
glücklich herausgewunden, das dritte Mal brach ein Rad, und ich
musste mich noch nur so hereinschleppen lassen. Aber bei allen diesen
Unfällen war ich getrost und gutes Muts; denn ich bedachte, dass Euer
Exzellenz und Ihres Herrn Sohnes Gerechtsame salviert sind.
Aufrichtig gestanden, ich wollte auf solchen Wegen lieber von hier
nach Paris fahren, als nur einen Fingerbreit nachgeben, wenn die
Rechte und Befugnisse meiner gnädigen Herrschaft bestritten werden.
Ich wollte daher, Euer Exzellenz dächten auch so, und Sie würden
gewiss diesen Weg nicht mit so viel Unzufriedenheit zurückgelegt
haben.
Gräfin. Ich muss sagen, darin bin ich anderer Meinung, und gehörten
diese Besitztümer mir eigen, müsste ich mich nicht bloß als
Verwalterin ansehen, so würde ich über
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