Die Aufgeregten | Page 7

Johann Wolfgang von Goethe
Militär,
der Fürst, die Regierung würden uns schön zusammenarbeiten.
Breme. Gerade umgekehrt. Das ist's eben, worauf ich fuße. Der Fürst
ist unterrichtet, wie sehr das Volk bedruckt sei. Er hat sich über die
Unbilligkeit des Adels, über die Langweiligkeit der Prozesse, über die
Schikane der Gerichtshalter und Advokaten oft genug deutlich und
stark erklärt, so dass man voraussetzen kann: Er wird nicht zurück,
wenn man sich Recht verschafft, da er es selbst zu tun gehindert ist.
Peter. Sollte das gewiss sein?
Albert. Es wird im ganzen Lande davon gesprochen.
Peter. Da wäre noch allenfalls was zu wagen.
Breme. Wie ihr zu Werke gehen müsst, wie vor allen Dingen der

abscheuliche Gerichtshalter beiseite muss, und auf wen noch mehr
genau zu sehen ist, das sollt ihr alles noch vor Abend erfahren. Bereitet
eure Sachen vor, regt eure Leute an und seid mir um Sechse beim
Herrenbrunnen. Dass Jakob nicht kommt, macht ihn verdächtig; ja, es
ist besser, dass er nicht gekommen ist. Gebt auf ihn acht, dass er uns
wenigstens nicht schade; an dem Vorteil, den wir uns erwerben, wird er
schon teilnehmen wollen. Es wird Tag; lebt wohl und bedenkt nur, dass,
was geschehen soll, schon geschehen ist. Die Gräfin kommt eben erst
von Paris zurück, wo sie das alles gesehn und gehört hat, was wir mit
so vieler Verwunderung lesen; vielleicht bringt sie schon selbst mildere
Gesinnungen mit, wenn sie gelernt hat, was Menschen, die zu sehr
gedruckt werden, endlich für ihre Rechte tun können und müssen.
Martin. Lebt wohl, Gevatter, lebt wohl! Punkt Sechse bin ich am
Herrenbrunnen.
Albert. Ihr seid ein tüchtiger Mann! Lebt wohl.
Peter. Ich will Euch recht loben, wenn's gut abläuft.
Martin. Wir wissen nicht, wie wir's Euch danken sollen.
Breme (mit Würde). Ihr habt Gelegenheit genug, mich zu verbinden.
Das kleine Kapital zum Exempel von zweihundert Talern, das ich der
Kirche schuldig bin, erlasst ihr mir ja wohl.
Martin. Das soll uns nicht reuen.
Albert. Unsere Gemeine ist wohlhabend und wird auch gern was für
Euch tun.
Breme. Das wird sich finden. Das schöne Fleck, das Gemeindegut war
und das der Gerichtshalter zum Garten einzäunen und umarbeiten
lassen, das nehmt ihr wieder in Besitz und überlasst mir's.
Albert. Das wollen wir nicht ansehen, das ist schon verschmerzt.
Peter. Wir wollen auch nicht zurückbleiben.
Breme. Ihr habt selbst einen hübschen Sohn und schönes Gut; dem
könnt' ich meine Tochter geben. Ich bin nicht stolz, glaubt mir, ich bin
nicht stolz. Ich will Euch gern meinen Schwäher heißen.
Peter. Das Mamsellchen ist hübsch genug; nur ist sie schon zu vornehm
erzogen.
Breme. Nicht vornehm, aber gescheit. Sie wird sich in jeden Stand zu
finden wissen. Doch darüber lässt sich noch vieles reden. Lebt jetzt
wohl, meine Freunde, lebt wohl!
Alle. So lebt denn wohl!

Zweiter Aufzug

Erster Auftritt (Vorzimmer der Gräfin. Sowohl im Fond als an den
Seiten hängen adlige Familienbilder in mannigfaltigen geistlichen und
weltlichen Kostümen.)
Der Amtmann tritt herein, und indem er sich umsieht, ob niemand da
ist, kommt Luise von der andern Seite.
Amtmann. Guten Morgen, Demoiselle! Sind Ihro Exzellenz zu
sprechen? Kann ich meine untertänigste Devotion zu Füßen legen?
Luise. Verziehen Sie einigen Augenblick, Herr Amtmann. Die Frau
Gräfin wird gleich herauskommen. Die Beschwerlichkeiten der Reise
und das Schrecken bei der Ankunft haben einige Ruhe nötig gemacht.
Amtmann. Ich bedaure von ganzem Herzen! Nach einer so langen
Abwesenheit, nach einer so beschwerlichen Reise ihren einzig
geliebten Sohn in einem so schrecklichen Zustande zu finden! Ich muss
gestehen, es schaudert mich, wenn ich nur daran denke. Ihro Exzellenz
waren wohl sehr alteriert?
Luise. Sie können sich leicht vorstellen, was eine zärtliche sorgsame
Mutter empfinden musste, als sie ausstieg, ins Haus trat und da die
Verwirrung fand, nach ihrem Sohne fragte und aus ihrem Stocken und
Stottern leicht schließen konnte, dass ihm ein Unglück begegnet sei.
Amtmann. Ich bedaure von Herzen. Was finden Sie an?
Luise. Wir mussten nur geschwind alles erzählen, damit sie nicht etwas
Schlimmeres besorgte; wir mussten sie zu dem Kinde führen, das mit
verbundenem Kopf und blutigen Kleidern dalag. Wir hatten nur für
Umschläge gesorgt und ihn nicht ausziehen können.
Amtmann. Es muss ein schrecklicher Anblick gewesen sein.
Luise. Sie blickte hin, tat einen lauten Schrei und fiel mir ohnmächtig
in die Arme. Sie war untröstlich, als sie wieder zu sich kam, und wir
hatten alle Mühe, sie zu überführen, dass das Kind sich nur eine starke
Beule gefallen, dass es aus der Nase blutet, und dass keine Gefahr sei.
Amtmann. Ich möchte' es mit dem Hofmeister nicht teilen, der das gute
Kind so vernachlässigt.
Luise. Ich wunderte mich über die Gelassenheit der Gräfin, besonders
da er den Vorfall leichter behandelte, als es ihm in dem Augenblick
geziemte.

Amtmann. Sie ist gar zu gnädig, gar zu nachsichtig.
Luise. Aber sie kennt ihre Leute und merkt sich alles. Sie weiß, wer ihr
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